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Am 12.12.2022 haben wir, Carolin Grub, Sabrina Scholz und David Wolf, uns auf den Weg ins Rostocker Rathaus begeben, um mit der im November gewählten Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger ein Interview zu führen. Dabei sprachen wir über ihre Studienzeit in Rostock, den Druck, den das Amt mit sich bringt, was sie als Oberbürgermeisterin für die Studierenden machen kann und vieles mehr.
heuler: Was ist die schönste Erinnerung an Ihre Studienzeit in Rostock?
Eva-Maria Kröger: Ich habe fast ein Jahr gebraucht, um richtig in das Studium reinzukommen. In Rostock habe ich Politikwissenschaften und öffentliches Recht studiert, was am Anfang etwas chaotisch war. Nach ungefähr zwei Semestern gingen die ersten Lichter an und ich habe gemerkt, wo die Zusammenhänge sind, dann hat das Studium auch richtig Spaß gemacht. Das eine große Ereignis, an das ich mich zurückerinnere, habe ich nicht. Ich würde meine schönsten Erinnerungen an Personen festmachen. Ich habe damals schon Conchita Hübner Oberndörfer, die leider vor kurzem verstorben ist, als sehr herzliche Wegbegleiterin empfunden. Als ich mit dem Studium begonnen habe, war ich schon alleinerziehende Mutter, das war nicht immer ganz einfach. Trotzdem habe ich mich von der Uni und der Fakultät immer gut unterstützt gefühlt. Sowohl von Conchita Hübner Oberndörfer als auch von Jakob Rösel, den ich als Professor auch sehr geschätzt habe. Auf jeden Fall habe ich diese Zeit hier in Rostock sehr genossen.
heuler: Woran erinnernSiesich, wenn Sie an Frau Oberndörfer denken?
Eva-Maria Kröger: Ich kann mich vor allem gut an eine Situation mit Conchita erinnern, als ich schon ein paar Jahre in der Kommunalpolitik war. Sie hat Kommunalpolitikerinnen zu einer Gesprächsrunde mit einer Studentin eingeladen, die ihre Abschlussarbeit dem Thema „Frauen in der Politik“ gewidmet hat. Zunächst haben Conchita und die Studentin angefangen, aus ihrer Sicht zu referieren, wie Frauen in die Politik kommen und wie schwierig es als Frau in der Politik ist. Das war lustig, weil alle praktizierenden Politikerinnen einer ganz anderen Auffassung waren, und den beiden erstmal vehement widersprochen haben. Nach einer Weile schien Conchita Hübner Oberndörfer etwas frustriert zu sein, weil wir an vielen Stellen unterschiedlicher Auffassungen waren. Es hat sich das herausgestellt, was in der Politikwissenschaft häufig der der Fall ist, dass Theorie und Praxis nicht immer zusammengehören. Der theoretische Blick ist eben oft ein idealisierter oder ein generell problematisierender, während sich in der Praxis doch viele Dinge anders darstellen.
heuler: Wenn Siesich eine Gesellschaftsutopie vorstellen,was wären die zwei wichtigsten Punkte, die sich in der Zukunft ändern müssen, um in Richtung einer solchen Utopie voranzuschreiten?
Eva-Maria Kröger: Dann würde ich natürlich ganz klar den Wunsch voranstellen, dass wir Frieden auf dieser Welt haben. Frieden wäre für mich eine der großen Utopien und man muss ihn ja leider als Utopie bezeichnen. Weil ich eine Linke bin, würde ich mir als zweites wünschen, dass der ausbeuterische Neoliberalismus, der ja überall auf dieser Welt herrscht, in seine Schranken gewiesen wird. Großes Leid auf dieser Welt passiert vor allem auf Grundlage von wirtschaftlicher oder ressourcenbezogener Ausbeute. Die Ausbeutung von Menschen und Regionen, der Missbrauch von Menschenleben und auch der Klimawandel fußt ganz wesentlich auf einer kapitalistischen Ausbeutungsideologie. Ich würde mir wünschen, dass diese in ihre Schranken gewiesen wird.
heuler: Am 30.11 hat der Wahlausschuss Ihre Wahl zur Oberbürgermeisterin bestätigt. Das Amt werden Sie jedoch erst im Januar oder sogar Februar übernehmen. Gegenüber dem NDR haben Sie die Zeit vor der Amtsübernahme als Vorbereitungsphase bezeichnet. Wie sahen Ihre letzten Wochen seit der Wahl aus?
