von Hannes Goerke // Illustration von Lara Kaminski
Ein Bürgerbeauftragter oder eine Bürgerbeauftragte fungiert grundsätzlich als Vermittler:in zwischen Bürger:innen und der öffentlichen Verwaltung. Die Institution hilft dann, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger ungerecht behandelt fühlen oder nicht wissen, an welche Behörde sie sich wenden sollen. Ein Großteil der Studierenden ist während ihrer Studienzeit mit bürokratischen Hürden konfrontiert. Beispiel: BAföG-Anträge. Wenn du dich bereits durch alle Behörden durchtelefoniert hast und einfach nicht mehr weiterweißt, kann dir die:der Bürgerbeauftragte vielleicht weiterhelfen. Doch was genau macht ein:e Bürgerbeauftragte:r, und warum kann es sich lohnen, die Unterstützung dieser Institution in Anspruch zu nehmen? Das wollten wir herausfinden und haben uns deswegen zu einem Interview mit dem Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Dr. Christian Frenzel, getroffen. Herr Frenzel ist promovierter Jurist und hat vor seiner Tätigkeit als Bürgerbeauftragter viele Jahre vor allem als Richter in M-V gearbeitet. So war er unter anderem Direktor des Amtsgerichts Schwerin und Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Rostock. Im März 2024 trat Herr Frenzel sein Amt als Bürgerbeauftragter an. Seitdem ist nun etwa ein Jahr vergangen. Ein guter Grund, Bilanz zu ziehen:
heuler: Vielen Dank, Herr Frenzel, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen. Zunächst hat sich uns die Frage gestellt, wie man eigentlich Bürgerbeauftragte:r des Landes M-V wird? Handelt es sich dabei um ein politisches Amt?
Frenzel: Da hilft zunächst ein erster Blick in das Gesetz[1]. Das habe ich auch gemacht, als ich gefragt wurde, ob ich Interesse an der Aufgabe des Bürgerbeauftragten habe. Der Bürgerbeauftragte wird vom Landtag gewählt. Das Gesetz sieht insofern nur vor, dass es sich um eine Person handeln muss, die in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gewählt werden kann.[2] Weitere Voraussetzungen ergeben sich nicht, das hat das Gesetz auch ganz bewusst so offen formuliert. Feste Kriterien für dieses Amt gibt es nicht. Es kommt vielmehr darauf an, dass man sich offen zeigt; dass man mit Menschen reden möchte und dass man auf die Sorgen und Nöte der Menschen eingeht. Das kann beispielsweise jemand sein, der oder die ein juristisches Studium abgeschlossen hat, das kann aber auch jemand sein, der oder die gar kein Studium abgeschlossen hat, das spielt keine Rolle. Und das ist auch gut so.
Ein politisches Amt in dem Sinne ist es nicht, da mit dem Amt keine politische Macht einhergeht. Das Amt hat die besondere Aufgabe zu vermitteln; zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung, immer dann, wenn etwas nicht so gut funktioniert hat. Oder wenn die Bürgerinnen und Bürger etwas nicht verstehen, zum Beispiel wenn die Sprache der Verwaltung zu kompliziert ist. Es handelt sich aber um kein Amt, das öffentlich ausgeschrieben wird, insofern ist es schon „politisch“. Aber nicht in dem Sinne politisch, dass es sich um eine politische Position handelt.
heuler: Wieso wollten Sie Bürgerbeauftragter werden? Was macht dieses Amt besonders interessant?
Frenzel: Die Menschen brauchen nicht noch eine weitere Beschwerdeinstanz, die in einem komplizierten Verfahren eine Angelegenheit klärt. Sondern die Bürgerinnen und Bürger wollen möglichst schnell eine Antwort auf ihre Fragen haben. Selbst wenn ich den Betroffenen erklären kann, weshalb etwas nicht so funktioniert, wie sie sich das vorstellen, ist das für mich ein gewisser Erfolg. Damit trage ich dazu bei, dass die Leute nicht verärgert sind und auf „den Staat“ oder „die Verwaltung“ schimpfen.
