vom Netzwerk für Demokratie und Courage . Aus dem aktuellen Heft.
Politisches Engagement neben der Uni im „Netzwerk für Demokratie und Courage“
Was tun, wenn am Kaffeetisch abfällige Kommentare über Geflüchtete fallen oder der Mitbewohner dem Telegram-Kanal von Attila Hildmann folgt? Gerade bei nahestehenden Menschen fällt es uns oft schwer, richtig zu reagieren. Das Gefühl, dass es so politisch nicht weitergehen kann in Deutschland, kann man auch als Antrieb nutzen.
Den Rechtsruck im eigenen Umfeld zu erleben hat Paul motiviert, sich neben dem Studium für ein solidarisches Miteinander einzusetzen. Er engagiert sich im Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) und fährt in diesem Rahmen zu Schulklassen in ganz MV, um Schüler*innen zu ermutigen, sich gegen Hetze und Diskriminierung zu positionieren. Wir haben ihn getroffen.
heuler: Paul, du stellst dich vor Schulklassen und greifst mit den Schüler*innen aktuelle politische Themen im Rahmen von Anti-Diskriminierungsarbeit auf- nicht gerade ein seichtes Thema. Bekommst du da viel Gegenwind?
Paul: Eigentlich hält sich das in Grenzen. Meistens erlebe ich die Teilnehmenden interessiert und aufgeschlossen, sich mit den Themen auseinanderzusetzen und mit uns zu diskutieren. Dadurch, dass wir keine Lehrer*innen sind, werden wir anders wahrgenommen und kriegen ehrlichere Antworten. Natürlich gibt es auch Jugendliche, die gegenhalten wollen. Aber das ist oft eher Gepose als eine klare Haltung.
heuler: Und wie sieht das aus, wie läuft das ab?
Paul: Wir versuchen zu motivieren, dass die Jugendlichen sich einmischen. Dass sie sich diskriminierendem Verhalten entgegenstellen. Wir spielen das in den Projekttagen auch mit den Schüler*innen durch und versuchen Handlungsoptionen für sie aufzuzeigen. Also zum Beispiel, sich auf die Seite der betroffenen Person zu stellen und ihr zu zeigen, dass sie nicht allein ist. Das kann schon viel bewirken. Nicht wegschauen, sondern Haltung zeigen!
heuler: Und was hat dich motiviert beim NDC einzusteigen?
Paul: Ich habe irgendwo einen Flyer gesehen und fand das ganz spannend. Als die AFD sich mehr und mehr etablierte, musste ich mich teilweise unter Freunden oder in der Familie Kommentare anhören, die mich ganz schön geschockt haben. Ich will das jetzt gar nicht wiedergeben, aber ich weiß noch, wie ich irgendwie total gelähmt war, weil ich den Menschen so nah stehe und das halt auch nicht von denen dachte.
Auf dem Flyer stand auch was von Argumentieren und dem Auseinandersetzen mit politischen Themen und ich fand es auch irgendwie cool, mit Jugendlichen zu arbeiten, weil Politik bei mir in der Schule recht eintönig war und ich dachte, vielleicht kann man da auch eine Vorbildfunktion einnehmen.
Klar hatte ich auch Bammel, vor pubertierenden Jugendlichen irgendwelche Vorträge zu halten, aber das lernt man beim NDC. Wir haben uns vertieft mit Diskriminierung, Sexismus, Anti-Rassismus und so weiter beschäftigt und gelernt, wie man solche Themen auf Augenhöhe behandelt. Ich habe gelernt, in Diskussionen gegenhalten zu können, ausprobiert, wie man die Themen gut vorstellen kann und auch gemerkt, dass ich mit dem „Weltschmerz“ oder der politischen Sorge definitiv nicht allein bin.
Jetzt merke ich auf jeden Fall auch, wie mir Vorträge in der Uni leichter fallen – auch ganz praktisch.
heuler: Ist das Angebot nur für Studierende?
Paul: Nee, man trifft auf alle möglichen Menschen. Viele studieren natürlich zum Beispiel Lehramt, aber auch ganz andere Fächer. Dann gibt‘s welche, die neben ihrer Arbeit aktiv sind. In meiner Teamschulung gab es auch eine Person, die selbst noch in der Schule war. Aber die Projekttage kann man schon gut neben dem Studium machen.
heuler: Wie sieht so ein Projekttag an einer Schule aus?
Paul: Vor dem Einsatz stimmen wir uns im Zweier-Team ab und teilen auf, wer was übernimmt- man ist ja nicht die ganze Zeit am Reden oder Erklären. Am Tag selbst geht es morgens in die Schule. Die Projekttage sind sechs Schulstunden lang und über verschiedenen Methoden und Materialien kommen wir mit der Klasse ins Gespräch und bearbeiten verschiedene Aspekte.
heuler: Welche Momente schätzt du besonders an einem Projekttag?
