Wie Elon Musk Populismus profitabel macht

Von David Wolf // Illustration von Josephin Bauer

Twitter, einst als eine Plattform für kurze und belanglose Nachrichten abgetan, hat sich zu einem zentralen Bestandteil meines Alltags entwickelt. Nachdem ich aufstehe, schaue ich mir erstmal die Tweets der vergangenen Nacht an. Was ist gerade in den Trends? Was wird mir empfohlen? Wer hat sich jetzt schon wieder zu einer dummen Äußerung hinreißen lassen? Ich bin nicht allein – Millionen von Menschen weltweit haben sich von der Faszination dieser Plattform einfangen lassen. Seit Elon Musk Twitter übernommen hat, befindet sich die App in einem ständigen Wandel. Oder sollte ich lieber „X“ sagen, wie Musk seine App jetzt nennen möchte?

Während der Corona-Pandemie hat sich Twitter zu einem wichtigen Sprachrohr für Wissenschaftler:innen und Expert:innen entwickelt, die an vorderster Front der Forschung und Aufklärung stehen. Die Plattform hat es Wissenschaftler:innen ermöglicht, schnell und direkt mit einem breiten Publikum zu kommunizieren, Informationen zu verbreiten und sich in Echtzeit über die neuesten Entwicklungen auszutauschen. Das sorgt natürlich für eine Transparenz, die es ohne Twitter so nie gegeben hätte. Gleichzeitig werden Informationen auf Twitter auch nur stark verkürzt dargestellt, was einen ausgezeichneten Nährboden für Populist:innen bietet [1].

Populismus zu definieren ist gar nicht so einfach. Es gibt viele Definitionen, die sich in Einzelheiten unterscheiden. Grundlegend kann gesagt werden, dass sich Populismus durch die Betonung der Interessen und Bedürfnisse des „Volkes“ auszeichnet und häufig eine Ablehnung etablierter Eliten und Institutionen mit sich bringt. Populistische Bewegungen nutzen oft einfache, emotional aufgeladene Botschaften, um breite Unterstützung zu gewinnen und politische Entscheidungen zu beeinflussen. Die populistische Erzählung dient eher dazu, ein Gefühl der Reinigung zu vermitteln und bereits bestehende Überzeugungen oder Wahrnehmungen der Öffentlichkeit zu bestätigen. Ein Populist spricht Erfahrungen an, die ähnlich funktionieren wie Horoskope und immer die Frustrationen oder Erwartungen des Publikums treffen. Populismus ist daher keine politische Ideologie, sondern bestenfalls der schnellste Weg, vereinfachte Vorschläge zu glorifizieren, die oft über demokratischen Prinzipien und Menschenrechten stehen. [2] [3]

Twitter, als eine Plattform für schnelle und öffentliche Kommunikation, hat das Potenzial, populistische Narrative zu fördern und zu verbreiten. Twitter bietet auch eine begrenzte Zeichenanzahl, was die Botschaften auf das Wesentliche konzentriert und gleichzeitig die emotionale Ansprache verstärkt. Populist:innen nutzen oft emotionale Rhetorik, um ihre Anhänger:innen zu mobilisieren und eine starke Bindung herzustellen. Die Plattform erlaubt es ihnen, Feindbilder zu schaffen und kritische Institutionen, Medien oder politische Gegner zu verunglimpfen, was das „Wir-gegen-sie“-Narrativ verstärkt.

Und was unternimmt Musk, um die Verbreitung solcher populistischen Narrative zu verhindern? Nichts, ganz im Gegenteil: Er hat die Sperrung einiger Accounts aufgehoben, die u.a. wegen populistischem Verhalten von der Plattform verbannt wurden, wie z.B. Donald Trump, Andrew Tate oder Kanye West [4]. Zudem hat er einen Weg gefunden, den Populismus profitabel zu machen. Für 11 Euro im Monat können sich Nutzer:innen jetzt Twitter Blue, bzw. X-Blue, kaufen. Die Tweets dieser Nutzer:innen werden vom Algorithmus bevorzugt und auch deren Kommentare unter anderen Tweets werden vor Kommentaren von Personen angezeigt, die den Premiumdienst nicht nutzen. Gleichzeitig erlaubt Twitter Blue, dass Nutzer:innen neuerdings ihr blaues Häkchen verstecken, welches sie bisher noch als zahlende Kund:innen identifiziert hat [5].

Meine Erfahrungen mit Twitter seit der Übernahme durch Musk sind relativ eindeutig: Negative Phänomene wie Hass, Transphobie und Rassismus scheinen sich immer weiter auszubreiten, während viele Leute die Plattform komplett verlassen. Ob das nur meine Sichtweise ist, die durch den Bestätigungsfehler verstärkt wird, kann ich nicht beurteilen. Das wäre auf jeden Fall eine weitere Untersuchung wert.

[1] https://www.zeit.de/2022/42/twitter-wissenschaft-coronavirus-melanie-brinkmann-elon-musk/seite-2

[2] https://www.scielo.br/j/bjr/a/DLF4N7SfD3KwLG35LVpcZHv/?format=pdf&lang=en

[3]https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1461444819893978?casa_token=Fdkn_NbZZlgAAAAA:5EXfNL-TLKdecVR52-DeqStbUlTKRIGt8yOsbvP5WHX9QZfsrgiVHZfVjrWtUrt3rJ2kHjWlR4fogQ

[4] https://www.independent.co.uk/tech/elon-musk-twitter-ban-trump-tate-west-b2229716.html

[5] https://help.twitter.com/en/using-twitter/twitter-blue

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