Interview geführt von: Vanessa Stöter // Fotos: Vanessa Stöter & casualin.cos
Was ist Cosplay und warum beinhaltet es mehr als „nur“ Verkleidungen? Im Netz, auf Messen und Conventions trifft man auf Menschen, die sich mit einer Inbrunst diesem Hobby verschreiben, dass es neugierig macht, irritiert, befremdet oder zum mitmachen einlädt. Was diese spezielle Fanpraxis so interessant macht, versuchen wir in diesem Interview mit drei Rostocker Cosplayern zu beleuchten. Auf Instagram findet ihr casualin.cos (they/she/he), nemo.deus (he/him) und _cosmo_cos (any pronouns) mit verschiedensten Fotos, Outfits und Videos. Was sie dazu bewegt, unentgeltlich derart viel Zeit, Liebe und Energie in ihr Hobby zu stecken, erfahrt ihr hier…
1. Was war euer erster Berührungspunkt mit Cosplay und was mögt ihr besonders daran?
casualin.cos: Ein Bild auf Pinterest von einem Cosplayer hat bei mir den Impuls gegeben. Ich mag es, dass es nicht nur ein Hobby ist, sondern viele Sachen vereint, wie Makeup, Schauspiel oder das Stylen von Perücken sowie teilweise auch Nähen oder Craften. Es ist so vielfältig!
nemo.deus: Ich war schon zu Schulzeiten an Cosplay interessiert. In erster Linie hat es mir geholfen, meine Queernes auszudrücken. Ich habe anfangs eigentlich nur männliche Cosplays gemacht. Man kann sich verstellen, eine andere Person sein. Man kann Emotionen ausleben in Form von Schauspiel. Das heißt man bekommt einen sicheren Ort um in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Und in jede Rolle gibt man etwas von sich selbst hinein. Das heißt, man arbeitet auch irgendwie mit und dadurch an der eigenen Identität.

2. Kennt ihr die AniMa HaRo (Convention in Rostock) und was bedeutet sie euch?
casualin.cos: Ja, ich war im November 2024 da und es war echt cool! Ich finde es schön, dass es auch hier in Rostock eine Con gibt und es war toll so viele Cosplayer zu sehen um zu erkennen, dass auch hier in der Stadt andere mit denselben Interessen sind.
_cosmo_cos: William und ich haben uns auf der HaRo kennengelernt und allein dadurch schätze ich sie sehr. In Bezug auf Hobbies, die eher belächelt werden, ist es umso schöner Gleichgesinnten im selben Wohnort zu begegnen.
3. Welches sind deine drei Cosplay Essentials? Und wann warst du vielleicht ganz besonders kreativ in Bezug aus Recycling?
casualin.cos: Perücken definitiv, Eyeliner und Ohrringe! Ich liebe das Perückenstyling und versuche Eyeliner bzw. Makeup und Accessoires immer subtil dem Charakter anzupassen. Ich habe eine meiner Perücken tatsächlich von unserem Dachboden geholt, es war eine verknotete Rockstar Perücke und als ich versucht habe, sie mit dem Glätteisen zu bearbeiten, hätte ich fast mein Zimmer abgefackelt. Nichtsdestotrotz habe ich das Styling dann ohne Hitze hinbekommen und benutze die Perücke auch immer noch. Allgemein versuche ich Wigs für mehrere Charaktere zu nehmen, wenn es funktioniert.
nemo.deus: Bei mir geht nichts ohne Motivation, Geduld und zwei Liter Wasser. Ohne diese drei Dinge geht schnell der Spaß verloren und wird durch Frustration ersetzt. Und dehydrieren möchte ich natürlich auch nicht. Speziell zum Punkt Motivation: wenn die mal fehlen sollte, dann sollte man auf alle Fälle eine Pause machen! Den Tipp gebe ich jedem, der sein Hobby auch in den sozialen Medien teilt. Nicht, dass man sich zu Content zwingt und am Ende das Hobby zu einer Last wird.
_cosmo_cos: Ich würde noch Mut ergänzen wollen. Mut zum Ausprobieren und um ins Mindset der Figuren zu kommen. Abgesehen davon macht es mir mehr Spaß, wenn ich Freunde dabei habe. Und Nummer 3 wäre wahrscheinlich Haarspray, haha. Zum Thema Recycling: Gib mir eine Schere, Klebe, ein bisschen Farbe und dann mache ich dir, was du willst. Ich habe zuhause tonnenweise Pappe stehen und die kann man zu allem Möglichen verarbeiten.