Eva-Maria Kröger: Momentan ist es so, dass ich mir zu vielen verschiedenen Themen die aktuellen Sachstände geben lasse. Das heißt, ich bekomme gerade sehr viele Unterlagen, die ich dann über die Weihnachtsferien und den Januar lesen möchte, um dann wirklich bei allen Themen aktuell im Stoff zu stehen.
heuler: Also gibt es Dokumente, die Sie vorher gar nicht einsehen konnten?
Eva-Maria Kröger: Ja, als Kommunalpolitikerin hatte ich natürlich schon einen sehr guten Zugang zu den Themen, die diese Stadt bewegen. Aber es gibt immer Unterlagen, die man erst bekommt, wenn man Teil der Verwaltung ist. Wenn man dann noch Oberbürgermeisterin ist, bekommt man alles, was man sehen möchte und ich habe das große Glück, dass ich das jetzt schon darf.
heuler: Glauben Sie, dass Sie die Arbeit in der Bürgerschaft vermissen werden?
Eva-Maria Kröger: Ja, definitiv. Das tolle an Kommunalpolitik ist, dass sie – stark verkürzt ausgedrückt – alles fordern kann, was sie für richtig hält. Als Kommunalpolitikerin und als Kommunalpolitiker bist du ganz nah an den echten Problemen und Sorgen der Einwohnerinnen und Einwohner dran. Sei es ein holpriger Gehweg oder die Clubkultur der Stadt, du bist ganz nah an jedem Themenfeld dran. Du kannst ohne irgendwelche Schranken fordern, dass sich etwas verändert. Die Verwaltung muss sich dann mit der Umsetzung dieser Probleme rumschlagen. Die Freiheit, politisch aktiv zu sein und einfach erstmal zu fordern, was man für richtig hält, das werde ich vermissen.
heuler:Ihr Vorgänger Claus Ruhe Madsen bezeichnete sich nach seinem Amtsantritt als obersten Feuerwehrmann. Ist das eine passende Beschreibung für das Bürgermeister:innen Amt?
Eva-Maria Kröger: Auf jeden Fall ist es zutreffend, dass du als Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister viele Konfliktherde begleiten oder aber auch beenden musst. Dafür musst du sehr konfliktfähig sein. Das Symbol eines Feuerwehrmanns oder in meinem Fall einer Feuerwehrfrau, die also permanent Brände löschen muss, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ob ich mich jetzt selbst so bezeichnen würde, glaube ich eher nicht. Als Oberbürgermeisterin bist du ja auch nicht allein, du hast eine große Verwaltung und viele Leute um dich herum, die dich dabei unterstützen.
heuler: Viele Artikel über Ihren Wahlsieg starten mit dem Fakt, dass Sie die erste Oberbürgermeisterin Rostocks sind. Sie selbst haben gesagt, dass von Frauen in der Politik in der Regel mehr erwartet wird als von Männern und auch die Erwartungshaltung der Rostocker:innen ist sehr hoch. Verspüren Sie einen solchen Leistungsdruck?
Eva-Maria Kröger: Ich glaube, ich persönlich bin sehr hart im Nehmen. Wir würden heutzutage sagen, ich habe eine sehr ausgeprägte Resilienz. Ich bin sehr stressfähig und kann auch mit hohem Druck sehr gut umgehen. Deswegen gehe ich auch ganz optimistisch in diese Aufgabe. Ansonsten bin ich jemand, der immer im Team arbeitet. Ich glaube, ich habe mir in den letzten Jahren viele Partnerinnen und Partner um mich herum erarbeitet. Das möchte ich gerne aufrechterhalten.
heuler:HabenSie nach Ihrer Wahl Anfeindungen bekommen?
Eva-Maria Kröger: Ja natürlich, aber die bekommt man in der Politik immer.
heuler: Zielten diese speziell auf Ihr Geschlecht ab?
