Von Sandeep Preinfalk // Illustration von Rosa Staiger
Seitdem die ersten Grundrechtseinschränkungen zur Eindämmung der Pandemie im März 2020 beschlossen wurden, kam es wiederholt zu Protesten gegen die Maßnahmen. Ein nicht unwesentlicher Teil der Widerstände entwickelte sich aber schnell zur sogenannten „Querdenker:innen-Bewegung“, die mittlerweile zu eskalieren droht. Doch wer sind diese Querdenker:innen und welche Rolle spielen sie für unsere Gesellschaft?
Ursprung und Merkmale der Querdenker:innen
Die „Querdenker:innen-Bewegung“ entsprang der im Frühjahr 2020 gegründeten „Stuttgarter Initiative Querdenken 711“, deren Anliegen einzig und allein darin bestand, die Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus zu kritisieren. Die Gründer:innen und Mitglieder der Initiative riefen folglich regelmäßig zu Protesten und Demonstrationen gegen beschlossene Coronamaßnahmen auf, welchen sich mit der Zeit immer mehr Menschen anschlossen. Allerdings mündete die anfangs noch von konstruktiver Kritik und plausiblen Argumenten geprägte Initiative rasch in eine systemkritische und ideologische Widerstandsbewegung. Zudem gelang es den Aufwiegler:innen, Menschen aus den unterschiedlichsten Gruppen deutschlandweit zu mobilisieren. Neben rationalen Kritisierenden fanden sich so auch vermehrt selbsternannte Freiheitskämpfer:innen, Staatsskeptiker:innen, Verschwörungserzähler:innen und abgehängte Bürger:innen in den Protesten ein. Ihre Verbundenheit beruhte nicht vorrangig auf der Abstammung desselben Milieus, sondern vielmehr auf die Entfremdung vom Staat und den Glauben an die eigene intellektuelle Überlegenheit. Da die Protestveranstalter:innen eine Vielzahl an Bürger:innen in ihren Bann zu ziehen und sich in ganz Deutschland auszubreiten vermochten, konnte aus der Initiative eine breite „Querdenker:innen-Bewegung“ entstehen. Dieser Prozess wurde (und wird) dadurch beschleunigt, dass Rechtsextremist:innen und Regierungsgegner:innen die Umstände für ihre Zwecke missbrauchten, indem sie Menschen aufstachelten und demzufolge instrumentalisierten.
Querdenker:innen und Impfgegner:innen als Bedrohung für unsere Gesellschaft
Impfgegner:innen sind Teil der „Querdenker:innen-Bewegung“, wobei es sich nicht bei allen Impfgegner:innen automatisch um eine:n Querdenker:in handeln muss. Denn die Ursachen einer Impfgegner:innenschaft können vielfältig sein. So kommen religiöse Hintergründe, Aberglaube, Desinformationen, Fehlinterpretationen, eine verzerrte Berichterstattung, Angst vor Impfschäden, Wissenschaftsleugnung und andere Schwierigkeiten als Gründe infrage. Während vor allem Ängste, die Mediendarstellung und unzureichende Informationen auf institutionelles Versagen und soziale Ungerechtigkeit zurückzuführen sind, kann man die Leugnung oder Verfälschung wissenschaftlicher Erkenntnisse als Querdenken auffassen. Jedoch gelingt es Querdenker:innen, auch jene Impfgegner:innen zu erreichen, die sich nicht aus Überzeugung, sondern Unwissenheit gegen eine Impfung entscheiden. Aus diesem Grund sind die meisten Impfgegner:innen fester Bestandteil der „Querdenker:innen-Bewegung“.
Querdenker:innen und (radikale) Impfgegner:innen offenbaren nur allzu gerne ihre regierungskritische Haltung in den sozialen Medien sowie auf Demonstrationen. Grundsätzlich werden die freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit durch die Verfassung geschützt (siehe Art. 5 und Art. 8 GG). Diese unterliegen aber Schranken und dürfen mit keinen anderen Grundrechten kollidieren. Überdies ermöglicht das Infektionsschutzgesetz verfassungskonforme Grundrechtseingriffe, sofern ein angemessener Rechtfertigungsgrund (wie zum Beispiel der Schutz vor einem Virus) vorliegt. Viele Querdenker:innen sowie (radikale) Impfgegner:innen überschreiten aber nicht selten Verfassungsgrenzen und unternehmen zudem rechtswidrige Handlungen. Demonstrierende verstoßen nämlich häufig gegen Auflagen und treten selbst bei hohen Infektionszahlen und Versammlungsverboten auf. Darüber hinaus sind die Versammlungen oft durch eine hohe Gewaltbereitschaft und ein enormes Eskalationspotenzial gekennzeichnet. Als besonders besorgniserregend stellen sich dabei die vermehrten Angriffe auf einzelne Politiker:innen heraus. Beispielsweise versuchten Querdenker:innen, die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping mittels eines Fackelaufmarsches vor ihrem Haus einzuschüchtern. Solche Proteste und Einschüchterungsversuche sind nicht nur unverantwortlich, sondern vollkommen inakzeptabel und verachtenswert.
