Ein Kommentar von Arian Dost // Illustration Luca Butt
Elon Musk, der reichste Mann der Welt: Erst beeinflusste er den Wahlkampf in den USA zugunsten des rechten Populisten Donald Trump – gelingt ihm das nun auch in Deutschland mit der AfD und Alice Weidel?
Doch was ist geschehen? Dass Elon Musk ein größenwahnsinniger Tech-Milliardär mit einem Hang zu Verschwörungserzählungen ist, dürfte spätestens seit der letzten US-Wahl kein Geheimnis mehr sein. Nun mischte sich Musk erstmals aktiv in den deutschen Wahlkampf ein. Am 20. Dezember 2024 postete er auf seiner eigenen Social-Media-Plattform X: „Only the AfD can save Germany“ und verlinkte zugleich ein Video der bekannten rechtsextremen Influencerin Naomi Seibt. Seibt ist in der Vergangenheit häufig durch rechtspopulistische Beiträge aufgefallen, die sich oft des Stilmittels der Desinformation und „Fake News“ bedienten. Dass Musks Buddy und neuer Chef Trump, selbst den Begriff „Fake News“ maßgeblich geprägt hat, verwundert nicht unbedingt. Dennoch stellt die so eindeutige Unterstützung und damit auch Positionierung für eine aus US-amerikanischer Sicht ausländische Partei eines demokratischen europäischen Landes ein Novum dar. Der Post vom 20. Dezember war nur der Auftakt einer Reihe von AfD-Unterstützungsposts sowie eines Bashings etablierter Parteien. Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz wurde persönlich angegriffen: Musk bezeichnete Scholz (frei übersetzt) als einen „unfähigen Narren“ und forderte dessen Rücktritt nach dem schrecklichen Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Zudem veröffentlichte Musk einen Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“, in dem er seine Unterstützung für die AfD und massive Kritik an etablierten Parteien zum Ausdruck brachte. Ob sich die „Welt“ mit diesem Beitrag einen Gefallen getan hat, sei dahingestellt. Es sei jedoch erwähnt, dass die „Welt am Sonntag“ zum Axel-Springer-Verlag gehört, der auch die „Bild“ herausgibt – was keiner weiteren Erläuterung bedarf, um dieses Medium einzuordnen. Letztlich gipfelt diese Support-Tirade (Stand: 07.01.2024) in einem angekündigten Live-Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel auf seiner Plattform X.
Die Frage, was die Demokratie aushalten muss, ist zentral. Unsere freiheitliche, liberale Demokratie muss vieles aushalten können. Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind jedoch klar definiert:
1. Wenn die Rechte anderer verletzt werden.
2. Wenn zu Gewalt aufgerufen wird.
3. Wenn die demokratische Ordnung bedroht wird, z. B. durch extremistische Propaganda, die darauf abzielt, die Grundwerte und Strukturen der Demokratie zu zerstören.
Noch wurde keiner dieser Punkte aus meiner Sicht vollständig erfüllt. Ein Beispiel für das Überschreiten dieser Grenzen war jedoch 2021, als Trump mit seiner Rede den Sturm auf das Kapitol billigend in Kauf nahm. Dennoch empfinde ich Musks Einmischung in den deutschen Wahlkampf als kritisch. Das Problem ist nicht, dass Menschen andere Parteien unterstützen, sondern das Gewicht von Musks Stimme. Als Besitzer der Plattform X hat er die Macht, Meinungen ungefiltert an eine riesige Menge Menschen zu verbreiten – ohne Faktenchecks oder wissenschaftliche Prüfung. Ob jemand beim Supermarkt um die Ecke eine andere rechte Gesinnung hat, ist mir nicht egal, aber ich muss das in unserer Demokratie aushalten.
Doch Musk ist ein ausländischer und damit ein nicht in unserer Gesellschaft lebender und von den Konsequenzen der Wahl im vollen Umfang betroffener Geschäftsmann, der eigene egoistische Ziele verfolgt. Er ist kein gewählter Politiker, der den Auftrag hat, einen Teil unserer Gesellschaft zu repräsentieren. Ich würde diesen Punkt mit dem wirtschaftlichen Vergleich einer Monopolstellung gleichsetzen. Es fällt mir keine andere Person ein, die die politischen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Mittel hat, um eine größere Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern so zu beeinflussen. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass die Europäische Kommission betont, dass soziale Medienplattformen während Wahlen neutral bleiben müssen. Sie überwacht daher die Aktivitäten von X genau, um sicherzustellen, dass keine politische Partei bevorzugt wird. Im Rahmen des Digital Services Act (DSA) untersucht die EU mögliche Verstöße von X, insbesondere in Bezug auf die Verbreitung illegaler Inhalte und Desinformationen. Bei Verstößen drohen erhebliche Geldstrafen, die bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens betragen können. Natürlich ist das ein drastischer Ansatz, aber vor allem während Wahlperioden auch zwingend notwendig. Vor allem wenn einer einzelnen Partei eine Plattform in Form eines Livestreams gegeben wird und andere Parteien vollkommen ausgeschlossen werden.