Eva-Maria Kröger: Nein, aber ich glaube das liegt daran, dass ich das schon viele Jahre mache. Als ich mit Politik angefangen habe, gab es immer wieder Situationen, über die man ganz klar sagen muss, hier hatten wir es mit Sexismus oder stereotypischem Verhalten mir gegenüber als Frau zu tun. Ich glaube, das habe ich den Herren der Schöpfung in den letzten Jahren abgewöhnt. Inzwischen traut sich das niemand mehr. Würde ich auch nicht empfehlen.
heuler: Was machen Sie, wenn Sie doch einmal einen scheiß Tag hatten?
Eva-Maria Kröger: Wäre ich jetzt ehrlich, würde ich sagen, ich gieß mir ein Glas Rotwein ein, aber dann werde ich ganz schnell abgestempelt.
heuler: Dann streichen wir das wohl.
Eva-Maria Kröger: Nein, was ich gesagt habe, habe ich gesagt, damit kann ich schon umgehen. Tatsächlich entspannt mich am meisten, mit Freunden zusammen zu sitzen. Wenn ich dann auch noch einen leckeren Schluck Rotwein dazu bekomme, bin ich glücklich.
heuler: Haben Sie ein Rostocker Stammlokal?
Eva-Maria Kröger: Ja, ich bin viele Jahre ins b sieben gegangen, was hier in der Nähe des Rathauses ist. Seit geraumer Zeit gehört auch die Planbar zu meinen Stammlokalen.
heuler: Zurzeit engagieren Sie sich ehrenamtlich im Vorstand des CSD. Hören Sie damit auf, wenn Sie Oberbürgermeisterin werden?
Eva-Maria Kröger: Genau, ich bin noch Finanzerin des Christopher Street Day Vereins in Rostock. Eine Aufgabe, die ich im nächsten Jahr bedauerlicherweise abgeben muss. Das ist zeitlich einfach nicht mehr möglich. Über Weihnachten mache ich noch den Jahresabschluss, versuche den Finanzplan fürs nächste Jahr aufzustellen und die Steuererklärung für den Verein zu machen. Aber ja, für die Queere Community engagiere ich mich schon seit Jahren.
heuler: In letzter Zeit ist in der Bevölkerung eine große Politikverdrossenheit zu erkennen. Auch viele Studierende fragen sich, was Sie als Bürgermeisterin überhaupt bewirken können. Was würdenSie dem entgegnen?
Eva-Maria Kröger: Ich spüre diese Politikverdrossenheit auch seit vielen Jahren. Nicht nur als aktive Politikerin, sondern auch als Politikwissenschaftlerin ist das natürlich ein Thema, mit dem man sich sehr intensiv auseinandersetzt. Wir betreiben schon lange Ursachenforschung. Woran liegt es, dass die Leute keine Lust mehr haben und warum sind sie so frustriert? Mit den Antworten kannst du nicht umsonst ganze Bibliotheken füllen. Ein Allheilmittel gibt aber es nicht. Ich glaube, woran wir ganz massiv arbeiten müssen, sind Transparenz, Ansprechbarkeit und Glaubwürdigkeit. Wir müssen viel ehrlicher und transparenter darüber sprechen, was wir eigentlich in der Politik machen. Dabei dürfen wir nicht darauf warten, dass die Zeitung anruft und fragt, wieso, weshalb, warum. Du musst selbst aktiv offenlegen, warum du bestimmte Entscheidungen gefällt hast oder eben nicht. Daraus resultiert eine besondere Form der Glaubwürdigkeit, die wichtig ist, um wieder neues Vertrauen zu schöpfen. An der Ansprechbarkeit arbeite ich durch die Haustürgespräche schon seit vielen Jahren. Wenn ich bei den Leuten klingle merke ich zunehmend, die Leute wollen, dass wir ansprechbar sind. Klar hast du als Oberbürgermeisterin einen vollen Terminkalender und saust von einem Termin zum nächsten. Trotzdem finde ich es extrem wichtig, in die Stadtteile zu gehen und direkt ansprechbar zu sein.
heuler: Madsen erzählte nach seiner Wahl im Interview mit dem heuler von mehreren Möglichkeiten, wie Studierende im Rathaus wahrgenommen werden können. Drunter zählte er unter anderem eine Werksstudentenstelle im Rathaus oder auch ein studentischen „Demo Day“, der alle drei Monate stattfinden sollte. Haben Sie auch Pläne um die Verbindung zwischen Studierendenschaft und Rathaus auszubauen?
