Das Problem der Bauernproteste

Von Sandeep Preinfalk // Illustration von Luca Butt

Seit einigen Wochen protestieren zahlreiche Bauern gegen den vorgesehenen Abbau von
Steuervergünstigungen beim Agrardiesel. Obwohl die Regierung mit ihren Plänen teilweise
zurückgerudert ist, nehmen die Proteste an Dynamik zu und driften verstärkt in eine
gefährliche Richtung ab.
Im November 2023 geriet die Ampel-Koalition in große Schwierigkeiten. Denn das
Verfassungsgericht erklärte ihren Nachtragshaushalt für verfassungswidrig, sodass ihr 60
Milliarden Euro für bereits geplante Klimaprojekte fehlen.[1] Folglich muss sie 2024 massiv
einsparen, um das Defizit auszugleichen. Eine Möglichkeit hierfür sah sie im Agrarsektor,
weshalb sie beschloss, Subventionen beim Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für
Landwirtschaftsfahrzeuge zu streichen. Allerdings erfuhr sie Widerstand in den eigenen
Reihen und der Opposition. Zudem protestierten unzählige Bauern gegen die Pläne der
Koalition. Infolge des steigenden Drucks gab sie schließlich nach, indem sie auf die
Streichung der Steuervergünstigungen für Landwirtschaftsfahrzeuge verzichtete und die
Aufhebung der Subventionen beim Agrardiesel über mehrere Jahre strecken will.[2]
Jedoch befriedete sie die aufgebrachten Bauern damit nicht. Sie empfinden das Vorhaben der
Regierung weiterhin für ungerecht. Überdies gehen die Forderungen der Protestierenden über
die jüngste Entscheidung der Regierung hinaus. Zum Beispiel wurde auf der Berlin-Demo
von dem Bauernpräsidenten Joachim Rukwied auch die ältere Klimapolitik der AmpelKoalition kritisiert. Außerdem schließen sich den Protesten vermehrt Menschen an, die ihre
generelle Unzufriedenheit mit der Ampelpolitik kundtun wollen.[3]

Prinzipiell sind derartige Proteste vollkommen legitim, da jederzeit Unmut und Kritik in
demonstrativer Form geäußert werden dürfen. Allerdings überschreiten die derzeitigen
Proteste zum Teil demokratische und rechtliche Grenzen. So blockieren die Bauern mit ihren
Traktoren bewusst Autobahnen und wichtige Verkehrsknoten, um den Verkehr lahmzulegen.
Zudem wurden Strohballen auf den Straßen angezündet.[4] Mit dieser Vorgehensweise wollen

die Bauern die Regierung zu einem Einlenken zwingen. Dabei stören sie aber
Rettungsdienste, behindern Menschen auf ihren Weg zur Arbeit oder bei anderen
Erledigungen und verursachen unnötige Einsätze der Polizei und Feuerwehr. Darüber hinaus
nimmt übergriffiges Verhalten in den Protesten zu. Beispielsweise warteten Protestierende auf
die Rückkehr des Wirtschaftsministers Robert Habeck von Hallig Hooge, um ihn am
Verlassen seiner Fähre zu hindern.[5] Auf der Bauern-Demo in Berlin drohte diese zu
eskalieren, als Christian Lindner auf die Bühne trat. So wurde er ausgebuht, ausgepfiffen und
es wurde mit Rauchtöpfen herumgeworfen.[6] Damit behindern die Protestierenden
einen sachlichen Austausch und rauben den Protesten ihre Legitimität. Erschwerend kommen
die vereinzelnd zu beobachtenden Galgensymbole und Todesbotschaften an die Ampel hinzu.
Wenngleich sich die Bauernverbände von solchen Extremisten und Verfassungsfeinden
distanzieren[7], müssen sie zumindest versuchen, letztere von ihren Protesten fernzuhalten
oder auszuschließen. Des Weiteren dürfen sie die Stimmung auf ihren Demos nicht zu sehr
anheizen, da dies ebensolche Inhalte und Menschen befeuert.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit die Wut der Bauern gegenüber der Ampel
gerechtfertigt ist. Denn viele Entscheidungen bezüglich der Landwirtschaft wurden in
vorherigen Koalitionen getroffen. Zudem entspringt die aktuelle Notlage der Bauern aus
mehreren Faktoren. Zum Beispiel stellen die gestiegenen Land- und Pachtpreise sowie der
Umstand, dass Supermärkte statt der Landwirte die Preise ihrer Produkte bestimmen, die
Bauern vor große Herausforderungen.[8]
Die Bauern befinden sich zweifellos in einer schwierigen finanziellen Situation und der
Abbau von Steuervergünstigungen würde diese verschärfen. Doch die Ursachen wurzeln
tiefer, weshalb sich die Landwirte auch unabhängig von der Subventionsfrage
zusammenschließen und für eine faire Bezahlung und Preisgestaltung in der Landwirtschaft
demonstrieren sollten.

1 Hempel, Klaus (tagesschau): Wie die Ampel gegen das Grundgesetz verstieß. URL:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundesverfassungsgericht-nachtragshaushalt-102.html
[16.01.2024].
2 Deutschlandfunk: Warum die Bauern auf der Straße sind. URL:
https://www.deutschlandfunk.de/bauernproteste-102.html [16.01.2024].
3 Vorreyer, Thomas (tagesschau). Sie wollen mehr. URL:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bauernprotest-demo-berlin-100.html [16.01.2024].
4 Deutschlandfunk: Warum die Bauern auf der Straße sind. URL:
https://www.deutschlandfunk.de/bauernproteste-102.html [16.01.2024].

5 Schmidt, Caroline; Scheper, Benedikt; Kluth, Lucie; Rehrmann ,Marc-Oliver (NDR): Habeck in Schlüttsiel:
Was genau ist am Fähranleger passiert? URL: https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Habeck-inSchluettsiel-Was-genau-ist-an-der-Faehre-passiert,schluettsiel108.html [16.01.2024].
6 Vorreyer, Thomas (tagesschau). Sie wollen mehr. URL:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bauernprotest-demo-berlin-100.html [16.01.2024].
7 Deutschlandfunk: Sicherheitsbehörden wollen Bauernproteste im Blick behalten – Ermittlungen wegen Galgen,
Banner und angezündeter Strohballen. URL: https://www.deutschlandfunk.de/sicherheitsbehoerden-wollenbauernproteste-im-blick-behalten-ermittlungen-wegen-galgen-banner-und-an-100.html [16.01.2024].
8 Walker, Amy (Merkur.de): Bauernprotest in Berlin: Warum die Bauern mit ihrer Wut jetzt recht haben. URL:
https://www.merkur.de/wirtschaft/bauernprotest-in-berlin-warum-die-bauern-mit-ihrer-wut-jetzt-recht-haben92776035.html [16.01.2024].

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert