Von Sandeep Preinfalk // Illustration von Emma Moehrke
Die Europawahlen 2024 sind vorbei und brachten einige Überraschungen hervor. Während in manchen EU-Ländern rechtspopulistische Parteien große Erfolge feierten, konnten sich in anderen Mitgliedstaaten linke Kräfte durchsetzen. Im Ganzen lässt sich jedoch ein Rechtsruck ablesen, der Europa vor neue Herausforderungen stellt.
Letzten Sonntag fanden die Europawahlen 2024 statt. In Deutschland konnten sich dabei die CDU und CSU zusammen mit etwa 30 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft behaupten. Die AfD erlangte mit nahezu 16 Prozent den zweiten Platz. Darauf folgen die SPD (13,9 Prozent), die Grünen (11,9 Prozent), die FDP (5,2 Prozent), das BSW (6,2 Prozent) und Die Linke (2,7 Prozent). Mit einem Stimmenzuwachs von beinahe 5 Prozent geht die AfD als klarer Gewinner hervor, wohingegen die Grünen und die Linke mit großen Stimmenverlusten als Verlierer gelten.[1] Die SPD hielt ihre Stimmenabnahmen zwar in Grenzen, blieb aber hinter ihren Erwartungen. Das BSW hingegen zeigte große Erleichterung und Zufriedenheit mit seinem Wahlergebnis.[2]
Die Wahlergebnisse spiegeln die schwierige Stimmungslage innerhalb der deutschen Bevölkerung wider. Denn zum einen demonstrieren die hohen Stimmenverluste der Regierungsparteien das Misstrauen sowie die Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition. Zum anderen offenbaren die Stimmengewinne der AfD, dass sie trotz vorheriger Skandale (Vorwürfe gegen Spitzenkandidat Maximilian Krah, CORRECTIV-Recherche zu Remigrationsgesprächen in Potsdam) eine zunehmende Zahl an Wählenden zu mobilisieren vermag. Überdies deutet der Aufstieg der AfD auf wachsende euroskeptische Einstellungen in bestimmten Bevölkerungsteilen hin, da sich die Aussagen der Partei hinsichtlich einer gescheiterten und nicht reformierbaren EU[3] kaum mit einer Unterstützung derselben in Einklang bringen lassen.
Doch auch in anderen EU-Staaten konnten rechtspopulistische Parteien große Erfolge verbuchen. In Frankreich etwa erreichte Marine Le Pen mit ihrer euroskeptischen Partei Rassemblement National doppelt so viele Stimmen wie Macrons pro-europäisches Lager und sicherte sich somit mit großem Abstand den ersten Platz.[4] Jedoch gelang es einigen EU-Staaten, sich gegen den rechten Vormarsch zu behaupten. Beispielsweise obsiegten in den skandinavischen Ländern Dänemark und Schweden pro-europäische Kräfte, während dort rechtsorientierte Parteien Stimmen einbüßten.[5]
Insgesamt legten rechtspopulistische und eurokritische Parteien aber an Plätzen im EU-Parlament zu. Dies könnte den zukünftigen Zusammenhalt zwischen den EU-Ländern sowie das Verfolgen gemeinsamer Ziele gefährden. Zudem drohen von Rechtspopulisten regierte EU-Länder, politische Entscheidungen und Maßnahmen der EU zu behindern. Dies verdeutlicht Ungarn, das von der rechtspopulistischen Fidez-Partei regiert wird und Beschlüsse wie die Gewährung umfassender Finanzhilfen für die Ukraine blockierte, obwohl die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten diese billigte.[6]
Mit Blick auf Deutschland illustriert die Europawahl die zu erwartenden Resultate in den kommenden Landtagswahlen und insbesondere in der Bundestagswahl 2025. Sowohl die Ampelkoalition als auch wir müssen dieses Warnsignal ernst nehmen. Denn entgegen der Meinung vieler Menschen stellt die AfD keine demokratische Alternative für Deutschland dar.[7] Zwar ist angesichts steigender sozialer Ungleichheit, politischer Fehlentscheidungen und anderer Probleme wachsender Unmut nur allzu verständlich, doch begründet dies nicht automatisch das Ausweichen auf die AfD. Denn neben den Altparteien stehen auch mehrere Kleinparteien zur Wahl, denen man stattdessen seine Stimme geben könnte. Darüber hinaus existieren andere Möglichkeiten wie Demonstrationen oder Kundgebungen, mit denen Unzufriedenheit geäußert und Veränderungen erwirkt werden können. AfD-Wählende sollten sich daher gründlich mit dem Programm und den Forderungen ihrer Partei beschäftigen und sich fragen, ob sie ihre Interessen tatsächlich am besten vertritt und den einzigen Ausweg bietet. Womöglich kann das noch junge BSW hier Abhilfe schaffen. Ihr erstes Wahlergebnis unterstreicht schließlich ihr Mobilisierungspotential, das sie in zukünftigen Wahlen entfalten könnte. Ob dies als Chance oder vielmehr Gefahr zu betrachten ist, lässt sich momentan schwerlich einschätzen. Ungeachtet dessen sollten die Regierungsparteien insoweit ihre Streitigkeiten ablegen und mit der Opposition zusammenarbeiten, dass sie die drängenden Fragen in Deutschland zu lösen und ein weiteres Vordringen der AfD zu verhindern vermögen.
[1] Lpb Baden-Wütternberg (2024): Europawahl 2024 – Vorläufige Ergebnisse: https://www.europawahl-bw.de/europawahl-2024-ergebnis [11.06.2024).
[2] MDR (2024): Union gewinnt Europawahl – AfD im Osten vorn: https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/europawahl-ergebnisse-ostdeutschland-afd-gewonnen-100.html [11.06.2024].
[3] AfD (2023): Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 10. Europäischen Parlament (Präambel): https://www.afd.de/wp-content/uploads/2023/11/2023-11-16-_-AfD-Europawahlprogramm-2024-_-web.pdf [11.06.2024].
[4] Tagesschau (2023): Macron löst Parlament auf und kündigt Neuwahlen an: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/macron-parlament-neuwahlen-100.html [11.06.2024].
[5] Büscher, Gudrun (Berliner Morgenpost) (2024): Viele Länder trotzen Rechtsruck – Überraschung in Slowakei: https://www.morgenpost.de/politik/article242545282/Viele-Laender-trotzen-Rechtsruck-Ueberraschung-in-Slowakei.html [11.06.2024].
[6] Tagesschau (2024): Ungarn blockiert weitere EU-Hilfen für die Ukraine: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-gipfel-ukraine-ungarn-102.html [11.06.2024].
[7] Warum die AfD eine Gefahr für die Demokratie darstellt, wurde im Artikel Die AfD – Eine Gefahr für die Demnokratie? der letzten Heftausgabe des heulers erläutert. Werft daher gerne einen Blick ins letzte Heft.