Eva-Maria Kröger: Ja und nein. Ich möchte Grundsätzlich, dass die Beziehung zwischen Stadtspitze und Universität sehr viel intensiver gelebt wird. Natürlich habe ich das persönlich als Landtagsabgeordnete gemacht. Als Oberbürgermeisterin möchte ich das gerne fortsetzen. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ob das nun öffentliche Veranstaltungen sind, bestimmte Projekte, die man gemeinsam plant oder aber auch das Thema Ansprechbarkeit anders zu organisieren. Wir haben das Kommunalpolitisch-akademische Forum (KaF) gegründet, weil wir eine andere Übersetzung studentischer Themen ran an die Stadtpolitik haben wollten. Das funktioniert grundsätzlich gut, hat aber bisher auf Ebene der Stadtspitze keine Rolle gespielt, was ich gerne verändern würde. Die Studierenden sind aus meiner Sicht eine extrem wichtige Einwohnergruppe in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock, die diese Stadt auch maßgeblich prägen. Ich selbst würde mir wünschen, dass Studierende wieder politischer werden, auch politisch aktiver sind, als sie das die letzten Jahre waren. Auch wenn die Gründe erklärbar sind, weshalb das bisher nicht der Fall ist. Dafür brauchst du eine andere Beziehung zwischen Oberbürgermeisterin und Studierenden. Die Wege und Formate dafür können wir gerne gemeinsam finden, da will ich nichts diktieren. Das funktioniert in der Regel nicht besonders gut.
heuler: Die Zahl der Studierenden in Rostock sinkt seit Jahren. Dem entgegengesetzt gewinnt Greifswald immer mehr Studierende dazu. Zum einen ist das ein uniinternes Problem, auf der anderen Seite hängt das sicherlich auch mit der Wohnraumsituation zusammen. Gibt es Pläne, diese Situation für die Studierenden zu verbessern?
Eva-Maria Kröger: Der Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum betrifft alle Bevölkerungsgruppen. Das betrifft junge Leute, die hier studieren oder eine Ausbildung machen wollen, gleichzeitig haben wir große Familien, die ein riesiges Problem auf dem Wohnungsmarkt haben. Zudem gibt es neue Bedarfe im Bereich der Barrierefreiheit, die wir schon seit langer Zeit nicht erfüllen können. Das ist ein Problem für uns. Wir haben als Stadt, zusammen mit den Genossenschaften und der WIRO, das Bündnis für Wohnen gegründet, um dieses Problem zu lösen. Dieses Bündnis wurde in den letzten Jahren stiefmütterlich behandelt, auch mit Blick auf die amtierende Stadtspitze. Dass sich daran etwas ändern muss, wollen wir sowie die Wohnungsgesellschaften als auch die WIRO. Dabei darf der Blick auf die Baukostenentwicklung nicht vergessen werden. Wirtschaftlich gesehen ist es gar nicht mehr möglich, ohne Fördermittel günstig zu bauen. Dafür brauchen wir landespolitische Unterstützung, allein als Kommune wird das schwierig. Wir haben in Rostock in den letzten Jahren versucht, politische Entscheidungen zu fällen, die es den Wohnungsunternehmen möglich machen, bezahlbaren Wohnen zu schaffen. Was die Kommune leisten konnte, hat sie eigentlich geleistet. Die Wohnungsbaupolitik, die Wohnungsbauförderung selbst, liegt in der Hand des Landes. Zurzeit werden die Wohnungsbaurichtlinien verändert. Jedoch fürchte ich, nicht in der Weise, wie wir es als Stadt bräuchten. Da werde ich selbstverständlich auch mit dem Land in Kontakt bleiben. Was wir als Kommune an Rahmenbedingungen schaffen können, das machen wir schon. Ich glaube, die Genehmigungsverfahren müssen schneller gehen, da wünscht sich unsere Wohnungswirtschaft auch mehr Unterstützung. Wenn es etwas gibt, womit wir den Druck relativ kurzfristig etwas lindern könnten, dann wäre das der Bau von Wohnheimplätzen. Ich weiß, dass das Studierendenwerk das nicht so gerne hört, weil sie den Eindruck haben, wir würden ihnen in ihr laufendes Geschäft grätschen. Am Ende des Tages hat eine Kommune die Pflicht, für die jungen Leute, die sich so dringend wünscht, einen Teil zur Unterbringung zu leisten und aus meiner Sicht könnten das kommunale Wohnheimplätze sein.