heuler: „Die da oben“…
Frenzel: Genau! Diese Einstellung höre ich manchmal. Aber durch gute Arbeit der Verwaltung und des Bürgerbeauftragten kann man das ändern. In meiner gesamten beruflichen Laufbahn war ich immer dicht dran an den Problemen und Schwierigkeiten der Bürgerinnen und Bürger. Das ist mir wichtig. Am Amtsgericht hat man beispielsweise einen ganz persönlichen Austausch mit den Klägerinnen und Klägern. Mir macht es Spaß, mit den Menschen in den Austausch zu treten. Ich möchte versuchen, zu erfahren, was die Bürgerinnen und Bürger stört, und diese Anliegen dann in die Verwaltung tragen, um zu versuchen, Kompromisse zu finden.
heuler: Sie sind nun etwa ein Jahr im Amt. Haben Sie ein bisheriges Highlight, zum Beispiel einen bestimmten Fall, vor Augen, der Sie besonders bewegt hat?
Frenzel: Ja, einen Fall habe ich da bereits im Hinterkopf. In dem Fall ging es um einen Sorgerechtsstreit, bei dem ein junger Vater für das Sorgerecht seines Kindes gekämpft hat. Eine Mitarbeiterin von mir hat sich sehr intensiv für diesen Fall eingesetzt. Nach vielen Telefonaten und viel Einsatz aller Beteiligten konnte dem Vater sehr geholfen werden. Auch seitens der Behörden wurde sehr flexibel und schnell reagiert. So stelle ich mir eine gute Verwaltung vor. Alle haben immer an die Sache gedacht, das war wirklich toll.
Aber das ist natürlich nur ein Fall von ganz, ganz vielen Fällen, die uns erreichen.
heuler: Wie viele Anliegen erreichen Sie denn … im Monat, im Jahr?
Frenzel: Ich kann das jetzt ziemlich genau sagen. Denn der Bürgerbeauftragte ist verpflichtet, einmal im Jahr Bericht zu erstatten.[3] Den aktuellen Jahresbericht für das Jahr 2024 habe ich an die Landtagspräsidenten Birgit Hesse übergeben. In dem Jahr haben uns 1728 Eingaben erreicht. 1700 bis 1800 Eingaben im Jahr sind auch etwa der Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Nur in dem Jahr 2021 gab es, aufgrund von Corona, deutlich mehr Petitionen. Manche lassen sich mit nur einer E-Mail oder einem Telefonat bewältigen. Andere laufen über mehrere Jahre.
heuler: Und die Eingaben erhalten Sie über das Kontaktformular auf Ihrer Webseite[4]? Oder über Telefon? Oder während der Sprechtage?
Frenzel: Da haben wir auch eine Auswertung. 10 % der Eingaben kommen über die Post, auf dem ehemaligen klassischen Weg. Etwa zwei Drittel der Petitionen erhalten wir mündlich, also telefonisch oder persönlich, wenn wir zum Beispiel auf dem „MV-Tag“[5] unterwegs sind. Und natürlich während der Sprechtage. Den Rest erhalten wir zum Beispiel per E-Mail.
heuler: Sie haben nun innerhalb des ersten Jahres 46 Sprechtage hinter sich. Wie läuft so ein Sprechtag ab?
Frenzel: Der Sprechtag ist eine Einrichtung, die vom Gesetz vorgeschrieben ist, die sich aber auch von selbst erklärt. Ich kann schließlich nicht nur in Schwerin sitzen und darauf warten, dass die Bürgerinnen und Bürger auf mich aufmerksam werden. Sondern ich fahre raus. Man kann so in etwa sagen, dass ich außerhalb der Ferienzeiten einmal die Woche einen Sprechtag in unterschiedlichen Städten in unserem Land anbiete. Ich achte dabei auch darauf, dass die Sprechtage gleichberechtigt in Mecklenburg und Vorpommern stattfinden. Natürlich spielt sich viel in Schwerin ab. Aber wir sind selbstverständlich auch in Vorpommern unterwegs.