So komme ich zu meiner zweiten Frage: Warum mischt sich Musk überhaupt in den deutschen Wahlkampf ein? Eines ist nicht von der Hand zu weisen: Elon Musk hat sich über die Jahre radikalisiert. Wenn man seine Aussagen über die Jahre vergleicht, lässt sich erkennen, dass er ein rechtes Weltbild vertritt. Vor allem ungefilterte Fakten teilt er gerne zu schnell – oder gar nicht, ohne diese vorher gegenzuprüfen. Auch Argumentationen und Schlussfolgerungen scheinen nicht Musks Stärke zu sein, da er in seinem Beitrag bei der „Welt“ nämlich erläutert haben soll, dass Alice Weidel gar nicht rechtsextrem sein könne, da sie eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hätte und für eine offene Gesellschaft stehe. Den genauen Wortlaut kann ich leider nicht wiedergeben, da ich mir garantiert kein „Welt Plus“-Abo hole, um den Beitrag im Original zu lesen, aber verschiedene sekundäre Quellen bestätigen diese Aussage von Musk. Daran sieht man erneut, wie gefährlich Musks Meinungsmache ist. Ich würde ihm nicht einmal unterstellen, dass er wirklich weiß, was diese Frau alles schon von sich gegeben hat – und dass er einfach wieder seine gefährliche Meinung mit einem Strohmann-Argument versucht zu begründen. Ich glaube, er weiß es einfach nicht besser. Oder es ist ganz einfach kalt berechnend von ihm, da er das Weltbild von Weidel teilt. Ich habe mir 30 Sekunden Zeit genommen und nur kurz bei ChatGPT gefragt, welche kontroversen und rechten Aussagen Alice Weidel bisher davor getätigt hat. Im Gegensatz zu Musk wurden im Anschluss danach die Quellen durch mich überprüft und eingeordnet:
1. „Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und Taugenichtse“
Einordnung: In einer Rede im Bundestag pauschalisiert Weidel alle Migrant:innen mit dieser abwertenden Sprache. Zudem behauptet sie auch noch in der Rede, dass diese den Wohlstand in Deutschland nicht sicher würden. Diese Rede stammt aus dem Jahr 2018 und es lässt sich schon dort die Strategie einer Normalisierierung von rechter Sprache in der deutschen Gesellschaft erkennen. Denn je öfter und extremer solche extremen Aussagen getätigt werden, desto normaler wirken solche Aussagen und schockieren einfach nicht mehr im selben Ausmaße. Nett zu wissen ist, dass Musk selber in Südafrika geboren wurde und somit auch Migrant in den USA ist.
2. Rassistische E-Mail von 2013 (angeblich von Weidel)
Einordnung: Weidel bestreitet die Echtheit dieser Mail, obwohl mehrere Medien ihre Authentizität bestätigten. In der E-Mail sollen Regierungsmitglieder als „Marionetten der Siegermächte des 2. Weltkriegs“ bezeichnet worden sein, welche Deutschland durch „Überfremdung“ zerstören wollen. Zudem wird in der Mail von der Notwendigkeit, das deutsche Volk vor diesem „Schaden“ zu bewahren gesprochen. Eine weitere Einordnung dieser äußerst fragwürdigen Aussagen bedarf meiner Meinung nach nicht.
3. Ablehnung von Geflüchteten
Einordnung: Das Alice Weidel und die AfD ein Problem mit der Migrationspolitik haben ist kein Geheimnis, deshalb habe ich beispielshalber eine Bundestagsrede aus dem Jahr 2018 rausgesucht. Weidel forderte wiederholt, Grenzen zu schließen und illegale Migrant:innen „ausnahmslos zurückzuweisen“. Sie sprach davon, dass Migration in die Sozialsysteme „unerträglich“ sei und betonte, dass unqualifizierte Migrant:innen „keinen Platz“ in Deutschland hätten. Vom demografischen Wandel in Deutschland scheint Weidel anscheinend bis dato nichts gehört zu haben.
4. Angriff auf politische Korrektheit
Einordnung: „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“ Dieses Zitat stammt aus einer Rede beim AfD-Parteitag im April 2017 in Köln. Hier lässt sich erneut die alt bekannte Strategie erkennen, die Sensibilität für eine respektvolle Sprache zu unterwandern um rechte Narrative gesellschaftstauglich zu machen. Mit dieser Aussage ist Weidel bei Musk sicherlich in bester Gesellschaft, da dieser auf seiner Social-Media Plattform unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit jeglicher rechter Hassrede eine Bühne gibt.
5. Relativierung des Kriegsendes
Einordnung: Im Sommerinterview der ARD bezeichnete Weidel das Ende des Zweiten Weltkriegs als „Niederlage Deutschlands“. Da ihr öffentlich so eine Aussage über die Lippen kommt, wenn über das Ende des Zweiten Weltkrieges gesprochen wird, lässt dieses tief in ihre eigentliche Gesinnung blicken. Für diese Zeit spricht man nicht von Deutschland, sondern Nazi-Deutschland. Die Befreiung vom Nationalsozialismus wurde somit durch Weidel in ein negatives Licht gerückt, bzw. als nicht erwähnenswert erachtet, sondern eher als Niederlage gewertet. Da Elon Musk sich mit einer Person welche so einer Aussage getätigt hat verbrüdern möchte, spricht das auch über ihn Bände. Mir fällt keine Argumentation ein wie Musk, wenn er auf diese Aussage angesprochen werden sollte, diese logisch relativieren könne.
