Harris vs. Trump: Was steht für MV auf dem Spiel?

Von Karl Hoffmann // Illustration von Luca Butt

Die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA hält nicht nur die 50 Bundesstaaten, sondern auch weite Teile der restlichen Welt in Bann – auch Mecklenburg-Vorpommern. Denn wer am Ende ins Weiße Haus zieht, könnte auch für unseren Alltag bedeutende Konsequenzen haben. Welche genau das sein könnten, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Am Morgen des 6. November werden wohl die meisten gespannt die Nachrichten checken. Wird der Republikaner Donald Trump oder die Demokratin Kamala Harris die Wahl gewonnen haben? Wie knapp wird es?

Für unerwartete Ergebnisse sind die US-Wahlen bekannt: Vielen dürfte noch die vorletzte Wahl 2016 in Erinnerung sein. Niemand glaubte damals ernsthaft an einen Sieg von Trump – die Umfragen sahen einen deutlichen Vorsprung bei seiner demokratischen Kontrahentin Hillary Clinton. Im Laufe der Wahlnacht des 08.11. färbten sich dann jedoch mehr und mehr Bundesstaaten im Rot der Republicans – Trump gewann schließlich. [1]

Auch bei der bevorstehenden Wahl könnte es knapp werden: Die letzten Umfragen sehen Harris bei 49 %, Tendenz sinkend, und Trump bei 48 %, Tendenz steigend. Aufgrund des Wahlsystems sind allerdings die Ergebnisse in den 50 Bundesstaaten entscheidend. Auch dort deuten zwar die Umfragen auf einen Sieg von Kamala Harris hin – jedoch sind in den sogenannten „Swing States” die prognostizierten Mehrheiten denkbar knapp. [2] Das Ergebnis ist also bisher nicht wirklich vorherzusagen. Der Historiker Allan Lichtman erwartet dennoch einen Sieg von Kamala Harris – bei den letzten zehn Präsidentschaftswahlen lag er immerhin richtig. [3]

Weshalb interessieren wir uns für die US-Wahlen?

Sicher haben die US-Wahlen einen hohen Unterhaltungswert. Donald Trump landet regelmäßig viral gehende Videoclips mit seinen Sprüchen – sogar seine rassistischen Botschaften kann er TikTok-tauglich kommunizieren, wie: „In Springfield they’re eating the dogs, the people that came in.” [4] Von Präsident Joe Biden sind vor allem die Videos bekannt, in denen er vom Fahrrad fällt oder Kauderwelsch von sich gibt – was beinahe schon unterhaltsam wäre, würde es nicht Bidens schlechten Gesundheitszustand aufzeigen. Er wurde dann Ende Juli als Kandidat abgelöst: Die zwei neuen, Kamala Harris und ihr „running mate“ Tim Walz, präsentieren sich bisher weitestgehend als nice guys des intellektuellen Establishments. Harris wäre die erste Frau im Oval Office, zudem mit Migrationshintergrund. Sie gibt sich aber betont amerikanisch: So habe sie als Studentin bei McDonalds gearbeitet – etwa jede:r achte Amerikaner:in hat dort auch schon gearbeitet. [5] Und sie besitze eine Waffe, mit der sie auf Einbrecher:innen schießen würde – was sie in der Oprah Winfrey Show zum Besten gab. [6]

Doch die US-Wahlen haben vor allem eine hohe Bedeutung für die künftigen transatlantischen Beziehungen – was das deutsche Interesse an den Wahlen noch viel stärker begründen dürfte. Im Folgenden dazu drei Aspekte mit den Positionen aus den Wahlprogrammen der Republicans und Democrats (Weblinks unter dem Text):

1. Außenhandel

Die USA waren 2023 kaufkraftbereinigt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, hinter China – mit einem Bruttoinlandsprodukt von unglaublichen 27 Billionen US-Dollar, also etwa dem 5-fachen von Deutschland. [7] Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Exportnation und Uncle Sam der wichtigste Handelspartner: 2023 verkaufte Deutschland Waren im Wert von 156 Mrd. Euro in die USA und erzielte allein dort einen Exportüberschuss von 63 Mrd. Euro. [8] In Deutschland arbeitet, allgemein betrachtet, etwa jede:r vierte Arbeitnehmer:in für den Export. [9]

