Less Tolerant? – Diskriminierung in Rostocker Club

von Vanessa Stöter // Illustration von Luca Butt

Die Clubszene Rostock treibt eine Kontroverse um, die zunehmend mehr Aufmerksamkeit generiert. Im Zentrum dessen steht das LT, der seit Jahrzehnten viel besuchte Club von Studierenden, Azubis und anderen Feierwütigen Rostocks. Darunter war bis vor kurzem auch Nicolás, ein Mann, der jüngst am Eingang des Clubs von den Türstehern abgewiesen wurde, da er keinen deutschen Pass vorweisen konnte. Neben Nicolás berichten weitere Leute verschiedener Altersgruppen, Hautfarben und Geschlechtsidentität von ähnlichen Erfahrungen. Wir haben mit einer Studentin gesprochen, die einen solchen Fall miterlebt hat. Sie bittet darum, anonym bleiben zu dürfen, doch spricht sich deutlich zum Thema Diskriminierung in Deutschland aus: “Über dieses Thema muss berichtet werden. Bei Rassismus gibt es kein ‚zu viel‘. Es ist erst genug, wenn auch die Erfahrungen enden.”

Nach dem Posting von Nicolás regnete es Diskussionen. Einerseits solidarisierten sich Studierende mit dem Betroffenen und reposteten Inhalte zur Thematik in Story, Status und Co., andererseits werden politisch vorgeprägte Vorwürfe gegen Menschen ohne deutschen Pass angeheizt.

Am 07.01.2025 erschien prompt eine Stellungnahme des LT auf dem Instagram Account des Clubs. Unter der Überschrift “Party für Alle” sprechen sich die Betreibenden für ihre Werte aus: “Offenheit, Respekt und Toleranz unabhängig von Herkunft, Religion oder Hintergrund.” Die geschilderte Situation sei “unglücklich” verlaufen und habe intern Konsequenzen nach sich gezogen. In dem Versuch, eine Erklärung hinzuzufügen, folgt die Aussprache für zukünftige Maßnahmen. Begründet werden diese in gehäuft auftretenden Belästigungen und/oder Gewaltdelikten diverser Clubbesucher:innen (unabhängig des Passes). Jenen soll allgemein konsequenter entgegengetreten werden, um “ein sicheres und entspanntes Feiern für alle zu gewährleisten”. Der Beitragstext endet mit der Positionierung: “Wir stehen für Vielfalt und entgegen jeder Form von Intoleranz.” Seither werden auf dem Account überwiegend Werbebeiträge zu Themenabenden und neuen Veranstaltungen hochgeladen. Die Debatte sorgt jedoch weiterhin für Gesprächsbedarf.

Am 22. Januar 2025 folgte ein Posting auf dem Instagram Account des AStA. Darin wird im Namen des Studierendenrates sowie der AStA Mitglieder gesprochen. Der StuRa forderte den Club auf, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und eine ausführlichere Stellungnahme sowie konkrete Maßnahmen samt Aufarbeitung der Geschehnisse in die Wege zu leiten. Die Zutrittsverweigerungen werden auch hier wörtlich als “diskriminierende Praktiken” eingestuft. Bis auf weiteres werde an Fachschaftsräte appelliert, alternative Locations für Veranstaltungen anzufragen. Die Reaktion der Studierenden darauf fiel gemischt aus, einige Studierende entscheiden sich nach wie vor für den Besuch der etablierten Partylocation, während andere den Club meiden. Unter Feierfreund:innen wurde zudem deutlich, dass auch eine gewisse Skepsis, Vorsicht und Unsicherheit das Thema begleite. Es gehe aktuell vermehrt um explizit politische Themen auf den verschiedenen Plattformen, was zum einen vorteilhaft als auch bedrückend auf die Menschen hinter den Smartphones, Tablets und Laptops wirken kann.

Im Kampf gegen Rassismus sind Plattformen wie Instagram unabdingbar für Aktivismus geworden, so auch in Rostock. Den Effekt beschreibt Édouard Louis, ein international bekannter Schriftstiller, der sich bevorzugt durch die Beteiligung an öffentlichen sozialkritischen Debatten beteiligt, in einem Interview wie folgt: “Sie [die sozialen Medien] erlauben Gegendiskurse zu dem, was im medialen Raum sonst zugelassen ist, auch wenn das ziemlich entgleisen kann… Sie ermöglichen eine Gegenmacht zum medialen Raum, und im Kampf gegen den Rassismus in den Vereinigten Staaten haben wir gesehen, wie wichtig das ist.”

