Einleitung und Fragen von Karl Hoffmann // Illustration von Emma Moehrke
Sabrina Repp ist 25 Jahre alt und in Tessin im Landkreis Rostock geboren und aufgewachsen. Sie hat bereits eine beeindruckende politische Laufbahn absolviert, ist unter anderem seit 2021 Büroleiterin bei dem Landtagsabgeordneten Julian Barlen, seit 2023 Vorstandsmitglied der Europa-Union MV und am 9. Juni 2024 über die SPD-Bundesliste in das Europäische Parlament eingezogen. Studiert hat sie im Bachelor Politikwissenschaft an der TU Dresden und im Master Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Area Studies an der Uni Rostock. Wir wollten gerne mehr über sie erfahren und haben ihr deshalb ein paar Fragen zur Beantwortung zugeschickt.
Sie hat dem NDR und der Ostseezeitung schon diverse Interviews gegeben, das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat sie nach Brüssel begleitet und auch für das heulermagazin hat sie sich nun die Zeit genommen. Seht hier ihre Antworten:
Vielen Dank für die Glückwünsche zur Wahl ins Europäische Parlament. In der Tat ist es für mich eine sehr aufregende Zeit, wo ich versuche mein Bestes für die Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern zu geben und sie gut zu vertreten. Zu den Fragen:
heuler: Was war dein erster Gedanke, nachdem du erfahren hast, dass du einen Sitz im Europäischen Parlament errungen hast?
Am Wahlabend waren wir als SPD mit einem Wahlergebnis konfrontiert, das nicht zufriedenstellend sein kann. Dieses Ergebnis war ein klarer Denkzettel für die Politik der Bundesregierung und macht deutlich, dass viele Menschen sich von der aktuellen Politik im Bund nicht mitgenommen fühlen. Zeitgleich freue ich mich natürlich künftig die Bürger*innen Mecklenburg-Vorpommerns als junge, weibliche Abgeordnete vertreten zu dürfen und werde dafür mein Bestes geben. Aus diesem Grund waren meine Gedanken am Wahlabend gespalten. Mir ist es ein großes Anliegen, dass wir den Rechtsruck in Deutschland, Europa und weltweit aufhalten und insbesondere mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern unsere Kräfte bündeln und alles daransetzen, dass die AfD nicht stärkste Kraft wird. Dennoch haben Kommunal- und Europawahlen deutlich gemacht, dass das kein einfacher Kampf wird.
heuler: Wie sieht jetzt dein Alltag aus nach der Wahl?
Die kommenden Monate werden so aussehen, dass ich die Hälfte der Woche in Brüssel verbringe und den anderen Teil in Mecklenburg-Vorpommern. Ich stelle mein Team und die Bürostrukturen für beide Orte auf und versuche mich im Parlamentsbetrieb zurechtzufinden. Am 16. Juli findet dann die konstituierende Sitzung des Parlamentes in Straßburg statt, auch dort müssen Vorkehrungen getroffen werden. Neben regelmäßigen Rücksprachen in der SPD-Gruppe und der S&D- Fraktion, arbeite ich mich in Themenfelder ein, wo ich voraussichtlich die Ausschussarbeit in den kommenden Jahren prägen werde.
heuler: Wie kamst du zur Politik (welche Themen/Ereignisse) und was brachte dich nun bis ins Europäische Parlament?
Meinen Blick auf Politik prägen bis heute meine Eltern. In meiner Familie hat die Friedliche Revolution für einschneidende Veränderungen gesorgt. Meine Mutter konnte ihre gelernte Tätigkeit als Gärtnerin nicht mehr fortführen – was folgte war Langzeit-Arbeitslosigkeit, ABM, 1€-Job und nicht zuletzt Kettenbefristung als Reinigungskraft. Schon früh lernten meine Schwester und ich daher, was es bedeutet aufs Geld zu achten, auf Dinge zu verzichten und Verantwortung für uns und unsere Familie zu übernehmen. Meine Familie steht dabei exemplarisch für viele Familien, insbesondere im Osten. Mich hat mein familiärer Hintergrund dazu veranlasst, nicht einfach abzuwarten bis die Probleme gelöst werden, sondern ich entschied aktiv für meine Ideen und Meinung einzustehen, mich zu engagieren und vor allem wollte ich immer Verantwortung dafür übernehmen anderen Menschen in ihrer Lebenswelt von politischer Seite zu helfen.
Bevor ich in die Partei kam, engagierte ich mich daher lange als Schülersprecherin, im Kreisschülerrat, im Sportverein und in der Kirche.
Das erste Mal kam ich dann zu den Jusos Rostock mit 14 Jahren – dort haben mich insbesondere Themen der Migrations- und Asylpolitik bewegt – insbesondere 2015 war es geboten Position für Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft zu beziehen. Bei den Jusos Rostock versuchte meinen Beitrag für ein gerechtes Europa zu leisten. Für mein Bachelorstudium der Politikwissenschaft zog es mich zunächst aus M-V weg nach Dresden, wo ich 3,5 Jahre verbrachte. Für mein Masterstudium „Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Area Studies“ kam ich dann vor 3,5 Jahren zurück nach M-V und lebe auch nach meinem Abschluss in Rostock.
Als Tochter eines Malers und einer Reinigungskraft, als erste in der Familie, die Abitur und ein Studium absolviert hat, weiß ich, was es heißt, wenn deine Zukunft vorherbestimmt zu sein scheint, dir immer wieder Türen zugehalten werden und du immer mehr geben musst als viele andere. Unsere Welt bietet dabei nicht allen die gleichen Chancen – wichtig ist es an dieser Stelle Verantwortung für all jene zu übernehmen, die es eben schwerer haben – nicht nur bei uns hier vor Ort, sondern weltweit. Das hat mich auch dazu veranlasst für das Europäische Parlament zu kandidieren, denn zahlreiche Herausforderungen werden nicht mehr auf nationaler Ebene gelöst werden, sondern brauchen eine starke Europäische Union, die auf diese Herausforderungen solidarische Antworten gibt und deutlich macht, dass wir für all jene da sind, die die Auswirkungen unserer veränderten Welt am stärksten spüren.
heuler: Welche Themen liegen dir für das Europäische Parlament besonders am Herzen?
Die Europawahlen haben deutlich gemacht, dass insbesondere die Verteidigung unserer Demokratie, ein friedvolles und freiheitliches Zusammenleben, das soziale Gerechtigkeit impliziert, von besonderer Relevanz für viele Menschen ist. Darum muss das neue Europäische Parlament zentrale Antworten auf diese Themen und Herausforderungen geben. Nur wenn wir es schaffen unsere Demokratie, Frieden und Freiheit in Europa zu erhalten, können Themen, wie eine faire Bezahlung, Geschlechtergerechtigkeit oder eine solidarische Verteilung geflüchteter Menschen so umgesetzt werden, dass wir auch künftig gern in einem Europa, das reale Lösungen für diese Themen anbietet und diese nicht instrumentalisiert, um Hass und Hetze zu verbreiten.
heuler: Worauf freust du dich am meisten in den nächsten 5 Jahren?
Ich freue mich sehr darauf aktiv an der europäischen Gesetzgebung mitzuwirken und etwas Positives insbesondere für die Menschen zu bewegen, die es ohnehin schwerer in unserer Gesellschaft haben, um ihnen die gleichen Teilhabechancen zu ermöglichen.
heuler: Vielen lieben Dank für deine Zeit!