Das Lachen der ewigen Verlierer?

Das Lachen der ewigen Verlierer?

Der Mythos Anarchismus

Von Milad Khoshdel // Illustration von Josephin Bauer

Rebellion, Aufstand und eine zwanghafte Veränderung, notfalls mit Gewalt!

Das denken die meisten, sobald das typische „Anarchisten (A) Symbol“ irgendwo zu sehen ist. Zusätzlich werden nur Unordnung und Chaos mit Anarchie assoziiert.

Bedeutet Anarchie denn zwangsläufig Gewalt und Chaos?

In diesem Artikel möchte ich den Anarchismus beleuchten und erklären. Natürlich kann dies keine allumfassende Abhandlung werden, sondern soll einfach ein Anstoß sein, sich selbst mit politischen Theorien auseinanderzusetzen, von denen die meisten nur Volksmundsagen kennen. Dennoch darf alles kritisch betrachtet und auch kommentiert werden.

Denn der Anarchismus lebt von Selbstreflexion.

Die erste Frage, die sich stellt, ist vermutlich: „Was ist Anarchismus überhaupt?“ Die Antwort ist so einfach, wie die Umsetzung schwierig ist. Anarchismus bedeutet, ohne Chef und Staat in einer Gemeinschaft mit Selbstverwaltung zu leben. Jede Entscheidung, jede Auseinandersetzung wird im Kollektiv entschieden und gelöst.

Zur Arbeit wird nicht gegangen, um Geld zu verdienen, sondern um der Gemeinschaft zu dienen. Jeder arbeitet und existiert nicht für sich selbst, sondern für alle.

Ist dieses Denken nun naiv oder utopisch? Eine Welt ohne Zwang und Regeln zu wollen, die funktionieren soll?

Auf den ersten Blick wirkt es unmöglich, dennoch gab es bereits Anarchien und diese haben sogar funktioniert.

Als erstes anarchistisches Gebiet und Gruppe galten die „Machnowzi“. Zwischen circa 1917 und 1921 kontrollierten ungefähr 10.000 Guerilleros über ein Gebiet von 70.000 Quadratmeter in der Ukraine, in diesem Gebiet lebten über 7 Millionen Menschen.[1]

Wer waren diese „ersten“ Anarchisten?

Sie waren hauptsächlich Bauern, geführt von Nestor Machno, der 1917 aus einem Gefängnis ausbrechen konnte.[2] Es waren Menschen, die sich nichts mehr wünschten, als Frieden. Das Problem dieser Bewegung war allerdings von Beginn an Krieg. Von der einen Seite bedroht von den Deutschen und von der anderen Seite von den zu Beginn brüderlichen Kommunisten, welche ihnen später, als der Feind besiegt wurde, in den Rücken fielen.

Diese armen Bauern erhoben sich gegen Großgrundbesitzer und verjagten und töteten diese und begannen, ihre Leben selbst in die Hand zu nehmen. Nachdem die Großgrundbesitzer flohen, nahmen die Bauern ihre Arbeit auf den Feldern wieder auf und gründeten landwirtschaftliche Kollektive, die „Kommunen“. Das Land wurde gemeinsam und freiwillig bestellt, anders als es vorher der Fall war. Und trotz des Krieges konnten sie einen Lebensmittelüberschuss produzieren und schenkten Teile davon an russischen Großstädte.[3] Und wer entschied über diese Schenkung?

Das Rückgrat der gesamten Selbstverwaltung waren Räte. Diese gab es in jedem Gebiet und sogar für übergreifende Aufgaben wie Transport, Kultur, Industrie und Kriegsführung. Übergeordnet wurde immer der sogenannte „Rayonkongress“, eine bis zu 20.000 Menschen große Vollversammlung aller Delegierten der Räte. Diese kamen zusammen und besprachen ihre Probleme vom Kuhmelken bis zum Krieg führen und das ohne Lautsprecher oder Organisationsbüro. Dennoch konnte koordiniert gesprochen werden.[4]

Nach der Versammlung ging jeder wieder nach Hause und alle setzten die Beschlüsse um. Dabei blieb jedes Kollektiv, jeder Rat, autonom und entschied selber, ob sie die Entscheidungen annahmen oder nicht. Dies galt für die Landwirtschaft ebenso wie für die freien Schulen oder Führer der Armee.

All das zeigt, wie anarchistische Ideen in gelebten Gemeinschaften umgesetzt werden konnten. Dabei war dies das erste Mal, dass eine anarchistische Lebensweise stattfand. Sie war sicherlich nicht perfekt, dennoch hat es für vier Jahre funktioniert.[5]

Der Untergang dieser ersten Gemeinschaft wurde durch Krieg und Verrat von externen Kräften herbeigeführt. Die Menschen waren Opfer ihrer Umstände, aber durch die Umstände erst in der Lage, so zu leben. Kein Chaos, kein Weltuntergang, die Anarchisten konnten durch ihren Lebensstil über mehrere Jahre in einem Krieg leben.

Anarchie ist nicht unmöglich, doch es bedarf der richtigen Zeit und dem Glauben, dass es möglich ist. Nur so kann ein Leben in vollkommener Freiheit mit einem Gemeinschaftsbewusstsein funktionieren. Indem jeder sein Bestmögliches für den Erhalt und Schutz der Gemeinschaft tut.

Quellen:

[1] Stowasser, H., Leben ohne Chef und Staat, S.19,  4. Aufl., Berlin, 2006.

[2] Stowasser, H., Leben ohne Chef und Staat, S.20,  4. Aufl., Berlin, 2006.

[3] Stowasser, H., Leben ohne Chef und Staat, S.26,  4. Aufl., Berlin, 2006.

[4] Stowasser, H., Leben ohne Chef und Staat, S.27,  4. Aufl., Berlin, 2006.

[5] Stowasser, H., Leben ohne Chef und Staat, S.27,  4. Aufl., Berlin, 2006.

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