Ein Interview mit dem Studiendekan der Juristischen Fakultät Prof. Dr. Jörn Lüdemann
Von Hannes Goerke // Illustration von Emma Moehrke
Und was studierst Du?
Diese Frage wird einem Studenten im Verlauf seines Studiums auf jeden Fall früher oder später einmal gestellt. Während sich der Fragende unter Humanmedizin oder Lehramt im Normalfall sofort etwas vorstellen kann, ist das bei „Good Governance“ regelmäßig nicht der Fall. Man schaut dann erstmal in ein verdutztes Gesicht und gerät bei dem Versuch den Studiengang genauer zu beschreiben ein wenig in Erklärungsnot. Man kann es den Leuten aber nicht verübeln, denn Good Governance ist als Studiengang einzigartig und wird in dieser Form nur in Rostock angeboten. Was mich jedoch vor allem motiviert hat diesen Beitrag zu schreiben, ist der Umstand, dass selbst an der Universität Rostock der Studiengang eher unbekannt ist. Zwar wissen die meisten Studierenden der Universität Rostock, dass es überwiegend um rechtliche Inhalte geht, dann hört es aber auch schon wieder auf.
All dem möchte ich entgegenwirken und habe dazu den Studiendekan der Juristischen Fakultät der Universität Rostock, Herrn Professor Dr. Jörn Lüdemann, interviewt. Als Good Governance-Experte kann er wohl am besten über den Studiengang informieren und ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Herr Lüdemann ist Studiendekan und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschafts- und Medienrecht, Rechtstheorie und Rechtsökonomik an der Juristischen Fakultät und somit in der Lehre und Forschung tätig.
Aber dazu nun mehr:
Bitte stellen Sie sich kurz vor, Herr Lüdemann!
„Gerne. Ich bin seit 2017 an der Juristischen Fakultät in Rostock tätig. 2016 habe ich mich an der Universität Bonn habilitiert. Das Angebot einer anderen Universität, an der ich danach im Anschluss ein Jahr als Hochschullehrer tätig war, habe ich abgelehnt und bin stattdessen an die Universität Rostock gekommen. Es gefällt mir hier nach wie vor hervorragend. Nicht zuletzt die Lehre an unserer Fakultät macht mir große Freude.“
Was sind Ihre Aufgaben in Ihrer Position als Studiendekan?
„Als Studiendekan ist man im Dekanatsteam für alle Studienangelegenheiten zuständig, also zum Beispiel für die Sorgen und Nöte der Studierenden oder die organisatorischen Fragen der Studienordnung. Zugleich bin ich in dieser Funktion auch als Vorsitzender unseres Prüfungsausschusses tätig.“
Wie würden Sie den Studiengang Good Governance einem Außenstehenden beschreiben?
„Unser Studiengang „Good Governance – Wirtschaft, Gesellschaft, Recht“, wie er offiziell heißt, lässt sich vielleicht mit unserem neuen Werbeslogan ganz gut auf den Punkt bringen: „Mehr als Recht.“. Wir machen mehr als Recht, weil wir eine sehr gute juristische Bildung bewusst mit vertieften Einblicken in Nachbarwissenschaften wie die Ökonomie, die Politikwissenschaft oder die Geschichte verbinden. Und das ist auch überaus sinnvoll. Denn das Recht regelt ja sämtliche Bereiche des menschlichen Zusammenlebens, von der Familie über Vereine und die
Wirtschaft bis hin zum Staat und die Staatengemeinschaft. Wenn das Recht aber in all diese Bereiche hineinregiert, dann ist es unbefriedigend, von diesen Bereichen gar nichts zu verstehen, sondern sich allein auf das Recht zu konzentrieren. Mit unserem interdisziplinären Ansatz machen wir zugleich mit einer Forderung ernst, die seit langem erhoben wird, die im klassischen Jurastudium aber bislang keinen wirklichen Niederschlag gefunden hat.“
Wem oder welcher Personengruppe würden Sie empfehlen Good Governance zu studieren?
