Kultur@home

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Illustration von Rosa Staiger

Um euch einen kleinen Vorgeschmack auf unser nächstes Heft und unsere Rubrik Kultur@home im Kultur-Ressort zu geben, haben wir hier schon mal drei Empfehlungstexte unserer Autor:innen für euch.

Buch: Peter Singer – Effektiver Altruismus

Von Toni-Christin Nebelung

Wie kann ich möglichst ethisch leben? Das ist die Frage, welche der effektive Altruismus beantworten möchte. Dieser denkt den „normalen“ Altruismus noch ein Stück weiter: Ethisch handeln, klar, aber kann ich das auch auf die Spitze treiben, um so möglichst vielen Individuen zu helfen?

In Effektiver Altruismus stellt der für seine kontroversen Themen bekannte Peter Singer genau dies dar. Besonders packend rüttelt er an den Grundfesten seiner Leser:innen und regt zum Umdenken in einer Ellbogen-Gesellschaft an: Gib ab, was du nicht brauchst und helfe damit Anderen. Überdenke, wie viel du von deinem Einkommen abgeben kannst und möchtest und trage zu einer besseren Welt bei. Singer nennt beispielhaft die Leben anderer Altruisten und zeigt damit, wie leicht ein solches eigentlich sein kann. Denn sind wir mal ehrlich: Brauchst du wirklich dieses Shirt, welches eines von vielen in deinem Kleiderschrank ist, das unter unmenschlichen Bedingungen produziert wurde und dazu noch einen schlechten ökologischen Fußabdruck hat? Könntest du die wenigen Euro nicht auch einer Spendenorganisation zukommen lassen, welche das Leben eines Menschen signifikant verbessert?

Singer nennt Organisationen, welche besonders effektiv eine große Anzahl an Menschen helfen. Denn genau das soll diese Form der Nächstenliebe sein: effektiv. Sie soll so vielen Menschen (oder auch Tieren) wie möglich helfen und das Leid verringern, welches auf der Welt herrscht.

Mich hat dieses Werk (so wie eigentlich alle Werke von Singer) völlig aus der Bahn geworfen, da ich nichts an seinen Thesen auszusetzen habe. Somit änderte ich meine Denk- und Lebensweise. Es ist leicht verständlich geschrieben, mit einer Botschaft, die das eigene Leben – und das Anderer – völlig verändern kann.

Song: Fjørt – Couleur (2017)

Von Milad Khoshdel

Fjørt ist eine dreiköpfige Post-Hardcore Band aus Aachen, die sich im Jahr 2012 gegründet hat. Hier möchte ich über den Song Couleur aus dem gleichnamigen Album berichten.

Diesen Song kann man aus mehreren Blickwinkeln interpretieren, einerseits geht es um das Einstehen für die eigene Meinung und das Recht (oder vielleicht sogar Pflicht) zu demonstrieren, sowie andererseits um die Frage, was wiegt schwerer in der Seele: „Das „Hätt‘ ich mal´´ oder „Hätt‘ ich mal nicht´´?“.

Schon das Intro zeigt uns, wohin die Reise in diesem Song gehen soll und was man von der Band an stilistischen Mitteln erwarten kann, da sie in ihren Texten viele Bilder und Metaphern verwenden. So beginnt das Intro schon mit den Zeilen: „Auf dem Platz, wo die Rosen stehen, wird geschossen auf drei Menschen, die es anders sehen. […]. „Behalt es für dich!´´, spricht die Kugel im Lauf. […]. Ein Gedanke auf Granit, […]“. Nur durch diese paar Zeilen entwickelt sich ein Kopfkino über Menschen, die erschossen werden, weil sie (vermutlich) in einem Regime leben, das freie Meinung nicht akzeptiert oder einfach nur die Gedanken des Fortschritts unbeachtet bleiben (Es könnte sich auch um destruktive Gedanken handeln, aber ich bleibe hier mal positiv).

Vom Text nun zur musikalischen Gestaltung. Die Gitarrenriffs zwischen den einzelnen Textabschnitten des Intros setzen schöne Markierungen, die gerade den Schluss des Intros noch mal deutlich in den Vordergrund der Hörer:innen bringt. Dies zieht sich grundsätzlich durch den gesamten Song, bis zur Bridge, deren Inhalt nur mit einer leichten musikalischen Untermalung unterstützt wird, sodass der Textteil: „Was bringt es, wenn ich was sag?“, deutlich in den Fokus gerückt wird. Dafür nutzen sie den Klangauslauf der Gitarrenverzerrung und nehmen circa ab der Hälfte der Bridge wieder leicht Fahrt mit der Gitarre auf, um im Verswechsel wieder harte Klänge anzustimmen und die Stimmung der Bridge im Outro gipfeln zu lassen. So ergibt sich ein Spiel aus harten Klängen der Instrumente und den Gesangsstilen des Sängers, welche dem Text eine weitere Bedeutungsebene verleihen.

Das Geniale an deren Texten ist die vielschichtige Möglichkeit zu interpretieren. Jeder Abschnitt ihrer Songs kann völlig anders verstanden werden. Ich selbst tu mich wahrlich schwer damit, einen ganzen Song zu verstehen, da sie sehr komplex sind und an gewissen Stellen funktioniert die eine Interpretation mal besser und mal schlechter. Letztlich kann ich nur dazu raten, sich diese Band einmal anzuhören, sofern man mit dem Genre klarkommt. Ansonsten springt über euren Schatten und versucht euch mal an den Songs: Couleur, Raison oder Lichterloh.

Buch: Pieter Webeling – Das Lachen und der Tod

Von Hanna Birkenhagen

Humor und Holocaust – zwei Begriffe, die weit voneinander entfernt sind. Vor dem Lesen des Romans habe ich mich gefragt, wie sie wohl zusammen funktionieren. Der jüdische Komiker Ernst Hoffmann erzählt von seinem Aufenthalt im Konzentrationslager Auschwitz und beantwortet diese Frage: „Hoffnung! Sie wachsen kurz über ihr Leid hinaus. Du kannst dafür sorgen, dass die Menschen das Lager vergessen. Mit einem Lächeln.“

Im Februar 1944 wird Ernst Hoffmann verraten und gemeinsam mit vielen weiteren jüdischen Mitmenschen in Viehwaggons nach Auschwitz deportiert. Um die Stimmung im Waggon und später auch im Lager aufzuhellen, unterhält der Komiker seine Mitgefangenen mit Witzen. Als der Lagerkommandant davon erfährt, soll Hoffmann vor den SS-Wachleuten auftreten und durch Witze über das jüdische Volk für ihre Belustigung sorgen. Er steht vor dem Dilemma, sich instrumentalisieren zu lassen und die eigenen Werte zu verraten, um zu überleben oder Widerstand zu leisten und zu sterben.

Durch seinen nahbaren Schreibstil und die Ich-Perspektive schafft es Pieter Webeling auf erschreckend ehrliche Weise, die Leiden und die Unmenschlichkeit dieser Zeit und dieses Ortes nachempfindbar zu machen. „Webelings Roman dringt in Bereiche vor, die selbst historische Zeitzeugen oft aussparen“ (de Volkskrant, Klappentext). Ein lesenswertes Buch, das zwischenzeitlich beiseitegelegt werden muss, um tief durchatmen zu können.

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