Das Spiel mit der Männlichkeit

Von Hannah Miltzow // Illustration von Emma Moehrke

Wird über Drag geredet, werden die meisten an männlich gelesene, breitschultrige Menschen in bunten Kleidern, Höhenangst erweckenden Schuhen und voluminösen Perücken denken. Jedoch ist Drag um einiges vielfältiger und hat mehr zu bieten als die schillernden Drag Queens. In ihrem Schatten gibt es noch weitere mit Geschlechterrollen und Klischees spielende Performer:innen, wie Drag Kings. Ein Blick in eine oft übersehene Szene.

 

Was sind Drag Kings?

Drag Kings sind vermehrt Personen, denen das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, jedoch kann wie bei anderen Dragformen jede:r als einer auftreten. Der Auftritt ist ein wichtiger Punkt bei der Definition, da die Kings bei künstlerischen Performances bzw. Shows eine oder mehrere Arten von Maskulinität präsentieren oder parodieren. Dafür bedienen sie sich stereotypischen Geschlechtsmerkmalen, die mithilfe von Stimme, Musik, Körpersprache, Schminke, Bartkleber, Kleidung und mehr dargestellt werden. Mithilfe von Tape werden die Brüste abgebunden. Außerdem wissen die Künstler:innen ganz genau, wohin sie Schatten schminken müssen um einen kantigeren Kopf oder einen muskulöseren Brustkorb zu präsentieren[1]. Bei der Performance geht es den Drag Kings nicht nur um Spaß an der Sache, sie treten auf, um ihre eigene Identität auszudrücken und die Konstrukte der Geschlechter zu demonstrieren und somit Gender-Normen zu hinterfragen. In den Shows wird vielfältigen Kunstformen nachgegangen, zeigt ein King sich als Comedian und Kabarettist, wird der nächste mit Live-Gesang, Lip-Syncing oder Luftakrobatik das Publikum begeistern. [2] [3] [4]

 

Im Schatten der Drag Queens

Von der Drag Szene sind bunte Drag Queens unweigerlich die bekanntesten. Traditionellerweise handelt es sich um Männer, die in ein feminines Alter Ego schlüpfen, jedoch wäre das eine zu starre Beschreibung, so performen ebenfalls Transfrauen als Drag Queens. Spätestens mit RuPauls Drag Race bekamen die Queens eine öffentlichkeitswirksame Plattform und erfreuen sich wachsender Popularität. Anderen Drag Künstler:innen fehlt es an einer vergleichbaren Aufmerksamkeit, weswegen Drag Kings vor allem in queeren Underground- und Szeneclubs ihrer Kunst nachgehen. Dabei gibt es sehr berühmte Beispiele für Drag Kings: Die Sängerin Cher bedient sich hin und wieder dieser Kunstform und auch Lady Gaga hat ein männliches Alter Ego namens Jo Calderone.

Neben Drag Kings sind sogenannte Drag Quings, die genderneutralen Drag nachgehen und Bio Kings und Queens, die ihr bei der Geburt zugeschriebenes Geschlecht darstellen, ebenfalls fast nur im Untergrund ohne massentaugliche Plattform vertreten. Es kommt tatsächlich sogar innerhalb der Drag Szene zu Diskriminierung untereinander: RuPaul hat sich lange geweigert Transfrauen in der eigenen Reality TV Show auftreten zu lassen und meint, dass Drag seinen Sinn für Ironie verlieren würde, wenn keine Männer der Kunstform nachgehen. An dieser Aussage lässt sich ein großes Problem von Drag erkennen: Aufgrund von Marginalisierung und Sexismus werden gewisse Formen nicht als „echter“ Drag anerkannt. Dies geht so weit, dass selbst in LGBTQIA+ Zirkeln die Existenz der Drag Kings nicht bewusst ist. Als eine Ursache weswegen, spezifisch Drag Kings vergleichsweise unbekannter sind, wird neben Sexismus ebenfalls Frauenfeindlichkeit vermutet. [5]

 

