Von Annabell Kretschmer // Illustration von Bitchnu und Fotos von Fatty Acid
Felix beschreibt Fatty Acid und sich als Mitbewohner:innen. Während Felix jedoch jedes Jahr älter wird, bleibt Fatty Acid für immer wunderschöne 25 Jahre jung. Im Rahmen des morgigen CSDs hier in Rostock, habe ich mich mit Felix unterhalten, der als junge Dragqueen ein wichtiger Teil der queeren Community in Rostock ist.
Der Name, den Felix seinem Alter Ego gegeben hat, ist eine Mischung aus seinen Erfahrungen in der schwulen Szene, der Freude, die Fatty gerne als Dragqueen verbreitet und der Ernsthaftigkeit, die ihre Themen haben.
Wie labelst du dich? Bist du queer oder siehst du dich selber unter einem anderen Buchstaben der LGBTQIA+ Community?
Also zu guter erst label ich mich, wenn ich in Drag bin als Drag, das ist dann das große Label. Ich würde immer sagen, dass ich queer bin, einige Menschen sehen mich als schwul. Das ist auch nicht falsch, aber ich sage immer: Ich finde Frauen wahnsinnig schön und sie haben einen ästhetischen Körper. Ich fühle mich aber sexuell zu Frauen nicht hingezogen, kann mir aber zu ihnen durchaus eine romantische Beziehung vorstellen. Aber zu Männern kann ich mir eine romantische und sexuelle Beziehung vorstellen.
Wie bist du zum Drag gekommen und wie wurdest du zu Fatty Acid?
Ich fand Frauenkleider immer faszinierend, weil ich stets der Meinung war, dass Männer in dem Mix aus dem wundervollen, lebensbejahenden Schwarz-Blau-Grau durchaus sehr wenig zu zeigen hatten. Das Extravaganteste, was Männer tragen können, ist ein Frack. Als Kind der 1990er gab es wenig Farbvarianten und -kombinationen. Also was mir gut gefällt, ist, dass inzwischen der modische Fokus auch mehr auf den Männern liegt, diese Kleidung aber auch genderunabhängig ist, wie zum Beispiel bunte Anzüge. Dennoch finde ich, dass Kleider viel mehr Facetten haben können als kurze oder lange Hosen, ein simples T-Shirt, Hemd und Sakko. Das fand ich als Kind bereits faszinierend. Dann wollte ich eine Puppe haben, aber mein Papa empfand das nicht als geschlechtergerecht. Letztendlich hat sich meine Omi durchgesetzt und mir eine Barbie gekauft. So konnte ich halt so ein bisschen dieses Gefühl ausleben, aber Kleider durfte ich halt nie tragen.
Dann hat es so wirklich angefangen mit Fasching. Ich glaube so klassisch Fasching ist ein Ding, wo man sich ausprobiert. Ich wollte einmal die Biene Maja sein, aber mir wurde gesagt, dass ich dann der Willy wäre und nicht die Maja. Im Kindergarten habe ich dann aber erzählt, dass ich die Maja wäre, weil ich nicht der schnarchige, verträumte Willy sein wollte, sondern die kesse und kluge Biene Maja. Während meines Biochemie-Studiums in Greifswald gab es halt den Biochemiker:innen-Fasching und da habe ich öfters tote Charaktere verkörpert, wie zum Beispiel Dirk Bach, aber auch Amy Winehouse, was dann irgendwie schon eine Form von Drag war.
Dann war ich in meinem Auslandsjahr in Stockholm und das hat sehr dazu beigetragen, mich von bestimmten Mustern und Denkweisen zu befreien. Drag bietet queeren Männern halt die Möglichkeit, Gesellschaftskritik auszuüben und für mich war es auch die Chance, die Stimme zu ergreifen, sichtbarer zu werden und Themen zu platzieren. 2016 habe ich dann letztendlich mit Drag angefangen, damals noch sehr unprofessionell mit wenig Equipment. Davon gibt es noch auf meinem Instagram-Account ganz schreckliche Fotos von den ersten wunderschönen Aufnahmen. RuPaul’s Drag Race war natürlich auch ein ganz großer Einfluss und damals dachte ich mir: Was die können, kann ich auch. Ich fühlte mich schon sehr bestärkt in meinem Talent als Entertainer und meine Fähigkeiten beim Make-up kamen halt nach und nach. Also das war wirklich eine Sache der Übung.
Wie weit ist aktuell deine Reichweite und wie groß waren bisher die Veranstaltungen, bei denen du warst?
