Wenn du zurückgehen könntest, wen würdest du treffen wollen?

Von Hannah Miltzow // Illustration von Steffen Dürre

Rezension zu Before the coffee gets cold von Toshikazu Kawaguchi

Wofür würdest du in der Zeit zurückreisen? Was würdest du machen? Wen würdest du treffen? Willst du etwas ändern? Würdest du auch noch zurückreisen, wenn du nichts ändern kannst? Alles so bleibt wie es ist? Lohnt sich das überhaupt? Die meisten Menschen würden an dieser Stelle wahrscheinlich „Nein“ antworten und diesen Fragen nicht weiter nachgehen. Anders als der japanische Autor, Produzent und Theaterregisseur Toshikazu Kawaguchi, der in seinem Buch Before the coffee gets cold genau dies tut. Bei dem Roman handelt es sich um die erzählerische Aufarbeitung von einem Theaterstück Kawaguchis, welches mit dem Grand Prize des Suginami Drama Festival ausgezeichnet wurde. Mit einem klassischen japanischen Schreibstil, der stellenweise etwas unbeholfen wirkt, aber auch einfach ist und in seiner Sentimentalität starke Emotionen transportiert, entführt Before the coffee gets cold uns in eine Seitengasse Tokyos, wo ein kleines Café mit dem Namen Funiculi Funicula seinen Gästen einen ganz besonderen Service bietet.

Mit dem erstmals 2015 erschienenen Buch hat Toshikazu Kawaguchi einen wunderbaren und simplen Weg gefunden, sich mit Zeitreisen auseinanderzusetzen. Aufgrund von „vielen“, in etwa fünf, Regeln, würden seine Charaktere mir in dieser Hinsicht aber wahrscheinlich nicht zustimmen: „Fumiko was already extremely annoyed with the rules she knew. The news of a further, most problematic rule threatened to snap her heart in two.”

In dem Roman geht es zwar unter anderem um Zeitreisen, aber das ist nur ein Aspekt eines größeren Ganzen, welches menschliche Empfindungen und Beziehungen fokussiert. Bei detailverliebten Umgebungsbeschreibungen, geschickten Erklärungen und lebendigen Dialogen lernt man die Charaktere und ihre Lebensumstände kennen. Sie wollen nicht wie Held:innen in einem Hollywood-Blockbuster die Vergangenheit verändern, um die Welt zu retten. Kawaguchis Charaktere sind in der Tradition des magischen Realismus normale Menschen mit normalen Problemen, die ein jeder oder eine jede von uns haben könnte. Sie reisen hauptsächlich zurück, um ein kurzes Gespräch zu führen, welches nicht einmal die Gegenwart ändern kann. Und genau das ist es, was dieses Buch so wunderschön und einfach macht. Es geht nicht darum zu ändern was ist, sondern etwas für oder über sich selbst zu lernen, was einem hilft voranzukommen und die Zukunft in die eigene Hand zu nehmen. Es ist nur ein kurzes Gespräch — solange wie der Kaffee warm bleibt.

Before the coffee gets cold ist in vier verschiedene Geschichten organisiert, die durch wiederkehrende Charaktere und den selben Schauplatz verbunden sind. Wo einige Geschichten herzerwärmend waren, haben andere mir, als sie sich entwickelten, das Herz gebrochen. Dennoch hinterließen sie immer eines: Hoffnung. So viel Hoffnung.

Anmerkung: Before the coffee gets cold ist unter dem Titel „Bevor der Kaffee kalt wird“ auch auf Deutsch erhältlich.

Titel: Before the coffee gets cold

Autor: Toshikazu Kawaguchi

Verlag: Picador / PanMacmillan

ISBN: 9781529029581

Erscheinung: 19. September 2019

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