Mehr als eine Parodie

Die Drag King Szene ist, wie Drag allgemein es lange war, nach wie vor im Underground und politisch. Drag ist eine Performance die als solche logischerweise unterhält, aber das ist, wie bereits erwähnt, nicht die Motivation dahinter. Drag begehrt gegen Strukturen auf, äußert Gesellschaftskritik. Der Drag King Alexander Cameltoe bezeichnet die Szene als einen Ort, wo Punk noch richtig lebt. Indem von den Queens sehr starke Weiblichkeit imitiert wird oder die Kings mit Formen von Männlichkeit spielen, zeigen Drag Künstler:innen, dass Geschlecht lediglich eine Performance ist.[6] Sei es männlich oder weiblich, dahinter stecken nur Vorstellungen verschiedener Menschen. Bei Geschlechtern handelt es sich um soziale Konstrukte, die durch Drag verdeutlicht, entlarvt und aufgelöst werden[7]. Es ist eine konservative Ansicht, dass es zwischen Mann und Frau eine eindeutige Grenze gibt. Sich „männlich“ oder „weiblich“ verhalten kann jede:r. Mit diesen Performances können bestehende Strukturen kritisiert werden, gibt sich ein Drag King in seiner Rolle als toxisch männlich, verdeutlicht dies auch, was an derartigem Verhalten falsch ist. Leider machen die Performer sich damit nicht nur Freunde, Morddrohungen und als pervers beschimpft zu werden stellen keine Seltenheit dar. Die Abneigungen stehen wie so häufig unter dem Deckmantel des Kindesschutzes, da Drag, so das Argument konservativer Rechten, zur Frühsexualisierung beiträgt. [8] Dabei wäre es doch vor allem gegenüber Kindern schön, die Botschaft zu vermitteln, dass sie so sein können wie sie sind und sich nicht um Rollenzuschreibungen Gedanken machen müssen.

 

Vielfalt

Was genau Drag Kings darstellen ist so vielfältig wie die Männerwelt selbst. Toxische Männlichkeit, Macho-Getue und Klischees liegen natürlich nahe, dennoch gibt es ebenso Performer, die das Gegenteil zeigen: süße, weichere Männerfiguren oder solche die sexy und selbstbewusst sind. Somit beantworten Drag Kings große gesellschaftliche Fragen, bspw. wie nichttoxische Männlichkeit überhaupt aussehen kann. [9] Aber auch wenn toxische Maskulinität präsentiert wird, handeln die Kings feministisch. Machtstrategien werden aufgedeckt und das Patriarchat kritisiert, indem sich über die Stereotype lustig gemacht und sie vorgeführt werden. Bei einer Performance wird dem Publikum damit geholfen Label zu vergessen, was die Kernessenz von Drag darstellt: das Brechen von Regeln.[10]

 


 

[1] Hüchtker, J. (2023, 29. August). Wann genau ist ein Mann ein Mann? ZEIT Nr.36/2023 https://www.zeit.de/2023/36/dragking-alexander-cameltoe-geschlechterbild 

[2] Queer Lexikon e.V. (2017, 15. Juni). Drag King. https://queer-lexikon.net/2017/06/15/drag-king/ 

[3] Sauer, A. (2018). Drag King. In:  LSBTIQ-Lexikon. Grundständig überarbeitete Lizenzausgabe des Glossars des Netzwerkes Trans*Inter*Sektionalität. Bundeszentrale für politische Bildung.. https://www.bpb.de/themen/gender-diversitaet/geschlechtliche-vielfalt-trans/500912/drag-king/ 

[4] Wellinger, R. (2023, 11. Juni). Drag King: Alles, was du über den coolen Kerl und die androgyne Beauty der LGBTQIA+-Community wissen musst. GLAMOUR. https://www.glamour.de/artikel/drag-king 

[5] Wellinger, R. (2023, 11. Juni). https://www.glamour.de/artikel/drag-king 

[6] Hüchtker, J. (2023, 29. August). https://www.zeit.de/2023/36/dragking-alexander-cameltoe-geschlechterbild 

[7] Wellinger, R. (2023, 11. Juni). https://www.glamour.de/artikel/drag-king 

[8] Hüchtker, J. (2023, 29. August). https://www.zeit.de/2023/36/dragking-alexander-cameltoe-geschlechterbild 

[9] Hüchtker, J. (2023, 29. August). https://www.zeit.de/2023/36/dragking-alexander-cameltoe-geschlechterbild 

[10] Wellinger, R. (2023, 11. Juni). https://www.glamour.de/artikel/drag-king 

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