heuler: Sie haben gerade schon Barrierefreiheit angesprochen. Das ist auch an der Uni ein großes Problem. Muss sich die Uni darum selber kümmern, oder kann man da auch auf Unterstützung des Rathauses bauen?
Eva-Maria Kröger: Nein, da muss man ehrlich sagen, dass es ein Uni Thema ist. Ich kenne den Haushalt der zuständigen Ministerin. Der ist natürlich gnadenlos überzeichnet. Im Bereich Hochschule aber auch Kultur, den ich für meine Fraktion verwalten musste, sieht man ganz klar, dass im Thema Barrierefreiheit große Probleme bestehen. Das Gleiche trifft natürlich auch auf die Vielzahl universitärer Gebäude zu. Dass diese Herausforderungen sowohl für die Hochschule als auch für das Ministerium eine riesige Mammutaufgabe ist, dafür habe ich ehrlich gesagt Verständnis. Nichtsdestotrotz muss man sich um die Umsetzbarkeit kümmern, denn Barrierefreiheit ist keine Frage des Wollens.
heuler: In Ihrem Wahlprogramm wollten Sie neben der Hochkultur auch die Clubkultur fördern. Was kann da in der Zukunft erwartet werde?
Eva-Maria Kröger: Die Clubkultur liegt mir sehr am Herzen. Die Stadt muss sich im Bereich der Standortsicherung stärker engagieren. Während der Pandemie habe ich zu den Clubbetreibern in der Stadt eine sehr enge Beziehung gepflegt. Als Landtagsabgeordnete habe ich versucht, Hilfe möglich zu machen, damit kein Club infolge der Pandemie schließen muss. Ich glaube, mir ist auch ganz gut gelungen, im Landtag ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Clubs Teil unserer Kulturlandschaft sind. Sie machen z.B. Nachwuchsarbeit, geben der Popkultur einen Raum und vieles weiteres. Was wir als Kommune tun können ist, im Bereich Standortsicherung Unterstützung zu leisten. Wir haben in Rostock Clubs, die mehr und mehr damit zu tun haben, dass das Wohnumfeld immer dichter rückt und sich dabei zunehmend gestört fühlt. Das kann man ändern, indem du zum einen in der Stadt eine andere Mentalität implementierst. Club und Konzertkultur gehört zu einer lebenswerten Stadt dazu. Zum anderen musst du im Bereich von Baugenehmigungen, im Thema Lärmbelästigung und dergleichen, den Interessen der Clubs entgegenkommen. Auf Ebene der Bundespolitik gibt es ja mehrere Sachen, die uns eigentlich in Aussicht gestellt wurden, um Clubkultur im urbanen Raum zu sichern. Die sind bis jetzt leider noch nicht umgesetzt worden, weil die Ampel-Regierung gerade natürlich andere Probleme hat. Ansonsten glaube ich, dass es schon ein großer Mehrwert ist, wenn du eine Oberbürgermeisterin hast, die an der Seite der Clubkultur steht und den Mehrwert dieses wichtigen Kulturbausteins auch erkennt.
heuler: Es kommen in Zukunft viele Großprojekte auf Rostock zu. Darunter zählen der Neubau des Volkstheaters und das Landesarchäologische Museum. Wie will Rostock das jetzt anpacken?
Eva-Maria Kröger: Nach der Absage der BUGA hat sich die Bürgerschaft zusammen mit der Verwaltung und der Landesregierung auf eine Handvoll Projekte verständigt, die definitiv umgesetzt werden sollen. Dazu gehören die Warnowbrücke, das Landesarchäologie Museum oder auch das Warnowquartier. Eine meiner ersten Aufgaben im Januar oder Februar wird es sein, nach Schwerin zu fahren und darüber zu verhandeln, wie wir diese Projekte schnellstmöglich umsetzten können.
heuler: Wie haben Sie sich gefühlt, nachdem die BUGA abgesagt wurde?
