Von Sandeep Preinfalk // Illustration von Luca Butt
Die CDU Rostock zeigte vor Kurzem den Landtagsabgeordneten der Linken, Michael Noetzel, dafür an, dass er ihr eine zunehmende Nähe zur AfD unterstellte. Dieser Artikel will dieser Behauptung auf den Grund gehen.
Nicht nur die CDU in MV, sondern auch der Bundesverband musste sich in Vergangenheit des Öfteren den Vorwurf gefallen lassen, in Krisen- und Wahlkampfzeiten heikle Themen wie die Asylpolitik populistisch aufzuheizen und damit näher an die AfD zu rücken. Allerdings behauptete niemand eine ernsthafte Nähe zur AfD oder nahm an, dass die AfD und CDU auf politischer Ebene zusammenarbeiten würden.
Dies änderte sich allerdings im letzten Jahr. So weckte wohl das Geheimtreffen zwischen AfD-Politikern und zwei CDU-Mitgliedern in Potsdam erste Zweifel an der Distanz zwischen beiden Parteien. Problematische Aussagen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, wie die Behauptung, Asylbewerber:innen würden bei Zahnarztterminen bevorzugt werden, verschärften diesen Verdacht. Zudem ähnelten Forderungen der CDU wie die Zurückweisung arbeitsunwilliger ukrainischer Kriegsflüchtlinge oder die Infragestellung ihres Bürgergeldanspruches verstärkt der politischen Agenda der AfD.
Doch vor allem seit der Landtagswahl in Thüringen ist die Diskussion entbrannt, inwieweit die Brandmauer zwischen AfD und CDU noch Bestand hat. Die CDU weist Vorwürfe diesbezüglich entschieden zurück und schließt laut eigenen Aussagen jede Zusammenarbeit mit der AfD aus, da sie einen „Verrat“ an ihren christlichen Werten bedeuten würde. Jedoch hielt das die Partei nicht davon ab, in mehreren Fällen mit der AfD zu kooperieren. So hat die CDU mit Hilfe der Stimmen von FDP und AfD in Thüringen die Grundwerbesteuer von 6,5 auf 5 Prozent gesenkt. Zudem scheint ein Tauschhandel zwischen CDU und AfD auf der ersten regulären Landtagssitzung in Thüringen geplant worden zu sein, der vorsah, die AfD für ihre Stimmen bei der Wahl der Richter:innen und Staatsanwält:innen mit Posten wie dem des stellvertretenen Verfassungsrichters zu belohnen. Darauf wies unter anderem der Verzicht der CDU auf die Nominierung eines eigenen Kandidaten für den Verfassungsgerichtshof hin. Dieses Vorhaben konnte lediglich durch den Widerstand der SPD verhindert werden. Darüber hinaus ist ein Zusammenwirken beider Parteien auf EU-Ebene zu beobachten. Denn durch die Unterstützung der CDU und CSU hat ein Änderungsantrag der AfD zu den politischen Leitlinien für den europäischen Haushalt eine Mehrheit bekommen. Der Antrag fordert eine stärkere Finanzierung physischer Barrieren an den Außengrenzen der EU und gliedert sich somit in die Migrationspolitik der AfD ein.
Um herauszufinden, welches Ausmaß die wachsende Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD noch annehmen könnte, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsordnung thematische Schnittpunkte zwischen beiden Parteien herauszukristallisieren versucht, indem es die Antworten der CDU und AfD im Wahl-O-Mat verglich. Dabei habe es festgestellt, dass es eindeutige thematische Überschneidungen (beispielsweise beim Klima) zwischen beiden Parteien gebe. Zugleich sei ihr Abstand zur SPD, der Linken und den Grünen am größten. Folglich wird ein noch stärkeres Zusammenspiel von CDU und AfD in Zukunft befürchtet.
Angesichts dieser Bilanz kann es sich kaum um Verleumdung oder üble Nachrede handeln, der CDU einen Rechtsruck beziehungsweise ein Annähern an die AfD vorzuwerfen. Wenngleich diese Entwicklung nur vorübergehend oder aus wahltaktischen Gründen geschehen mag, lässt sie sich nicht abstreiten. Demzufolge ist die Anzeige der CDU Rostock höchst fragwürdig, zumal die Partei wiederholt die Bedeutung der Meinungsfreiheit betont hat. Unzulässig wäre es lediglich, sie mit Rechtsextremist:innen oder Faschist:innen gleichzusetzen, was Noetzel jedoch nicht tat. Anstatt politische Gegner mundtot zu machen, sollte sich die CDU lieber darauf konzentrieren, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen und die Missstände unseres Landes zu beheben. Dem läuft allerdings eine Zusammenarbeit mit der AfD zuwider, da sie den Weg zu den anderen demokratischen Parteien und damit den eines Kompromisses versperrt.
Quellen:
Laura Czypull (watson): Nach Geheimtreffen von AfD und CDU: Wie nah sind sich die Parteien wirklich? URL: https://politik.watson.de/politik/analyse/887086679-afd-und-cdu-wie-nah-sich-die-parteien-wirklich-sind
Christoph Gschoßmann (Frankfurter Rundschau): CDU und AfD – inhaltlich näher als gedacht und in Thüringen bald wieder auf derselben Seite? URL: https://www.fr.de/politik/klingbeil-cdu-afd-thueringen-abstimmung-friedrich-merz-wahl-o-mat-lars-zr-92537846.html
Lara Wiedeking (zdf heute): Flirtet die Union auf EU-Ebene mit rechts? URL: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/afd-antrag-eu-union-rechts-100.html
tagesschau: CSU will arbeitslose Ukrainer zurückschicken. URL: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/dobrindt-ukraine-fluechtlinge-100.html
Andreas Kehrer (mdr): SPD verhindert Tauschhandel zwischen CDU und AfD im Thüringer Landtag – vorerst. URL: https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/afd-cdu-landtag-richter-wahlausschuss-100.html
tagesschau: Warum sich Merz‘ Aussage nicht halten lässt. URL: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/merz-asylbewerber-zahnarzt-100.html
CDU: Unsere Haltung zu Linkspartei und AfD. URL: https://archiv.cdu.de/abgrenzung_afd_linke