Von der Rolle

(… der Klorolle in Zeiten von Corona im Allgemeinen und Speziellen)

von Steffen Dürre.

 

Der Mensch ist ein beneidenswertes Wesen. Mit seinem Vermögen, sich in dieser unbehaglichen, gefahrenvollen Welt einzurichten und sich selbst mit Hochkultur zu bespaßen, hat er sich zur Krone der Schöpfung gemausert. Man bedenke nur: gerade eben noch – vor über drei Millionen Jahren – vom Baum hinunter auf den Boden der Tatsachen umgesiedelt, Höhlen bewohnt, Äcker bestellt, Tiere domestiziert, in selbstgebaute Häuser umgezogen, Dinge erfunden, das Fliegen gelernt, auf dem Mond gelandet und so weiter und so fort. Das Wichtigste aber scheint, dass er sich gewissen Krisen wie Kriege, Krankheiten und Hungersnöte gegenüber als sehr zäh und resistent erwies.

In diesen Tagen zeigt sich an ihm jedoch ein Verhalten, das ihn, vielleicht vom Mond aus betrachtet, im Lichte einer gewissen Lächerlichkeit erscheinen lässt. Angesichts eines grassierenden Virus kauft er sich nicht etwa wie die Franzosen Wein und Kondome, um die Zeit mit einer gewissen debilen Leichtigkeit zu überstehen, so wie in den Niederlanden Hasch gehortet wird. (Ich danke an dieser Stelle der Erhebung des Katapult-Magazins.) In den USA zeigt sich ein reger Hamsterkauf von Waffen, der wenigstens in der irrationalen Logik begründet liegt, dass hier eine Epidemie mit einer Zombieapokalypse verwechselt wird.

Nein, der Deutsche, und nun fährt mir wiederum alle zur Verfügung stehende Fremdscham zu Kopf, hamstert, ich möchte es kaum aussprechen (und bitte um stilles oder höchstens flüsterndes Lesen): Klo-pa-pier. Nicht eine Rolle, nicht ein Achterpack, nein, es müssen palettenweise Rollen beschafft, gehortet und vorgehalten werden. Da ja nun alle genannten Nationen die erwartbaren Muster und Verhaltensstereotypien erfüllen, stellt sich die Frage, was einen Deutschen dazu treibt, ausgerechnet diesen Hygieneartikel in Chargen zu kaufen, deren Größenordnung eine gesamte Dorfgemeinschaft über ein Jahr zu versorgen vermöchte. Dabei haben die Deutschen doch Dinge hervorgebracht, von denen sie fürchten müssten, dass der weltweite Bedarf und der panische Hortungstrieb sie dazu zwänge, die Bestände selbst zu kaufen: Schnitzel, Fußballtrikots, Socken und Sandaletten (natürlich nur im Gebinde), Bier oder Zündkerzen-, Zahnpasta- und Aspirinvorräte. Das wäre humorvoll. Oder hätte wenigstens Charme. Aber mit beidem sind die Krauts offensichtlich nicht gesegnet. Der Humor hierzulande ist ohnehin als furztrocken verschrien.

Wir haben Goethe, wir haben Einstein, wir haben das Penicillin. Aber wir kaufen in einer unverständlichen Übersprunghandlung Klopapier, als sei es das Letzte, das wir bräuchten, um einem Weltuntergang, der keiner ist, in „Würde“ entgegenzublicken: Nicht im lustvollen Genuss aller biblischen Sünden, die uns den Weg in die Hölle zwar nicht ersparen, aber angesichts einer Endzeithypothese fröhlichen (Vorsicht, Kalauer:) Abgang verschaffen würden, sondern lobotomös-zufrieden bis an die Zimmerdecke reichende chlorgebleichte Papierzylinder betrachtend. Das ist doch alles für den Arsch!

Und das wird es dann sein, das Bild, das er hinterlässt, wenn der bedrohliche Komet direkt auf die Erde zurast und der Rest der Welt ihn noch mit Feuerwerken empfängt: Da verharrt der Deutsche in puritanischer Hockstellung auf einer Kloschüssel, umringt von fein säuberlich aufgetürmten, Papierpyramiden. Epochal.

Das wünsche ich mir als Ölgemälde im Stil von Delacroix!

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