Eva-Maria Kröger: Eigentlich denkt man, dass ich mich, als Gegnerin dieser Veranstaltung, gefreut haben müsste. Tatsächlich habe ich mich überhaupt nicht gefreut. Ich fand es nur bitter und enttäuschend. Wären wir so klug gewesen von Anfang an zu sehen, dass uns dieses Projekt als Stadt zu sehr überlastet, hätten wir uns viel Ärger ersparen können. Nichtsdestotrotz muss man fairerweise zugeben, dass die Projekte am Stadthafen ohne die BUGA-Debatte nicht durch die Landesregierung gefördert werden würden.
heuler: Sie haben sich schon häufiger gegen die Warnowbrücke ausgesprochen. Was stört Sie an dieser Idee?
Eva-Maria Kröger: Persönlich bin ich wirklich kein Fan von dieser Brücke. Jedoch bin ich Demokratin und gewählte Oberbürgermeisterin, womit klar ist, dass ich mich an Beschlüsse halte und diese dann auch konsequent umsetze. Ursprünglich wurde die Idee Bundesverkehrsministerium angestoßen. Die Brücke sollte Menschen dazu zu bewegen, die Warnow zu Fuß oder mit dem Rad zu überqueren. Schnell wurde die Warnowbrücke zu einem Antisegregationsprojekt stilisiert. Das heißt, es wurde behauptet, dass die Brücke einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, die Stadtmitte und den Nordosten, also Dierkow und Toitenwinkel, zusammenwachsen zu lassen. Nun kenne ich mich mit sozialräumlicher Spaltung, also mit Segregation, sehr gut aus, weil ich mich lange damit beschäftigt habe. Deshalb bin ich persönlich der Überzeugung, dass das Quatsch ist. Diese Brücke wird überhaupt keinen Beitrag dazu leisten, dass Menschen, die in Stadtmitte wohnen, mehr mit Menschen zu tun haben, die in Dierkow oder Toitenwinkel wohnen. Das ist meine persönliche Meinung und ich habe mir schon immer Sorgen darüber gemacht, wer eigentlich die Kosten der Brücke trägt, wenn sie dann fertig gebaut ist. So eine Brücke muss betrieben werden, das kostet jedes Jahr Geld, du musst den Bau haushälterisch abschreiben und irgendwann wird diese Brücke das erste Mal saniert werden müssen. Im Zweifel trägt die Stadt diese Kosten allein.
heuler: Hansa Rostock möchte das Ostseestadion an die Stadt verkaufen. Die Sachlage ist jedoch ziemlich undurchsichtig. Wie sieht der aktuelle Stand aus?
Eva-Maria Kröger: Der aktuelle Sachstand ist für beide Seiten kompliziert. Das Ostseestadion hat einen erheblichen Sanierungsbedarf und der Verein ist schon vor einer ganzen Weile auf die Politik zugegangen und hat ehrlicherweise mitgeteilt, dass er das alleine nicht schafft. Am Ende des Tages ist es ein Thema, mit dem wir uns als Stadt auseinandersetzen müssen und das betreiben wir auch sehr ernsthaft. Es gibt erste Gutachten, die sich angucken, wie der Sanierungsstau im Stadion ist, wie viel es am Ende des Tages kosten würde und wie wir als Stadt helfen können. An der Stelle gibt es nicht nur finanzielle, sondern auch rechtliche Probleme. Sobald die Stadt das Stadion kauft und betreibt, greift sie quasi als Monopolist direkt in den Markt ein. Das ist Europarechtlich nicht ganz einfach. Zurzeit stecken wir noch mitten im Prüfprozess. Wir wollen gerne helfen und wir sehen auch die Notwendigkeit, dass dem Verein geholfen werden muss. Aktuell wissen wir aber noch nicht, wie.
heuler: Wo wir noch beim Sport sind, jeder Bürgermeister vor Ihnen hatte einen bestimmten Lieblingsverein. Haben Sie in Rostock einen Sportverein, den Sie besonders gern unterstützen?