Jedenfalls ist es gewünscht, dass man sich im Voraus zu einer Sprechstunde anmeldet, etwa telefonisch oder per Mail. Während der Sprechtage besteht die Möglichkeit, das Anliegen anzusprechen, dafür planen wir etwa eine halbe Stunde ein. Ich selbst kenne im Normalfall vorher nur das grobe Thema. Während der Sprechstunde besteht dann die Möglichkeit, mir das Anliegen zu schildern. Häufig kann ich dann nur darauf verweisen, dass wir uns der Sache annehmen. Manchmal kann ich aber auch direkt das Anliegen von der Petentin oder dem Petenten klären. Als Bürgerbeauftragter versuche ich, eine möglichst unkomplizierte Lösung zu finden. Manchmal ist auch schon dadurch geholfen, dass wir eine Entscheidung oder den Inhalt eines behördlichen Schreibens erklären. Unsere Beratung ist dabei kostenlos und selbstverständlich vertraulich.
heuler: Mit welchen Problemen und Anliegen kann man sich an Sie wenden?
Frenzel: Das ist ganz unterschiedlich. Ein Schwerpunkt liegt auf sozialen Angelegenheiten: Wenn etwa eine Person eine sehr hohe Stromrechnung hat, weil sie auf ein medizinisches Beatmungsgerät angewiesen ist und von der Krankenkasse nur mit einer deutlich zu niedrigen Pauschale abgespeist wird. Vor zwei Jahren gab es aber zum Beispiel auch viele Eingaben im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform. Weitere Fälle beschäftigen sich mit den Kosten der Müllabfuhr. Ich nehme außerdem auch die Belange von Menschen mit Behinderung wahr. Jedes Anliegen und jeder Sprechtag ist individuell.
heuler: Was unterscheidet Sie von einem klassischen Anwalt?
Frenzel: Ein Anwalt nimmt die Interessen seiner Mandantin oder seines Mandanten zu 100 % wahr und kann dabei bestimmte Themen einseitiger bewerten. Das ist beim Bürgerbeauftragten nicht so. Das ist nicht immer leicht zu transportieren. Ich wurde einmal sogar als „rechtfertigendes Sprachrohr der Regierung“ bezeichnet. Da kann ich nur widersprechen. Ich habe überhaupt nichts zu rechtfertigen, sondern transportiere, wenn überhaupt, die Stellungnahme eines Ministeriums, zum Beispiel, um zu erklären, wie ein bestimmter Sachverhalt so bewertet wurde, wie er bewertet wurde. Aber das bedeutet nicht, dass ich mir das zu eigen mache. Wenn ich etwas anders sehe, tausche ich mich mit der entsprechenden Stelle aus und versuche, eine Lösung zu finden.
heuler: Abschließend: Mit welchen Anliegen können sich denn zum Beispiel Studierende an Sie wenden?
Frenzel: BAföG oder Wohngeld sind Themen, die häufig Studierende betreffen. Grundsätzlich kann ich aber nur in den Bereichen tätig werden, die auch einem Teil der Landesregierung zugeordnet sind. Das trifft das Thema BAföG beispielsweise nicht direkt. Aber das gehört natürlich zu einer sozialen Beratung dazu. Manchmal haben solche Anliegen auch etwas mit Melderecht zu tun. Da kann es bereits helfen, wenn man das Anliegen gemeinsam mit der Petentin oder dem Petenten bespricht. Wir sind jedenfalls für alle Bürgerinnen und Bürger ansprechbar und können dann weiterhelfen oder vermitteln.
heuler: Vielen Dank für das Interview!

[1] Das Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz M-V.
[2] Wählbar sind daher alle Wahlberechtigten, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten ihren ständigen Wohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern haben.
[3] In der Parlamentsdatenbank des Landtages M-V können die bisherigen Berichte eingesehen werden. Der Bericht für das Jahr 2024 wird voraussichtlich im April 2025 veröffentlicht.
[4] https://www.buergerbeauftragter-mv.de.
[5] Der nächste MV-Tag ist vom 20. – 22. Juni 2025 in Greifswald, https://www.mvtag-2025.de/startseite.