von Joanna Fackendahl // Illustration von Luca Butt
Blut, Gewalt und Mord – Horrorfilme: Für die einen sind sie purer Nervenkitzel, für die anderen ein Albtraum, den man freiwillig nie erleben würde. Doch was steckt dahinter, dass so viele Menschen es lieben, sich freiwillig zu gruseln? Welche psychologischen Prozesse spielen dabei eine Rolle, und was passiert eigentlich mit uns, wenn wir einen Horrorfilm schauen?
Der Reiz des Unbekannten und des Verbotenen
Horrorfilme sprechen ein tief in uns verwurzeltes menschliches Bedürfnis an: die Neugierde. Schon immer haben Menschen das Unbekannte gefürchtet, aber gleichzeitig auch eine Faszination dafür entwickelt. Schon Höhlenmalereien zeigten Jagdszenen und gefährliche Tiere, die einerseits bedrohlich, aber andererseits faszinierend waren. Heute sind Horrorfilme eine moderne Form dieser Auseinandersetzung mit dem Unbekannten.
Außerdem werden in Horrorfilmen oft Tabus gebrochen und gesellschaftliche Grenzen überschritten. Indem wir diese in einer sicheren Umgebung, wie auf der Couch oder im Kinosessel, erleben, können wir das Verbotene auf kontrollierte Weise erkunden. Es erlaubt uns, in eine Welt einzutauchen, die uns im echten Leben verschlossen oder gefährlich wäre, ohne dabei reale Konsequenzen fürchten zu müssen.
Adrenalin und Dopamin – Unser Gehirn auf Hochtouren
Ein zentraler Grund, warum Menschen Horrorfilme schauen, liegt in der biologischen Reaktion des Körpers. Angst ist ein natürlicher Mechanismus, der uns in gefährlichen Situationen zum Überleben verhelfen soll. Wenn wir Angst empfinden, schüttet unser Körper Adrenalin aus. Dieses Hormon versetzt uns in Alarmbereitschaft: der Puls beschleunigt sich, der Blutdruck steigt, und unsere Sinne werden geschärft.
Bei einem Horrorfilm erleben wir diese Reaktion, obwohl wir wissen, dass wir uns in keiner echten Gefahr befinden. Dieser Mix aus realem körperlichen Erleben und der Sicherheit der Situation kann für viele Menschen äußerst befriedigend sein. Außerdem setzt der Körper bei einem Schockerlebnis Dopamin frei, das sogenannte „Glückshormon“. Für manche fühlt sich dieser Kick so gut an, dass sie Horrorfilme wie eine Achterbahnfahrt genießen: Nervenkitzel pur, aber in einem geschützten Rahmen. Dass Dopamin freigesetzt wird, zeigt auch etwas anderes auf: Angst und Freude sind nicht so weit voneinander entfernt, wie wir glauben.
Die Psychologie des Horrors – Verarbeitung und Kontrolle von Angst
Ein weiterer Grund, warum viele Menschen Horrorfilme mögen, liegt in ihrer Funktion als Ventil für eigene Ängste. Die Filme erlauben es uns, uns mit tief sitzenden Ängsten auseinanderzusetzen – sei es die Angst vor dem Tod, vor Verlust oder vor dem Unbekannten. Indem wir uns diesen Ängsten auf der Leinwand stellen, können wir sie in einer kontrollierten Weise erleben und verarbeiten.
Auch das Gefühl der Kontrolle spielt eine wichtige Rolle. Während uns die Welt in Horrorfilmen mit irrationalen Bedrohungen konfrontiert, wissen wir stets, dass wir jederzeit den Fernseher ausschalten oder das Kino verlassen können. Diese „Pseudo-Kontrolle“ hilft uns dabei, unsere eigenen Ängste besser zu verarbeiten und uns mit Themen zu befassen, denen wir im echten Leben eher aus dem Weg gehen.
Die Angst, die wir bei Filmen erleben, kann uns aber auch dabei helfen in realen Situationen geeigneter mit Negativem umgehen zu können. So sollen laut einer Erhebung von 2021 Menschen die regelmäßig Horrorfilme sehen, besser mit der psychischen Belastung der Corona-Pandemie zurechtgekommen sein. [1]
Die Rolle der Gemeinschaft – Warum Horrorfilme zusammen mehr Spaß machen
Horrorfilme schauen wir oft nicht alleine, sondern in der Gruppe, wie mit Freunden im Kino oder bei einem gemütlichen Filmabend. Das Gemeinschaftserlebnis verstärkt die Wirkung des Films, denn Angst ist ein stark soziales Gefühl. Wenn wir mit anderen Menschen zusammen gruseln, teilen wir die emotionale Erfahrung und können sie intensiver erleben. Manchmal hilft es auch, sich in der Gruppe weniger verletzlich zu fühlen. Außerdem lassen sich angsteinflößende Szenen gemeinsam besser ertragen, und das Lachen nach einem Schreckmoment wirkt beruhigend.
Horrorfilme bieten eine spannende Möglichkeit, uns mit den dunkleren Seiten unserer Psyche auseinanderzusetzen. Sie triggern unsere Urängste, belohnen uns mit Dopamin und Adrenalin und erlauben uns, uns in einer sicheren Umgebung dem Unbekannten und Verbotenen zu stellen. Ob allein oder in der Gruppe: Der Horror auf der Leinwand hilft uns, die reale Welt und unsere eigenen Ängste besser zu verstehen und macht dabei auch noch eine Menge Spaß.
Für einige mag Horror zu viel sein, aber für andere ist es genau der Nervenkitzel, der uns zeigt, dass wir am Leben sind.
[1] Lisa, L. (2023, 27. Oktober). Spaß am Gruseln: Warum wir gerne Horrorfilme schauen. National Geographic. https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2023/10/spass-grusel-warum-wir-gerne-horrorfilme-schauen-angst-psychologie#:~:text=Blut%2C%20Schockmomente%2C%20brutale%20Killer%3A,gesellschaftlich%20eine%20wichtige%20Rolle%20spielen.