Paul: Immer wieder gibt es so Momente, wo ich merke, da passiert was, die merken, dass sie das auch betrifft. Schön ist auch, wenn man Vertrauen aufbauen kann und sich Einzelne öffnen und eigene Erfahrungen berichten. Das ist großartig, das Gefühl mal reinzupieksen in die Gedankenwelt, neue Impulse zu geben. Das ist schon echt cool.
Manchmal machen uns die Schüler*innen Frühstück, das ist auch nett. Oder wir kommen nach dem Tag mit Einzelnen ins Gespräch, die irgendwas nochmal nachfragen wollen. Zum Beispiel eine lesbische Schülerin, die Kontakt zu einer queeren Jugendorganisation gesucht hat und wissen wollte, ob wir ihr was empfehlen können. Oder die Schulsozialarbeiter*innen erzählen, dass sie Lust haben, mehr mit dem NDC zu arbeiten. Dann merkt man, dass die Schulen das nicht nur Alibi-mäßig machen, sondern die Themen auch wichtig finden.
heuler: Was motiviert dich, immer wieder super früh aufzustehen, um mit Kindern und Jugendlichen einen Projekttag durchzuführen?
Paul: In meiner Schulzeit haben Besuche von schulexternen Leuten, die mit uns ein alternatives Programm gemacht haben, immer ziemlich Bock gemacht. Bei so politischen Herzensthemen ist es, selbst wenn 3 von 20 aus der Klasse umdenken oder was mitnehmen schon voll der Erfolg. Ich finde es einfach wichtig, auch Themen wie Diskriminierung und Solidarität in die Schule zu bringen und die Erfahrung zeigt, dass diese Themen immer noch flächendeckend viel zu kurz ankommen.
Und es gibt auch eine Aufwandsentschädigung dafür.
heuler: Was würdest du sagen, wären Gründe, sich das NDC mal anzuschauen? Für wen ist das was?
Abgesehen von den Projekttagen gibt es zum Beispiel immer wieder politische Seminare wie Argumentationstrainings, Seminare zu Antirassismus oder Vorträge zu aktuelleren Themen, das find ich sehr spannend. Ansonsten mag ich die Perspektiven, die ich durch die Arbeit mit Jugendlichen kriege, da lernt man schon auch voneinander. Und durch die Projekttage bin ich immer wieder in neue Gegenden in MV unterwegs.
heuler: Ok, handfest- bringt das was für den Lebenslauf?
Paul: Für das Studium gibt‘s natürlich neue Perspektiven; ich habe viel über Feedback und Kommunikation gelernt, das ist schon auch sehr praktisch. Man lernt Vorträge halten, komplexe Sachen greifbar zu erklären, argumentieren und moderieren. Die „Soft Skills“ kann man sich natürlich in den Lebenslauf schreiben, genauso wie die Ausbildung, aber ich glaube, sich nur dafür beim NDC zu engagieren, lohnt nicht. Man sollte schon auch Lust darauf haben, Antidiskriminierung und Demokratie oder eben zusammenhängende politische Themen in der Freizeit zu verhandeln. Dann kann man bei uns auf jeden Fall viel mitnehmen.
Ein Nachweis für das Engagement gibt‘s natürlich auch.
Arbeitsweise NDC
Das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) ist ein bundesweites Netzwerk, das von jungen Menschen getragen wird, die sich für einfaires Miteinander und gegen Diskriminierung engagieren. Das Hauptaufgabenfeld des NDC ist die Ausbildung von jungen Menschen als Multiplikator*innen und die Durchführung von Projekttagen, Seminaren und Fortbildungen an Schulen.
Zusätzlich wird aktuell in dem Projekt „MutiG – Miteinander und tolerant in Grundschule“ ein demokratiepädagogisches Angebot für MV entwickelt. Denn Kinder haben bereits sehr früh ein Gespür für Gruppenzugehörigkeit, zum Beispiel aufgrund äußerer Merkmale, Religionszugehörigkeit oder Herkunft und damit verbundene Privilegien oder Benachteiligungen. Werden diese Zuschreibungen nicht thematisiert, werden sie reproduziert und können zu diskriminierenden Handlungen führen. Dennoch gibt es in MV noch kein flächendeckendes Angebot für Grundschul-Kinder. Das wird sich nun ändern.
Kontakt
mec-vopo@netzwerk-courage.de
0381 12 85 310
Auch das Grundschulprojekt MutiG sucht noch Teammitglieder:
mutig@netzwerk-courage.de
0381 12 85 312
Nähere Informationen gibt’s auf der Website www.netzwerk-courage.de
oder bei instagram: @ndc_mv