Also dieses Jahr hatte ich meine eigene große, kleine Deutschland-Tour und da habe ich vier CSDs moderiert. Aber das kannst du nicht wirklich sagen. Als ich beim Karaoke in der Planbar angefangen habe, war das halt quasi auf gut Glück und ich darf das bis heute immer noch machen, wofür ich sehr dankbar bin. Ich würde sagen, dass immer noch der CSD Rostock bisher das größte Event war, bei dem ich aufgetreten bin, vor allem wenn wir vielleicht dieses Jahr die 10.000 Personen Marke knacken werden. Denn die CSDs, die ich dieses Jahr bereits moderiert habe, waren deutlich kleiner und da kam auch der eigentliche Hintergrundgedanke der Demonstration und der politischen Botschaft sehr gut durch. Und dafür mache ich Drag, auch wenn ich bunt, laut und schrill bin, aber ich habe immer noch meinen politischen Standpunkt und bin dabei auch herzlich.
Darf ich fragen, was du eigentlich hauptberuflich machst?
Dadurch, dass ich Biochemie studiert habe, arbeite ich im nun im öffentlichen Dienst in der Naturschutzbehörde.
Inwieweit weiß dein Umfeld und auch dein berufliches Umfeld Bescheid, dass es neben Felix auch noch Fatty Acid gibt?
Als ich während der Pandemie auf neue Arbeitssuche ging, hatte ich beim Bewerbungsgespräch eine negative Einstellung, dass sie mich sowieso nicht nehmen würden. Und mit diesen Hintergedanken war ich dann halt offen und ehrlich und habe von meinem Nebengewerbe als Dragqueen erzählt. Dann gab es ein großes Schmunzeln im Bewerbungsgespräch und meine Personalerin fand das ganz interessant. Sie wollte auch wissen, was mir das geben würde und ich meinte, dass das Schminken für mich meditative Entspannung ist.
Im familiären Rahmen war das halt nochmal was anderes, da mein Vater vor meinem Outing sehr große Probleme mit mir hatte. Da haben aber noch andere Faktoren mit reingespielt. Letztendlich habe ich mich dann mit 16 bei ihm in Briefform geoutet, als er auf einer Studienfahrt mit seinen Schüler:innen war und so konnte er mich nicht sofort damit konfrontieren. Deshalb sagt er auch, dass das die beste Idee für mein Outing war, die ich hätte haben können. Er ist heutzutage aber auch mein größter Fan und hat mich auch bei meinen CSD Moderationen begleitet und hat mir mit meiner Omi zugeschaut. Am liebsten wäre er voller Stolz auf die Bühne gestürmt und hätte gesagt: „Das ist mein Kind“. Drag war für ihn weniger ein Problem als mein eigentliches Outing.
Wie sieht deine Routine aus, bei deiner Verwandlung von Felix zu Fatty?
Felix und Fatty sind zwei Mitbewohner:innen, weil ich meine Persönlichkeit als Felix habe und eine als Fatty. Da Schminken eine Art Entspannung für mich ist, brauche ich schon sehr lange. Am liebsten nehme ich mir dafür vier Stunden, aber ich würde es auch in zwei schaffen. Von Felix müssen als allererstes die Barthaare weg, es muss geduscht werden, dann wird das Gesicht eingecremt. Dann hast du erstmal schon eine halbe Stunde verloren, um das alles sauber zu bekommen. Jetzt in der CSD-Saison rasiere ich mir auch die Augenbrauen ab, einfach, weil es für mich ein leichterer Prozess ist und dadurch spare ich mir das Abkleben. Nach dem Eincremen fange ich mit der oberen Gesichtspartie an, weil ich, wie ich es liebevoll nenne, das Etappenschminken mache. Denn wenn man ein Mensch wie ich ist, der sehr viel schwitzt, gerade auch im Gesicht, ist es besser, das Make-up in Etappen zu machen. Deshalb fange ich mit dem oberen Teil des Gesichts an, also die Stirn, die Augenbrauen und das Augen-Make-up. Dann kann ich ganz einfach bei einem Fallout die untere Hälfte mit einem Tuch abwischen. Ich arbeite auch mit verschiedenen Farben, also beim Counturing habe ich zwei Farbtöne, Highlighter mache ich mit einem TV weiß und dann als Grundierung nehme ich eine Farbe, die annähernd meiner Hautfarbe entspricht. Weil von der wirklichen Haut bei Drag nicht viel überbleibt.
Was glaubst du, warum gibt es eine so große Faszination für Menschen in Drag? Immerhin ist RuPaul’s Drag Race eine der bekanntesten Reality-TV Shows, die es gibt.
