von Jolissa Rusin.
Autorin Jolissa Rusin kam mit dem aus Rostock stammenden DJ Nobodys Face nicht nur über dessen neues Album Chemical Animals ins Gespräch. Was einen Gelbschnabelsturmtaucher, einen Splatter, Benzol und ein Bootshaus miteinander verbindet, erfahrt ihr im folgenden Interview.
„Wie bist du auf deinen Künstlernamen gekommen?“
„Nach dem ersten Album Halloziehnation oder nach dem zweiten Album Zu Zweit Allein saßen wir in der Gemeinschaft zusammen und sprachen über das A Team.
Jemand aus unserer Truppe meinte, dass ich ein bisschen wie Face aus dem A Team aussehe. Ich persönlich feierte Bud Spencer und Terence Hill ab und den Film Mein Name ist Nobody. Meinen Künstlernamen habe ich dann irgendwann aus diesen beiden Namen zusammengesetzt.“
„Warum hast du mit Musik angefangen?“
„Mit 13 oder 14 habe ich zum ersten Mal Wu-Tang gehört. Dann habe ich mit meinem Kumpel GabreaL gefreestylt, der auch aus Rostock kommt, ein wenig älter ist und einen DJ gesucht hat. Dann habe ich mich mehr dafür interessiert und mit 19 angefangen zu produzieren.“
„Aus welchem Rostocker Stadtteil kommst du?“
„Bis ich vierzehn war, lebte ich in Dierkow, bin aber in der Stadt geboren. Später zog ich in den Patriotischen Weg.“
„Auf deinem neuen Album sind auch Marteria, MAJAN, Chefket, Enda Gallery (BENDMA Pete Boateng Wanja Janeva Sway Clarke 7apes) vertreten. Wie verlief die Aufnahmesession und wie lange hast du an dem Album insgesamt gearbeitet?“
„Eigentlich sollte das Album schon früher fertig werden. Auf Tour kann ich nicht arbeiten. Alles zögerte sich aus diesem Grund heraus. Teilweise sind Songs schon vor zwei Jahren entstanden. Die Zusammenarbeit mit den meisten Künstlern ging sehr schnell. Beispielsweise lebt Chefket nicht weit von mir entfernt. Marten und ich kennen uns schon ewig. Bei Chefket gab es schon den Beat und das Sample Chemicals. Er hatte sofort eine Idee. Innerhalb von zwei Stunden wurde der Song aufgenommen. Natürlich ging er noch in die Nachbearbeitung, doch der Grundstei des Songs wurde schnell gelegt, ebenso wie beim Track Treiben. Die spontane Idee beim Song Treiben wurde innerhalb einer dreistündigen Session aufgenommen.
„Gibt es einen Song von deinem neuen Album, der dir ganz besonders am Herzen liegt oder zu dem du eine ganz spezielle Beziehung hast?“
„Pour Bonifacio ist mein absoluter Lieblingssong. Der ist irgendwo in Frankreich entstanden und für mich sind in diesem Song die schönsten Harmonien vereint, die ich jemals in meinem Leben produziert habe.“
„Mit Enda Gallery zusammen hast du den Song Pacific produziert und ein Musikvideo gemacht. Wie entstand die Idee dahinter?“
„Chris Schwarz, der mir im Videobereich etwas voraus ist, habe ich ein wenig freie Hand gelassen. Erst kam er mit einer Idee, die ich nicht gut fand, doch dann hat er sich nochmal hingesetzt. Die zweite Idee fand ich richtig geil, die wurde dann mit dem Video verwirklicht.“
„Zu welchen weiteren Songs sind Musikvideos geplant und wie werden sie umgesetzt?“
„Ja, ich habe gerade gestern das Musikvideo zu Chemicals gedreht, welches auch mithilfe von Chris Schwarz produziert wurde. Das Video ist sehr blutig, ein richtiger Splatter. Ihr könnt gespannt sein. Auf dem Weg zum Videodreh hatte ich passender Weise einen kleinen Fahrradunfall.“
„Du hast schon einen Track mit Chefket gemacht: Fliegen & Fallen. Wie ist es zu dieser Kooperation gekommen?“