„Der Studiengang ist für alle etwas, die Freude daran haben, in verschiedene gedankliche Welten einzutauchen, sich mit immer wieder neuen Fragen zu beschäftigen sowie Probleme und Konflikte zu lösen. Die Fähigkeit, das Wissen aus verschiedenen Kontexten zu kombinieren, wird auch für unsere Arbeitswelt immer wichtiger. Man braucht fraglos auch weiterhin die spezialisierten Juristinnen und Juristen des Examensstudiengangs. Man braucht aber immer mehr auch junge Menschen, die mehr können als Jura: in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in den Verbänden oder den Nichtregierungsorganisationen.“
Welche Vorteile sehen Sie in dem Studiengang Good Governance im Vergleich zum klassischen Studiengang Rechtswissenschaften?
„Neben den inhaltlichen Reizen, von den ich gerade sprach, bietet unsere Fakultät zum einen ein herausragendes Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden. Unsere Kurse, auch die Vorlesungen, sind keine Massenveranstaltungen, sondern hier hat man die Möglichkeit, wirklich miteinander in Kontakt zu treten, fachlich wie menschlich.
Zum anderen gibt es bei uns auch das nicht, was die Studierenden des klassischen Jurastudiums am meisten kritisieren: Dass am Ende alles von der finalen Examensprüfung abhängt. Bei unserem Bachelorstudiengang erfolgen die Prüfungen überwiegend zum Abschluss eines jeden Semesters. Und die Gesamtnote des Studiums errechnet sich aus all diesen Prüfungen. Damit wird das vermieden, was viele Jurastudierende am meisten fürchten und erheblichen Stress auslöst, nämlich bei der alles entscheidenden Prüfung am Studienende zu versagen, wie das im klassischen Jurastudium leider häufiger der Fall ist. Dann steht man nach Jahren des Studiums ohne Abschluss da. Das passiert bei uns aufgrund der entzerrten Prüfungen nicht in gleicher Weise.“
Gibt es Nachteile am Studiengang Good Governance (im Vergleich zu Rechtswissenschaften)?
(Lacht) „Selbstverständlich nicht. Welche Antwort erwarten Sie von mir als Studiendekan? Nein, im Ernst: Ich sehe keinen wirklichen Nachteil unseres Studiengangs. Nur sollte man sich vielleicht klar machen, dass „Mehr als Recht“ nicht bedeutet, dass das Studium trivial wäre. Auch noch in andere Wissenschaften hineinzuschnuppern, ist nicht weniger anspruchsvoll als ein klassisches Jura-Studium, sondern einfach anders und verlangt vielleicht manchmal auch sogar etwas mehr Neugier. Da die beiden Studiengänge ganz anders ausgerichtet sind, lässt sich nicht sagen, dass der eine besser oder schlechter ist.
Am besten wäre es, wenn unsere traditionsreiche Rostocker Fakultät beide Studiengänge anbieten könnte. Wer nach dem Studium von Good Governance die Neigung verspürt, der sollte sich bei uns auch in kurzer Zeit auf das juristische Examen vorbereiten können, das den Weg in die „klassischen“ juristischen Berufe wie etwa Richterin, Staatsanwalt oder Rechtsanwältin eröffnet. Dafür mache ich mich seit langem mit anderen gemeinsam stark. Nicht, weil wir als Fakultät mit unserem Studiengang unzufrieden oder nicht ausgelastet
wären. Das Gegenteil ist der Fall. Aber angesichts des wirklich besorgniserregenden Mangels an sog. Volljuristinnen und Volljuristen in Mecklenburg-Vorpommern sorge ich mich um die Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaats, auf den unser Gemeinwesen in keinem Sektor verzichten kann. Die Entscheidung dafür muss allerdings die Politik treffen. Aber ich bin auch insoweit Optimist: Die bessere Einsicht muss sich irgendwann durchsetzen. Wenn nicht heute, dann morgen.“
Vielen Dank Herr Lüdemann, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben.
Ich hoffe, dass sich nun der ein oder andere Leser etwas mehr unter dem Studiengang Good Governance vorstellen kann und ich in Zukunft in weniger verdutzte Gesichter blicken werde.
Hier wäre ein Transparenzhinweis hilfreich gewesen, dass der Autor am Lehrstuhl von Professor Lüdemann arbeitet. Mir fällt es zudem schwer, dieses sehr einseitige Interview als journalistischen Beitrag zu sehen. Ein nuancierter, recherchierter Artikel der v.a. auch studentische Meinungen einbezieht und den Studiengang im Kontext des Juristinnenmangels und der wissenschaftspolitischen Entwicklungen MVs betrachtet, wäre wertvoller als diese Lobeshymne.
Liebe Absolventin,
vielen Dank für dein Feedback.