Doch nicht nur die Art und Weise der Kritikäußerung ist problematisch. Auch die Inhalte derselben rufen Bedenken hervor. Das betrifft insbesondere Aussagen, die die Zuverlässigkeit und Wirksamkeit der Impfstoffe anzweifeln oder gar leugnen. Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe durchliefen alle Prüfungsphasen. Die EMA und STIKO sprachen sich für eine Impfempfehlung aus. Es wurden Milliarden von Menschen geimpft, die weder schwere Nebenwirkungen noch den Tod erlitten haben. Des Weiteren existieren unzählige Studien, welche den Nutzen der Impfung belegen. In anderen Worten, aus objektiver Sicht können die zugelassenen Impfstoffe hinsichtlich ihrer Effizienz und Sicherheit nicht infrage gestellt werden. Man kann lediglich aufgrund des Alters, einer Vorerkrankung oder anderen relevanten Faktoren ein besonders hohes oder niedriges individuelles Risiko feststellen, aber keineswegs die Impfung an sich verteufeln.
Nichtsdestotrotz maßen sich (radikale) Impfgegner:innen eine eigene Meinung zum allgemeinen Nutzen der Impfung an und verbreiten diesbezüglich Lügen oder Erzählungen. Damit schreiben sie ihrem Standpunkt mehr Bedeutung als dem der zahlreichen Expert:innen zu. Überdies tragen sie dazu bei, dass sich weniger Menschen impfen lassen, das Gesundheitswesen kollabiert und die Pandemie kein Ende findet. So ein Verhalten wird nicht von der Meinungsfreiheit abgedeckt, denn es gefährdet auf der Grundlage wissenschaftsfeindlicher Behauptungen das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft.
Querdenker:innen und (radikale) Impfgegner:innen stellen also eine ernsthafte Bedrohung für unsere Gesellschaft dar. Sie durchbrechen Normen, verherrlichen Gewalt, manipulieren und bedrohen sogar das Leben einzelner Politiker:innen. In ihrem Wahn vereiteln sie jede Aussicht auf Besserung und spalten die Gesellschaft. Einsicht und Selbstreflexion scheinen für sie Fremdwörter zu sein. Dennoch bleibt uns nichts anderes übrig, als auf Aufklärung und Kommunikation zu setzen, um so wenigstens einige von ihnen erleuchten zu können. Wer allerdings den Drang zu direktem Handeln verspürt, kann an Gegendemonstrationen teilnehmen. Diese Möglichkeit besteht beispielsweise in Rostock, wo jeden Montag Querdenker:innen für Unruhen sorgen.
Quellen:
Oswald, Bernd: Querdenker: Wer sie sind – und wie sich die Bewegung entwickelt (URL: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/die-querdenker-eine-heterogene-protestbewegung,SO9TvdX [20.12.21]).
Zeit(Online): Studie: „Querdenker“ im Südwesten sind anders als im Osten (URL: https://www.zeit.de/news/2021-11/22/studie-wurzeln-der-querdenker-bewegung-im-linken-milieu [20.12.21]).
Jürgs, Alexander/Iskandar, Katharina: „Querdenker“ rufen zu Großdemo auf (URL: https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/impfpflicht-querdenker-rufen-zu-demonstration-in-frankfurt-auf-17664018.html [20.12.21]).
mdr: Corona-Fackel-Aufzug vor Wohnhaus für Köpping „widerwärtig und unanständig“ (URL: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/grimma-oschatz-wurzen/corona-protest-gegen-koepping-haus-grimma-100.html [20.12.21]).
Paul-Ehrlich-Institut: Entwicklung, Zulassung, Chargenprüfung (URL: https://www.pei.de/DE/service/faq/coronavirus/faq-coronavirus-node.html [20.12.21]).