„Ich kannte Chefket schon ein bisschen, weil er bei uns als Vorgruppe auf Tour war. Irgendwann waren wir zusammen im Studio – vor sieben oder acht Jahren – und so begann unsere musikalische Freundschaft.“
„Viele Rostocker Studierende möchten gern wissen, wie Marten und du euch kennengelernt habt. Gibt es eine lustige Anekdote zu eurer Zusammenarbeit oder Freundschaft?“
„Lieber nicht! Bei unseren gemeinsamen Auftritten sind so viele Sachen passiert, die darf ich nicht so erzählen. Kennengelernt haben wir uns im Alter von sechs Jahren während des Fußballspielens beim FC Hansa Rostock. Bei einem Gig trat ein Feuerspucker vor uns auf. Marten nahm den zurückgelassenen Eimer, in dem sich statt Wasser allerdings Benzol befand. Er schüttete sich beim Ausrasten auf der Bühne den Eimer über den Kopf. Marten konnte ab diesem Zeitpunkt während des restlichen Auftrittes nichts mehr sehen und hören.“
„Angelst du auch so gern wie Marten?“
„Im Alter von sechs Jahren habe ich mit dem Angeln angefangen.“
„Mit welchen Künstlern würdest du gern einmal zusammenarbeiten?“
„Viele, viele, viele. Kaytranada – sehr geil. Ich finde es alles, so wie es gerade ist, geil. Kooperationen entstehen oder sie entstehen nicht. Es gibt natürlich Künstler, die ich mega gut finde, aber es gibt auch acht Milliarden andere, die ich scheiße finde.“
„Welche Rolle nimmst du deiner Meinung nach in der Green-Berlin-Familie ein?“
„Welchen Teil? Ich bin der Produzent.“
„Und menschlich gesehen?“
„Oh, muss ich mich jetzt selbst analysieren? Ich glaube, in den Momenten, in denen es wild ist oder stressig zur Sache geht, strahle ich eine gewisse Ruhe aus. Bei mir dauert es schon etwas länger, bis man mich aus dem Konzept bringt.“
„Sind dir deine Soloprojekte oder ist dir deine Arbeit als Produzent wichtiger?“
„Fiese Frage. Egal, woran ich arbeite, jedes meiner Projekte ist mir wichtig, egal, ob das für mich als Solokünstler oder für jemand anderen ist.“
„Welche Tipps würdest du anderen DJs mit auf den Weg geben – Vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen?“
„Glaubt an euch! Gebt immer 150 Prozent! Natürlich gibt es Menschen, die in ihrem Leben viel Glück haben, doch das betrifft die wenigsten. Vocals schneiden, mit Leuten connecten, telefonieren ist mit viel Arbeit verbunden. Ihr dürft niemals aufgeben. Einfach immer weitermachen! Wenn ihr jetzt anfangen wollt, aufzulegen, könnt ihr euch die Basics zeigen lassen, doch dann geht es um euch und euren Musikstil. Dabei kann euch niemand helfen und daneben stehen und ich glaube, darauf habt ihr auch keinen Bock. Immer mal wieder gibt es junge Stars, die geleitet werden, doch, wenn ihr von unten kommt, müsst ihr immer am Ball bleiben.“
„Wie oft spielst du live? Wo wirst du als nächstes spielen?“
„Meine letzte Tour hatte ich 2016 anlässlich meines letzten Albums. Ungefähr zwei bis vier Mal im Monat trete ich live auf, was schon okay ist, da ich viel produziere. Neue Gigs sind erst für 2021 wieder geplant.“
„Nenne mir bitte deinen persönlichen Lieblingsgig!“
„Ja, auf jeden Fall das Marsimoto Sound System in Saarbrücken. Dort konnten die ca. 10.000 Menschen umsonst die Show erleben. Besonders geil waren auch Marteria/ Marsimoto, Rock am Ring und natürlich unser Gig im Ostseestadion, in dem eine ganz atemberaubende Stimmung herrschte.“