Eva-Maria Kröger: Nein, ich finde sowohl den Spitzensport als auch den Breitensport extrem wichtig. Rostock ist eine Sportstadt, jede vierte Rostockerin, jeder vierte Rostocker, ist in einem Verein. Das sagt viel über uns aus und ich sehe auch, dass wir den Sport infrastrukturell und personell stäken müssen. Einen Lieblingsverein habe ich aber nicht.
heuler: Die Kritik an den Erstaufnahmelagern Stern Buchholz und vor allem Horst ist gerade in diesem Jahr, durch den 30. Jahrestag der Anschläge in Lichtenhagen, wieder lauter geworden. Inwieweit kann die Stadt Rostock die Lage der Personen in solchen Erstaufnahmelagern verbessern?
Eva-Maria Kröger: Ich teile diese Kritik. Als Stadt müssen wir es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ansehen, den Menschen, die nach Rostock kommen und Hilfe brauchen, ein bestmögliches Ankommen zu ermöglichen. Es muss unsere kommunalpolitische Aufgabe sein, dass die Leute hier gut ankommen, sich sicher fühlen und ein Zuhause finden, wenn sie das möchten. Die Situation in den Erstaufnahmelagern ist natürlich überwiegend eine landespolitische Aufgabe. Als Oberbürgermeisterin der größten Stadt in Mecklenburg-Vorpommern kann ich mich in diese Debatte einbringen und unsere Sicht der Dinge darstellen. Das werde ich logischerweise auch tun.
heuler: Sie haben häufig davon gesprochen, die Stadt sozial durchmischen zu wollen. Wie sehen da die Pläne aus?
Eva-Maria Kröger: Rostock ist aus historischen Gründen sozialräumlich extrem gespalten. Genauso lange, wie es gedauert hat diesen Zustand zu etablieren, solange wird es auch dauern, ihn wieder aufzulösen. Wenn du tatsächlich etwas gegen Segregation machen möchtest, dann brauchst du einen Blumenstrauß an Maßnahmen. Das fängt bei den Schulen, Kindertagesstätten und Horteinrichtungen an. Die müssen auch im Nordosten und im Nordwesten tipptopp sein. Weiterhin geht es um die Diversität von Wohnraum. Bezahlbaren Wohnraum darf es nicht nur geballt in einzelnen Vierteln geben. Du brauchst in diesen Vierteln auch hochpreisigen Wohnraum, sowie Eigentumswohnraum. Es soll nicht so sein, dass die einen mit wenig Geld dort leben und die anderen mit mehr Geld oder bestimmten Bildungsabschlüssen an anderer Stelle. Nicht alle Menschen in Stadtmitte und KTV sind reich, da können wir uns glaube ich sicher sein. Die sozialräumliche Spaltung macht sich nicht nur am Einkommen fest, sondern oft auch an den Bildungsabschlüssen. Zudem spielt es eine sehr große Rolle, welche kulturellen, sozialen oder eben auch sportbezogenen Angebote sich in welchen Stadtteilen befinden. Was macht einen Teil so attraktiv, dass jemand Lust hat dort zu wohnen? Das ist die Frage, die sich die Stadtentwicklung sich immer stellen muss und da haben wir in den letzten Jahren gute Entwicklungen liegen lassen. Wir haben uns in der Bürgerschaft überwiegend mit Themen beschäftigt, die innenstadtrelevant sind. Dabei ist es uns in den letzten Jahren oft nicht gelungen, die Probleme der Menschen aus dem Nordosten und Nordwesten zu beachten.
heuler: Stichwort Stadtentwicklung, wann ist der Rostocker Nahverkehr kostenfrei?
Eva- Maria Kröger: Der sogenannte entgeltfreie, spricht für uns kostenlose Nahverkehr, ist eine Vision, die wir aktuell nicht erfüllen können. Das würde in Rostock ungefähr 45 Millionen Euro pro Jahr kosten und das können wir uns aktuell überhaupt nicht leisten. Ich glaube, wir müssen uns darauf konzentrieren, dass unsere RSAG (Rostocker Straßenbahn AG), die sich wirklich allergrößte Mühe gibt, die Preise nicht weiter erhöhen muss. Die Perspektive muss natürlich sein, dass es wieder billiger wird.
heuler: Wie stehen Sie zu einer autolosen Innenstadt?