Auch für Mecklenburg-Vorpommern waren die USA das wichtigste Exportland: Waren im Wert von 962 Mio. Euro gingen vergangenes Jahr dorthin. [10] Dazu hat MV eine große Zulieferindustrie, die indirekt vom Export abhängig ist: In der hiesigen Autozulieferindustrie arbeiten z.B. aktuell etwa 5000 Arbeitnehmer:innen in 100 Unternehmen. [11]

Was sagen die US-Parteien zur Wirtschaft?

Republicans:

  • Trump möchte The Greatest Economy in History. Er meint, wie in seiner ersten Amtszeit, der Welthandel falle zuungunsten der USA aus. Deshalb sollen mit dem Reciprocal Trade Act Zölle von 10 bis 20 % auf alle ausländischen Waren erhoben werden. [12] Das dürfte Exporteur:innen wie Deutschland und MV beeinträchtigen.
  • Die Republicans möchten die USA zum größten Öl- und Gasproduzenten der Welt machen, dafür sollen Einschränkungen bei der Gasförderung aufgehoben werden. Volkswirtschaftlich betrachtet könnte das die Gaspreise in Deutschland senken – und die Einfuhrzölle etwas ausgleichen. Mit der Forderung einher geht dabei allerdings der erneute Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und den Emissionsreduktionszielen der Biden-Administration.
  • Die erste Trump-Administration lockerte laut New York Times die Regulierungen der Finanzmärkte – auch solche, die aus gutem Grund nach der Finanzkrise 2008 eingeführt wurden. Das aktuelle Wahlprogramm sieht ebenfalls das Streichen von Regulierungen vor. Steht uns also die nächste Finanzkrise made in USA bevor?

Democrats:

  • Die Biden-Administration war stärker an transatlantischer Zusammenarbeit interessiert. Allerdings ist die Gas- und Energiefrage eines der belastendsten Themen in den US-amerikanisch-deutschen Beziehungen. Bis heute ist die Sprengung der Nordstream-Pipelines 2022 nicht vollständig aufgeklärt – eine Aktion, die von Warnemünde aus durchgeführt wurde. [13]
  • Die Demokratische Partei steht eher für eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte, auch als Schutz der Bürger:innen im Finanzhandel.
  • Der „Inflation Reduction Act” (IRA) war das bekannteste Programm der Biden-Administration. Dieser fördert mit über 700 Mrd. Dollar die US-Wirtschaft. Im aktuellen Wahlprogramm der Demokraten steht, dass dadurch mehr Anreize für private Investitionen geschaffen wurden als unter Trump – über 870 Mrd. Dollar private Investitionen sollen durch den IRA getätigt worden sein. Bestimmte Produktgruppen, wie Elektroautos, müssen in den USA endmontiert worden sein, damit die Konsument:innen Geld über den IRA erhalten. Dies benachteilige laut Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) deutsche Unternehmen und könne zu Unternehmensabwanderungen in die USA führen – der IRA verstoße gegen Welthandelsregeln. [14]

Die USA sind der wichtigste Handelspartner Deutschlands – entsprechend hat die Ausrichtung der US-Wirtschaft Einfluss auf die hiesige Wirtschaft. Die US-Wahlen sind auch beim Klimaschutz richtungsweisend – mit Folgen für alle Länder der Erde.

2. NATO-Militärallianz 

Russland gefährdet weiterhin die Länder der EU und der NATO. Viele Expert:innen, wie der Militärhistoriker Sönke Neitzel, halten die deutsche Bundeswehr nicht für verteidigungsfähig – umso mehr ist Deutschland auf Militärbündnisse angewiesen. [15]

Auch der Ostseeraum ist gefährdet – zum Beispiel die Infrastruktur auf dem Grund der Ostsee. Deshalb wurde Ende Oktober 2024 in Rostock ein neues Hauptquartier der deutschen Marine mit NATO-Beteiligung eingeweiht. [16]  In der ZDF-Mediathek gibt es den Clip „Russische Spionage in der Ostsee”. Es wird darin deutlich, weshalb eine verstärkte Marinepräsenz in der Ostsee notwendig ist: Russische „Forschungsschiffe” seien häufig rund um Offshore-Windparks und Gaspipelines zu finden, weshalb der Verdacht besteht, es werde ausgespäht – das soll unterbunden werden. [17] 