Ich glaube, Drag ist einfach super faszinierend für die Menschen, weil es lange aus religiösen Gründen verboten war. Aber das Spielen mit Geschlechterrollen ist immer gesellschaftskritisch. Frauen sind mehr als das äußerliche Erscheinungsbild mit langen Haaren, Kleidern und einer 90-60-90 Figur. Ich glaube, es ist auch faszinierend, weil Make-up an sich faszinierend ist. Es ist wie „Schönheitschirurgie“ mit einem Pinsel. Auch beim Drag Race gibt es manche, bei denen ich nicht weiß, wie sie es jetzt gemacht haben und muss das nochmal sehen. Außerdem ist es noch die Faszination der Weiblichkeit. Für mich ist es ein Feiern der Weiblichkeit und auch der Hyper-Femininität, weil ich es auch so erstrebenswert finde, weibliche Attribute zu haben. Es ist halt auch einfach ein Entkommen aus dem Alltag, weil Drag etwas ist, was man nicht häufig sieht, gerade weil viel Farbe im Alltag fehlt. Wir versuchen, in einer Gruppe mitzuschwimmen und unauffällig zu bleiben. Aber halt auch dieses Auffällige und Kecke ist etwas, das den Wunsch regt, sowas auch mal für einen Tag zu haben.
Am bekanntesten sind die Dragqueens im Gegensatz zu der Dragking Szene. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Das ist schwierig zu beantworten, weil ich kein Teil einer Dragking Szene bin. Also ich kenne persönlich ein:n nicht-binäre:n Dragking:queen, aber sonst deutschlandweit bekannt gibt es Ryan Stecken aus Berlin. Aber die Faszination an Männlichkeit ist kleiner, weil Weiblichkeit immer was Verbotenes hat. Wenn man daran denkt, dass Frauen sich so viel aussetzen müssen und sexualisiert werden. Ich glaube, das haben Männer auch, aber in einem ganz anderen prozentualen Anteil in der Gesellschaft und Frauen unterliegen so vielen Zwängen –von Abtreibungsrecht bis Kleiderordnungen. Ich finde einfach, das hat was mit Normen zu tun, die dann mit Dragqueens sehr stark angegriffen werden und ich glaube Dragkings sind häufig sehr gute Entertainer:innen, aber ihnen wird nicht so häufig Aufmerksamkeit geschenkt, weil die Relevanz nicht sichtbar ist, die dahinter steckt. Da es ebenfalls eine Kritik an der Männlichkeit ist, wie muss man sich verhalten, um als männlich zu gelten und gibt es eine positive Form von Weiblichkeit und Männlichkeit. Dragqueens gibt es ja auch schon sehr lange, weil im antiken Theater die Frauenrollen auch immer von Männern gespielt wurden und sie somit die erste Form von Drag geschaffen haben.
Welche Tipps und Ratschläge würdest du zukünftigen Drag Royalties auf den Weg geben wollen? Seien es Make-up Tipps oder Ratschläge zur Verwirklichung.
An alle Drag Babies, die irgendwann mal Royalty sein wollen: Wir haben alle klein angefangen und manchmal fühlst du dich wie der größte Shit, auch wenn du es nicht bist. Am Anfang hat man natürlich sehr viel Demut beim Schminken, aber wichtig ist auch, immer dran zu bleiben. Du machst es, weil es deine Leidenschaft ist, weil du etwas bewegen willst, weil du auftreten willst. Vielleicht bist du ein:e super gute:r Tänzer:in und du willst auf die Bühne, weil du das einfach lebst. Bleib dran. Schmink dich. Probiere dich aus. Mittlerweile gibt es in den Drogerien sehr gute Produkte dafür und such‘ dir Queens, die dir Rat geben können und höre auf ungefähr 80 Prozent dieser Ratschläge. Hab Spaß, solange es dir Spaß macht.
Du solltest es einfach durchziehen, so habe ich es halt gemacht. Mir war es irgendwann egal was die Menschen in meinem Umfeld dazusagen. Weil ich glaube, wenn das die Einstellung ist, dann gibt es nicht viele Möglichkeiten von Gegenwind. So lange man da selbstbewusst rangeht und sagt: Hey, ich bin das und mache das, weil es mir Spaß macht. Auch wenn du Teil meiner Familie bist und möchtest, dass ich glücklich bin und das bin ich damit, dann bietet das weniger Angriffsfläche.
Mach das, was dir Spaß macht und wenn du mit Drag anfangen möchtest, dann erwarte anfangs nicht zu viel und übe, übe, übe. Gönn dir Zeit und setz dich nicht unter Druck.