„Welche Gigs sind wegen der Pandemie ausgefallen?“
„Nicht so viele, da Marteria gerade pausiert. Ich hätte sonst nur aufgelegt.“
„Welches ist deiner Meinung nach das beste Festival in Deutschland, bei dem du noch gern dabei wärst?“
„In Deutschland gibt es keines. Ich würde gern bei einem Festival in Mexiko auflegen.“
„Hast du überlegt, ein Live Konzert auf deinen Social-Media-Kanälen zu spielen?“
„Überlegt schon, aber nicht gemacht. Es war für mich nicht interessant. Mir ist ein Gig im Club lieber, denn es ist ein ganz anderes Gefühl. Per Livestream aufzulegen ersetzt dieses Gefühl einfach nicht.“
„Welche Orte in Rostock haben musikalisch gesehen eine besondere Bedeutung für euch?“
„In Rostock eher weniger. Doch in Bad Kleinen am Schweriner See gibt es Orte, die mich musikalisch viel beeinflussten, weil ich dort aufgewachsen bin. Mein Großvater kaufte ein Bootshaus in den 70er Jahren. In diesem Bootshaus, zu dem ich auch heute immer noch mit Freude zurückkehre, verbrachte ich meine Jugend.“
„Seit wann kannst du von deiner Musik leben?“
„Nach zehn Jahren im Business, im Alter von etwa 27 oder 28 Jahren, konnte ich langsam von meiner Arbeit als Produzent und DJ leben. Mir ist bewusst, dass es ein harter und steiniger Weg bis dahin war und der Erfolg auch schnell wieder vorbei sein kann, wenn ich nicht immer 150% gebe.“
„Was hast du vorher gemacht?“
Was hast du damals gelernt?“„Ich habe tatsächlich Abitur gemacht. Wie genau ich das geschafft habe, weiß ich auch nicht. 3,4 oder so war mein Schnitt. Nach meinem Abitur absolvierte ich meinen Zivildienst. Danach war ich an der SAE (School of Audio Engineering) in Hamburg.”
„Reist du gern? Wenn ja, wie beeinflussen dich deine Reisen musikalisch?“
„Auf jeden Fall! Als ich einen Urlaub auf La Palma gemacht habe, saß ich abends gegen neun Uhr auf der Toilette. Plötzlich hörte ich einen Vogel singen. Es handelte sich um einen Gelbschnabelsturmtaucher, der die Grundidee für mein neues Album war, welches Chemical Animals heißt. Später schickte mir ein Kumpel ein YouTube- Video von diesem Vogel. Dann machte ich daraus einen Track. Was ich daraus gelernt habe: Alles kann mich inspirieren – egal wann, egal wo.“
„Auf welche Musikrichtung habt ihr derzeit Bock?“
„Momentan arbeite ich an einer House-Platte, mit 7apes zusammen, die schon fast fertig ist. 7apes hat auch bei meinem aktuellen Album mitgewirkt.“
„Wie stellst du dir deine Zukunft vor und was möchtest du noch erreichen?“
„Ich würde gern Bootsbauer neben der Musik werden. Jeder will natürlich immer Erfolg haben. Musikalisch sitze ich gerade an der House-Platte. Ich versuche, einfach nur das zu machen, worauf ich Lust habe.“
„Ist jedes Album von dir einem Thema gewidmet?“
„In Chemical Animals beschreibe ich Tiere, deren Handlungen ich auch auf die Menschen übertrage. Ich mag Tiere mehr als Menschen, weil sie von ihren Instinkten geleitet sind und so reagieren, wie sie es fühlen. Der Mensch ist für mich eher ein Manipulator. Ich versuche, mir Menschen herauszusuchen, die sehr aus einem Vibe heraus etwas schreiben. Ich richte mich nicht nach dem, was gerade angesagt ist, sondern mache meine eigene Musik und lasse mich Treiben. Natürlich freue ich mich, wenn meine Songs erfolgreich werden, aber wenn nicht, bin ich trotzdem glücklich, denn ich bleibe mir treu. “