4. Welche Figur verkörpert ihr am liebsten?
casualin.cos: Chuuya Nakahara und Dazai Osamu aus dem Anime/Manga Bungou Stray Dogs. Dazai tatsächlich vor allem in einer Version, die von einer Fanfiction inspiriert ist.
_cosmo_cos: Thomas, the train. Next question.
nemo.deus: Ich habe da keinen Favoriten, glaube ich. Ich mache auch nicht nur Anime Cosplays. Cosplay ist allgemein viel weiter in der Kultur verbreitet, als man denkt und beschränkt sich nicht nur auf Animes und Mangas. Wenn man so will, sind Schauspielende im Disneyland Cosplayer, die Geld mit dem verdienen, was wir unser Hobby nennen.
5. Thema Social Media: Cosplayer berichten hin und wieder von Projektionserfahrungen. Hattet ihr bereits etwas in der Art und wie geht ihr damit um, wenn Fans euch wie einen Charakter behandeln?
casualin.cos: Ich hatte damit noch nicht so viel Kontakt. Wenn es passiert ist, fand ich es aber meist eher lustig. Da ich oft Charaktere cosplaye mit denen ich mich identifizieren kann, muss ich mich auch nicht zu sehr verstellen, um in-character zu bleiben, von daher finde ich das als leidenschaftlicher Schauspieler eher cool als grenzüberschreitend. Das kommt aber denke ich auch sehr auf den Charakter an. Ich habe vor allem Leute gecosplayed, die allgemein beliebt im Fandom sind. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn ich mal einen verhassten Antagonisten machen würde.
_cosmo_cos: Generell gilt: Cosplay isn’t Consent. Ich finde es beunruhigend wie manche Menschen behandelt werden, wenn sie cosplayen. Natürlich freue ich mich in erster Linie, wenn mein Cosplay so überzeugend ist, dass man den Charakter in mir erkennt. Es sollte allerdings auch eine Grenze geben. Wir sollten nicht außer Acht lassen wie viele Minderjährige im Netz unterwegs sind. Minderjährige, die auch gerne Cosplay ausprobieren. Manchmal gibt es ganz beunruhigende Meldungen Richtung Kinderpornografie. Ich war glücklicherweise eher das lachende Kind. Hatte keinen sonderlichen Fame und dadurch blieben Erfahrungen aus, von denen andere Creator berichten.

6. Habt ihr Hot Takes oder Unpopular Opinions? Worüber sollte mehr geredet werden? Vielleicht auch in traditionellen Medien?
casualin.cos: Definitiv das Body Image!! Ich habe leider schon an einigen Ecken mitbekommen, dass Leute einen Charakter nicht cosplayen, weil sie nicht „den passenden Bodytype haben“. Das finde ich super schade. Ansonsten definitiv auch Umgang mit den eigenen Haaren! Ganz viele Leute denken, dass es dann kein richtiges cosplay ist, wenn man keine Perücken hat. Aber das ist Quatsch. Ja, ich bin selbst ein Fan von Perücken, aber umso cooler ist es, wenn Leute ihre echten Haare wie die des Charakters stylen!
nemo.deus: Es gibt viele Themen, die man kritisieren kann. Themen wie Fast Fashion, Black Facing oder Sexismus tauchen im Cosplay ebenso auf wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Ich persönlich fänd’s außerdem schön, wenn wieder jeder seinen eigenen Twist in die Fits bringen kann, ohne enorm dafür kritisiert zu werden. Ich bin generell kein Fan des Wettbewerbsgedankens.
casualin.cos: Da gehe ich mit. Verschiedene Versionen von Charakteren sind super cool! Also nicht nur in den canon Outfits, sondern in einer Alltagsversion oder inspiriert von einer Fanfiction oder ähnliches! So kreativ und cool!
_cosmo_cos: Nehmen wir als Beispiel Momo Cosplays zum Anime Dandadan: Ob nun mit Perücke oder ohne, im original Outfit oder mit eigenem Stil vermischt – wir sind alle Momo.
7. Hat Cosplay Auswirkungen auf deinen privaten, alltäglichen Kleidungsstil oder trennst du die beiden Bereiche strikt voneinander?
casualin.cos: Tatsächlich habe ich erst angefangen, mich wie bestimmte Charaktere zu kleiden, da ich den Style einfach cool fand, bis mir irgendwann der Gedanke kam „Hey, wenn du eh schon die Klamotten hast, warum nicht mal versuchen zu cosplayen?“ Tja, ich bin wohl irgendwie dabeigeblieben, haha. Aber nein, ich trenne das nicht. So gut wie alle meine Cosplays sind closet cosplays, heißt: ich benutze nur Klamotten, die ich schon habe (günstiger und nachhaltiger!), die ich also logischerweise auch im Alltag anziehe. Ich wurde tatsächlich mal gefragt, ob ich Chuuya cosplaye, obwohl ich einfach in meinen Klamotten herumgelaufen bin, da wir ähnliche Haare haben. Habe mich gefreut wie ein Keks!
nemo.deus: Ich war schon oft im Cosplay unterwegs. Sei es nun beim Einkaufen oder damals sogar in der Schule. Ich war beispielsweise mal als Elf im Ostseepark. Die Grenzen sind also recht fließend. In der Uni kam es bisher allerdings noch nicht vor.
_cosmo_cos: Früher hatte ich gar nicht so richtig einen Style. Irgendwann kam dann das Cosplay und mittlerweile kombiniere ich mir meine Accessoires gerne in die Alltagskleidung.
8. Wen in der Szene bewundert ihr?
_cosmo_cos: Leute, die ihren Fame für gute Sachen nutzen und ehrlich und authentisch bleiben. Ich mag zum Beispiel allthepotsnpans.cos und itslanicos auf Instagram. Außerdem verfolge ich natürlich meine Freunde und generell Leute, die ich kenne. Ich bin einfach so beeindruckt, beispielsweise davon wie William seine Wigs styled. Ich mag es Styles zu erkennen. Bei mir selbst glaube ich, dass mir Drag ganz gut steht. Mein Jack Frost in Drag kam beispielsweise nicht schlecht an.
nemo.deus: Ich habe meine Cosplays damals überwiegend geschenkt bekommen und bewundere Leute, die selbst kreativ werden. Cosmo beispielsweise investiert viel Mühe und Zeit in die Outfits mit viel Liebe zum Detail. Manchmal bastelt er ja sogar eigene Perücken, indem er mehrere zusammenbringt. Man könnte noch so viele weitere nennen.