Diese Recherche hat nicht unendlich viel Zeit in Anspruch genommen. Musk hatte diese anscheinend nicht – oder blendet dies vielleicht gekonnt aus. Besonders interessant in Bezug auf Musks Aussage ist die widersprüchliche Position der AfD in Bezug auf LGBTQ+-Rechte und der persönlichen Beziehung ihrer Spitzenkandidatin. Gott sei Dank lebt Weidel offiziell mit ihrer Partnerin in der Schweiz – dort ist sie vor der „weltoffenen“ Politik von Weidel erst einmal sicher. Und dass sie in der Schweiz ihren Wohnsitz hat, liegt sicherlich auch nicht nur an den steuerlichen Vorteilen dort. Interessanter Side Fact: Weidel und ihre Partnerin haben zwei Kinder. Ob Weidel noch nicht gesehen hat, dass im Grundsatzprogramm ihrer Partei steht, dass Kinder „idealerweise bei einem Vater und einer Mutter“ aufwachsen sollten? Doch so viel zu Weidel – das ist sicherlich genug Stoff für einen eigenen Beitrag.
Der zweite Punkt, warum Musk die AfD an der Macht sehen will, sind sicherlich wirtschaftliche Interessen. Davon abgesehen, dass Musk im Falle eines AfD-Sieges einige Privilegien erhalten könnte, da er sich als Königsmacher darstellen kann, würde er der US-Wirtschaft einen großen Gefallen tun, wenn die AfD die Mittel hat ihre wirtschaftlichen Ziele zu verwirklichen. Kurz und knapp: Die AfD will die D-Mark wieder einführen. Dies würde zu einer Aufwertung der Währung führen. Wenn jemand ein deutsches Produkt mit dem US-Dollar kaufen würde, wäre dieses viel teurer als zuvor, da hier die Preise massiv ansteigen würden – und somit auch die Herstellungskosten. So würde die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen stark darunter leiden und sie könnten in die USA abwandern. Zudem wäre der Import amerikanischer Produkte günstiger als die eigene Produktion. Vor allem die Tesla-Konkurrenz die deutschen Autobauer:innen, wären gezwungen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, und Tesla-Autos wären somit natürlich günstiger.
Doch was bedeutet das jetzt? Lässt sich schon der Einfluss von Musks Unterstützung erkennen? Tatsächlich: Laut einer Umfrage von INSA stimmen 29 Prozent der Stimmberechtigten mit Wahlabsicht der Aussage von Musk zu: „Die Alternative für Deutschland ist die letzte Hoffnung für dieses Land.“ Jedoch steht die AfD aktuell bei 20 Prozent. Somit gibt es eine potenzielle Differenz von 9 Prozent. Diese 9 Prozent stimmen aktuell noch für eine andere demokratische Partei, stammt aus der Nichtwähler:innenschaft oder wählt zum ersten Mal. Jedoch sind diese aufgrund des Engagements von Musk geistig vielleicht schon woanders.
Letztendlich lässt sich festhalten, dass die Einmischung des Tech-Milliardärs Elon Musk eine beunruhigende Entwicklung für den deutschen Wahlkampf ist. Der AfD wird ein unfairer Wettbewerbsvorteil geboten und Fakten sowie Aussagen werden kaum oder gar nicht hinterfragt oder überprüft. Allen von uns ist der turbulente und emotionale Wahlkampf in den USA noch in Erinnerung. Mit Musk ist ein Haupttreiber dieses vergangenen Wahlkampfes in den deutschen Wahlkampf eingestiegen. Die große Angst besteht, dass der deutsche Wahlkampf sich dem der USA immer stärker annähert und Stimmen mehr durch Angst und Hetze anstatt durch Fakten und gute demokratische Arbeit gewonnen werden. Es steht außer Frage, dass mit Musk eine kontroverse semi-Privatperson die Kontrolle über die riesige Plattform X besitzt. Jedoch ist jetzt schon abzuzeichnen, dass Musk einen gefährlichen Trend gesetzt hat. Denn Mark Zuckerberg, CEO von Meta, hat angekündigt, das bisherige Faktenprüfungsprogramm des Unternehmens in den USA zu beenden. Stattdessen plant Meta, ein System namens „Community Notes“ einzuführen, bei dem Nutzer selbst Anmerkungen und Kontext zu Beiträgen hinzufügen können, ähnlich dem Ansatz von X. Wo das alles noch hinführen wird, wird die Zukunft zeigen. Aus Sicht einer auf Wissenschaft und Fakten basierten freien Demokratie ist diese Entwicklung auf keinen Fall ein gutes Zeichen.