Republicans:

  • Trump bezeichnete die NATO einst als obsolet. [18] Er will die finanziellen Hilfen für die Ukraine und die US-Mitgliedschaft in der NATO auf den Prüfstand stellen. Im Wahlprogramm der Republicans steht, dass geopolitische Stabilität in Europa durch Stärke hergestellt werden soll – was genau damit gemeint ist, bleibt offen – es kann alles bedeuten.
  • Trump ist bis heute der Meinung, dass europäische NATO-Mitglieder zu wenig für die Bündnisverteidigung ausgeben. Deutschland gibt 2024 jedoch erstmals mehr als 2 % des Bruttoinlandsprodukts dafür aus. Länder wie Kanada, Spanien und Portugal liegen darunter. Insgesamt werden die NATO-Staaten dieses Jahr wohl etwa 1,5 Billionen US-Dollar an Militärausgaben haben. [19] Die USA hatten dabei 2023 die weltweit höchsten Militärausgaben – mit 916 Mrd. US-Dollar. [20]

Democrats:

  • Kamala Harris wirbt für eine aktive Rolle der USA in der NATO. Sie war für den Beitritt Schwedens und Finnlands in das Bündnis. Zudem möchte sie die Ukraine weiterhin finanziell unterstützen.

Wie die USA ist Deutschland in die NATO eingebunden. In Kooperation mit den Mitgliedstaaten wird, auch vom neuen Marinehauptquartier Rostock aus, versucht, im Ostseeraum die Sicherheit zu gewährleisten – das ist notwendig, weil laut Medienberichten Russland Unterseekabel und Offshore-Windparks sabotieren könnte. Als größte Militärmacht der Welt haben die USA einen sehr großen Einfluss auf die NATO – die Wahl in den USA ist entsprechend entscheidend für die zukünftige strategische Ausrichtung der Bundeswehr.

3. USA als Vorbild für die Welt

Ein Text in der Politischen Vierteljahresschrift kam im November 2023 zu dem Schluss, dass sich die in den USA stattfindende Polarisierung zunehmend überall auf der Welt zeigt. [21] Das könnte durchaus zutreffen: Die Republicans fordern zum Beispiel in ihrem Wahlprogramm das „größte Abschiebungsprogramm in der amerikanischen Geschichte” – das ähnelt stark den Remigrationsforderungen der AfD.

Die CDU Heilbronn forderte vor einiger Zeit eine Dönerläden-Obergrenze [22] – rechtlich vielleicht möglich, aber klingt doch skurril – es klingt nach etwas, das auch aus dem Trump Lager kommen könnte.

Die Tendenz zur Polarisierung könnte sich auch in der Landespolitik und der Kommunalpolitik in MV fortsetzen – die USA also politischer Trendsetter sein.

Die USA sind die älteste noch bestehende Demokratie der Erde. Viele kulturelle und wirtschaftliche Trends von dort beeinflussen uns in Deutschland – vor allem die Polarisierung der politischen Sphäre in den USA und die, durchaus von beiden Parteien, drastische Sprache im Wahlkampf, beginnt sich zunehmend auch hierzulande einzuschleichen. Da die USA der wichtigste Handels- und militärische Bündnispartner Deutschlands sind, sind die US-Wahlen von immenser Bedeutung für die deutsche Politik.

Die Bundesrepublik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA beim wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau unterstützt – unsere heutige Demokratie haben wir auch den USA zu verdanken. Wir tun gut daran, die Beziehung zu den USA wertzuschätzen. Bei wichtigen zukünftigen Projekten, wie Nordstream, sollte auf Absprachen mit den USA gesetzt werden. Jedoch ist auch klar: Beide US-Parteien werden wirtschaftlich stärker den Vorteil der USA suchen – entsprechend muss auch Deutschland eigene Interessen im Blick behalten.