Woher weiß man jedoch, ob ein Diskurs “entgleist”, wie Louis es nennt? Im Zuge einer offenen Beitragsumfrage unter Studierenden der Universität Rostock sprachen sich verschiedene Personen zu der Thematik aus und brachten Input, Einblicke und eigene Erfahrungen ein, um den Diskurs zu beleben. Darunter war die Beschreibung der Resignation: “Ich würde gerne Solidarität zeigen, doch drehen wir uns irgendwann im Kreis, weil wir immer dasselbe sagen und niemand zuhört, den es betrifft” insbesondere, wenn die Transparenz um die Folgen in der Luft hängen bleibt und die betroffenen Konfliktparteien ausharren, statt sich aktiv zu zeigen. Die Stille um das LT lässt folglich nur mutmaßen, ob tatsächliche Schritte der Aufarbeitung getätigt wurden und werden. Dabei ist nicht allein das Einleiten von präventiven Maßnahmen für die Zukunft notwendig. Der Beitrag einer Person, die selbst bereits Angestellte in einem Rostocker Club war, warnte vor einer vorschnellen Verurteilung von Mitarbeitenden. “Wenn du an der Bar arbeitest, kannst du ja zum Beispiel nichts für das Verhalten der Türsteher. Wir sollten spezifisch dort nachhaken, wo das Eintrittsverbot ausgesprochen wird, statt jetzt wilde Schuldzuweisungen umherzuschicken.” Zumal die Türstehenden nicht immer direkt von den Clubs eingestellt werden, sondern auch durch eine unabhängige Firma, die jeweils Angestellte für verschiedene Clubs stellt. Laut Aussage einer ehemaligen Türsteherin sei in dem Zuge zu beachten, dass nicht unbedingt die Hausordnung Ursache der vorgefallenen Situationen sei. Insbesondere nach dem Posting des Clubs.

Auch die Verfasserin dieses Artikels spricht sich für die Aufarbeitung aus. In dem Zusammenhang von “unglücklichen” Situationen oder “Missverständnissen” zu sprechen, kann durchaus als fahrlässig eingestuft werden. Zwar ist ein Shitstorm gegen Mitarbeitende nicht der Weg, doch leuchtet es ein, das Haus, in dessen Rahmen es zu den Zurückweisungen kam, zur Handlung aufzufordern. Alina Sulfrian, die zu dem Zeitpunkt AStA-Vorsitzende, unterstrich im Statement des bereits erwähnten Instagram Beitrags: “Unsere Studierendenschaft steht für Weltoffenheit, Toleranz und Vielfalt. Solange der LT-Club das nicht lebt, gibt es keine Basis für Zusammenarbeit.” Hierbei liegt die Betonung auf das Wort “lebt”. Nicht die Frage, wer schuldig ist für die Diskriminierung steht im Zentrum, sondern die Schadensbegrenzung der betroffenen Personen – seien sie Teil der Studierendenschaft der Uni oder nicht.

Die Prävention von Brüchen der vertretenden Werte ist unumstritten notwendig, doch dürfen Bemühungen um Reparaturen nicht außer Acht gelassen werden. Debatten wie diese zeigen, dass die Behandlung von marginalisierten Personengruppen noch immer von fehlender Sensibilität geprägt ist. Tupoka Ogette macht in ihrem interaktiven Werk “EXIT RACISM” darauf aufmerksam, wie tief verwurzelt u.a. rassistische Narrative in Deutschland sind. Davon könne sich keine Person ausnehmen. Wir sind in wiederholt reproduziertem Gedankengut sozialisiert worden. Auch wenn kein böser Wille hinter einer Aussage oder Tat steckt, kann sie rassistisch sein. Die Annahme es gäbe die “bösen Rassist:innen” und jene, die Teil eines Missverständnisses seien, zeugt von Ogettes Sinnbild des Happylands. Die Wahrnehmung privilegierter Menschen ist durch blinde Flecken geprägt. Man wähnt sich, ein “guter Mensch” zu sein, denn ganz im Sinne der Tugendethik müsse auch ein böser Wille mit einer moralisch verwerflichen Tat einhergehen. Dabei können doch auch Handlungen, die von den Ausführenden als “normal” verstanden werden, rassistisch geprägt sein. “Ich hab’s nur gut gemeint” und trotzdem verletzt es Menschen. Auch die Verfasserin dieses Textes kann sich von derartigem Gedankengut nicht ausnehmen. Happyland betrifft uns alle. Zur weiterführenden Lektüre mit dem Thema Rassismus empfehlen sich neben Tupoka Ogettes „EXIT RACISM” weitere Sachbücher zur vertiefenden Lektüre. Bühne frei für Betroffene. Wir müssen ihnen besser zuhören. Auch wenn das manchmal wehtut und mit Verantwortung verbunden ist.

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