Eva-Maria-Kröger: Ich war gerade nochmal für ein paar Tage in Münster und habe wieder mit Bewunderung betrachtet, wie selbstverständlich dort Menschen auf dem Fahrrad unterwegs sind und wie selbstverständlich Menschen, die im Auto sitzen, auf die Menschen, die auf dem Fahrrad sitzen, Rücksicht nehmen müssen. Es geht also irgendwie. Natürlich kann man Münster nicht mit Rostock vergleichen. Trotzdem finde ich, dass die Fahrradstadt Rostock definitiv eine neue Qualität braucht. Im politischen Raum stimmt auch eine klare Mehrheit dafür, dass Rostock eine Fahrradstadt sein soll. Dafür werden wir in den Haushaltsverhandlungen konsequent Mittel bereitstellen. Mit Blick darauf, wie unsere Stadt gebaut ist, müssen wir bedauerlicherweise feststellen, dass wir eine Autostadt sind. In Rostock gibt es viel mehr Autos, als in anderen Städten vergleichbarer Größe und es werden immer mehr. Der vermeintliche gesellschaftliche Wunsch, dass wir klimafreundlich leben und weniger Menschen ins Auto steigen, äußert sich leider nicht in Bezug auf das Autofahrverhalten der Rostockerinnen und Rostocker. Es geht nicht darum das Autofahren zu verbieten, aber es geht darum, dass wir eine gesamtgesellschaftliche Mentalität brauchen, die dem Wunsch nachhängt, dass wir uns von diesem Blechlawinen verabschieden. Während meiner Haustürgespräche der letzten Jahre fiel auf, dass der dringendste Wunsch gar nicht der Radweg, sondern neue Parkplätze sind. Wenn du dann mit den Leuten darüber sprichst, dass es doch eigentlich Ziel sein sollte, weniger Autos in der Stadt zu haben, erfolgt meistens ein Einsingen. Wenn wir aus dem Fenster gucken, sehen wir überall Blech, der den öffentlichen Raum besetzt. Um das zu ändern brauchen wir in der Stadt eine andere Mentalität.
heuler: Reichen Haustürgespräche aus, um einen Wandel in der Mentalität zu bewirken?
Eva-Maria Kröger: Wir müssen häufiger außerhalb unserer eigenen Bubble darüber reden. Wir reden über das Thema Fahrradfahren und Klimaschutz innerhalb einer bestimmten Bezugsblase. Ich glaube, dass wir als Stadtgesellschaft viel intensiver auch die anderen Stadtteile in diese Gespräche einbeziehen müssen. Wir müssen mit den Menschen dort darüber sprechen, dass ein Teil ihrer Kraft dafür beansprucht werden muss, weniger Autos in der Stadt zu haben.
heuler: Zum Schluss vielleicht noch eine persönliche Frage. Welche Gefühle stehen hinsichtlich Ihrer Zukunft im Vordergrund? Ist es eher die Vorfreude auf die kommende Aufgabe oder die Befürchtung, nicht alles umsetzten zu können, was Sie sich vornehmen?
Eva-Maria Kröger: Tatsächlich habe ich große Lust loszulegen. Ich weiß, welche Themen auf dem Tisch liegen und welche Entscheidungen demnächst anstehen. Ich freue mich wahnsinnig darüber, in diesen Debatten jetzt eine neue Rolle einnehmen zu können. Ich habe vorher auch schon an diesen Diskussionen teilgenommen. Als Oberbürgermeisterin sitze ich an einer anderen Schaltstelle und kann diese Prozesse nochmal ganz anders beeinflussen. Das ist etwas, worauf ich mich sehr freue und worauf ich große Lust habe. Ich weiß, dass in den nächsten Monaten und Jahren sehr wichtige Entscheidungen für Rostock anstehen. Wir können diese Stadt gemeinsam prägen und verändern und da kann man sich ja nur darüber freuen.