Wahlprogramme der Democrats und Republicans

Interaktive Karte – US-Wahlergebnisse seit 2012:

Das Wahlsystem in den USA:


Quellen:

[1] https://www.bpb.de/fsd/karte-us-wahl/?t=20210301, Zugriff: 23.10.2024.

[2] https://www.nytimes.com/interactive/2024/us/elections/polls-president.html, Zugriff: 23.10.2024.

[3] https://www.nzz.ch/international/der-prognostiker-allan-lichtman-sagt-einen-sieg-fuer-kamala-harris-voraus-ld.1847523, Zugriff: 23.10.2024.

[4] https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/viraler-hit-the-kiffness-donald-trump-eating-the-cat-ohio-springfield-100.html, Zugriff: 23.10.2024.

[5] https://www.handelsblatt.com/politik/international/usa-die-neue-alte-allianz-zwischen-kamala-harris-und-mcdonalds/100060243.html, Zugriff: 23.10.2024.

[6] https://www.spiegel.de/ausland/kamala-harris-spricht-ueber-ihren-waffenbesitz-und-verraet-wann-sie-schiessen-wuerde-a-5f0486b6-5dda-4ceb-9b11-c7c12c7a8de1, Zugriff: 23.10.2024.

[7] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36918/umfrage/laender-weltweit-nach-bruttoinlandsprodukt/, Zugriff: 23.10.2024.

[8] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157575/umfrage/deutsche-ausfuhrueberschuesse-nach-handelspartnern-2009/, Zugriff: 23.10.2024.

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/10/PD24_N053_51_42.html, Zugriff: 23.10.2024.

[9] https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/globalisierung/52842/deutschland-aussenhandel/, Zugriff: 23.10.2024.

[10] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1209672/umfrage/wichtigste-exportlaender-mecklenburg-vorpommern/, Zugriff: 23.10.2024.

https://www.laiv-mv.de/static/LAIV/Abt4.Statistisches%20Amt/Dateien/Publikationen/Statistisches%20Jahrbuch/Aktuell%20nach%20Kapiteln/17%20Aussenhandel.pdf Zugriff: 23.10.2024.

[11] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/trump-euro-kurssturz-dollar-100.html, Zugriff: 23.10.2024.

[12] https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/wm/Wirtschaft/Industriebranchen/Automobilzulieferindustrie/, Zugriff: 23.10.2024.

[13] https://www.spiegel.de/politik/nord-stream-sprengung-sabotagekommando-bestand-aus-ex-agenten-und-zivilen-tauchern-a-362eb112-4b20-4849-941b-31a3b4f89ebb, Zugriff: 23.10.2024.

[14] https://www.dihk.de/de/themen-und-positionen/inflation-reduction-act-der-usa-92844, Zugriff: 23.10.2024.

[15  https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/bundeswehr-verteidigung-pistorius-interview-neitzel-100.html, Zugriff: 23.10.2024.

[16] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157935/umfrage/laender-mit-den-hoechsten-militaerausgaben/, Zugriff: 23.10.2024.

[17] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ostsee-hauptquartier-in-rostock-russland-bestellt-deutschen-botschafter-ein-a-5dbfe87c-d0b2-48d9-9390-acce13ee7823, Zugriff: 23.10.2024.

[18] https://www.arte.tv/de/videos/115177-000-A/putins-schattenkrieg-russische-spionage-in-der-ostsee/, Zugriff: 23.10.2024.

[19] https://www.phoenix.de/trump-revidiert-nato-bewertung-a-118137.html, Zugriff: 23.10.2024.

[20] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/nato-verteidigungsausgaben-106.html, Zugriff: 23.10.2024.

[21] Pickel, Gert / Pickel, Susanne: A God Gap Driving a Revolution from Conservative to the Far Right in the United States – With Significance for Europe?, in: Politische Vierteljahresschrift 65 (2023), S. 311-338.

[22] https://www.focus.de/panorama/welt/gutachten-machts-moeglich-zu-viele-buden-cdu-fordert-doener-obergrenze-in-heilbronn_id_260318070.html, Zugriff: 23.10.2024.

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