Von Janne Döscher / Foto: Janne Döscher
Die Studierendenvertretung der Uni Rostock kämpft seit Monaten mit sich selbst. Nächtliche Gremiensitzungen, Umgehung der eigenen Vorschriften und vergiftetes Klima in den Strukturen setzen AStA und StuRa zunehmend zu. Am 15.10.25 startet die neue Legislatur der Studierendenvertretung mit der Konstituierung des neuen Studierendenparlaments (StuRa) und den folgenden AStA-Wahlen. Aber schafft die Studierendenvertretung den Neustart oder wird der Kampf mit sich selbst fortgeführt?
Ausgangslage: Streit, Überforderung und Kampf mit sich selbst
Unsere Betrachtung beginnt mit dem Ergebnis der StuRa-Wahlen. Mit dem Wahlergebnis zum neuen Studierendenparlament wird der Grundstein für die neue Studierendenvertretung gesetzt. Im Artikel „Wahlbeteiligung im freien Fall – Studierendenvertretung in der Krise?“ vom 25. Juli 2025 haben wir die StuRa-Wahlen umfangreich betrachtet. Die Auswirkungen der Wahlen sind zusammengefasst eher negativ. Die Wahlbeteiligung fällt um mehrere Prozentpunkte und verbleibt nur knapp über 10 %. Daneben sinken die Kandidierendenzahlen für den neuen StuRa, weshalb es zum Start schon weniger Mitglieder und weniger Nachrücker*innen für die Plätze gibt. Die Vorzeichen für den neuen StuRa sind damit erstmal nicht rosig – vielleicht rosig mit Dornen. Aber noch haben wir Juli 2025 und es sind noch knapp vier Monate bis zur neuen Legislatur. Die Hoffnung ist, dass man mit dem bisherigen Team noch gut das Ende bestreiten kann.
Diese Hoffnung entpuppt sich als ein fadenscheiniger Traum. Die Studierendenvertretung wird in den Monaten von Juli bis Oktober von massiven Problemen überschattet. Es beginnt mit der fehlenden Transparenz gegenüber den eigenen Studierenden. Die Studierenden werden über zentrale Probleme nicht informiert und können sich selbst nicht informieren, da die Protokolle der StuRa-Sitzungen seit August nicht veröffentlicht wurden. Wir waren auf einigen StuRa-Sitzungen und hören von fehlenden Geldmengen im AStA-Büro, leere Kassen und Überforderung im AStA.
Das Problem der leeren Kassen beschreiben wir im neuen Heft Nr. 139 mit einem umfangreichen Artikel – also schnell zu den Aufstellern mit den neuen Heften. Die Studierendenvertretung muss sparen und das in großen Summen. Die Auswirkung sind so weit spürbar, dass Finanzanträge von Fachschaftsräten zur Unterstützung von bspw. Veranstaltungen abgelehnt oder nur teilweise gefördert werden. Das ist nur eine Maßnahme, um die leeren Kassen zu bekämpfen.
Mit der Reform der Struktur der Studierendenvertretung – also der Reform der AStA- und Mitarbeitenden-Struktur – sollen zwei Fliegen mit einer Klappe erwischt werden. Die Reform soll die größten Ausgabeposten AStA und Mitarbeitende absenken und gleichzeitig die Überforderung im AStA abbauen und nachhaltig verhindern. Über mehrere Monate wurde an der neuen Struktur im Strukturausschuss gearbeitet. Auf den Gremiensitzungen wurden viele Stunden damit verbracht, die Struktur neu zu gestalten. Diese komplexe und zeitintensive Arbeit mündet in einem Kompromiss, den man mit der Regierungsfähigkeit der Ampel vergleichen kann: Ein Kompromiss, der allen passt und nicht auf nachfolgende Generationen schaut.
Im Ergebnis wird nämlich der AStA von 14 auf weiterhin 13 Referate verkleinert. Die Aufwandsentschädigungen, die alle Referierenden erhalten, werden verändert, bewirken aber nur marginale Einsparungen. Es wird zwar detailliert über Aufgabenbeschreibungen diskutiert, aber es fehlt die Diskussion über die Finanzierung der Struktur in den nächsten Jahren. Die Studierendenvertretung muss und möchte sparen, finanziert sich aber wieder einen ausgiebigen AStA – Anspruch und Realität klaffen auseinander.
Studierendenvertretung zerrissen
Als wäre das noch nicht genug Problem wird die Zusammenarbeit in der Studierendenvertretung von Meinungsverschiedenheiten stark belastet. Exemplarisch berichten wir über zwei Sachverhalte, die starke Konflikte hervorrufen. Zum einen kippt die Stimmung bei der Einhaltung von selbst gesetzten Fristen. Alle AStA-Referierenden müssen einen Monatsbericht über ihre Tätigkeiten beim StuRa einreichen, dafür gibt es eine feste Frist. In der vorlesungsfreien Zeit kommt es nun dazu, dass Referierende teils einige Tage die Frist überschreiten. Eigentlich folgt auf diese Überschreitung die Kürzung der Aufwandsentschädigung. Es folgt aber eine mitunter heftige Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Regel und den Umgang mit den Referierenden. Die Anschuldigungen sind manchmal so persönlich, dass es verletzende Züge annimmt. Detaillierter können wir nicht werden, da wir ansonsten ein Einspruch zur Veröffentlich befürchten müssen – die Sitzungen finden teils intern und hochschulöffentlich statt. Im Ergebnis sollen die Referierenden trotz der Fristüberschreitung die volle Entschädigung erhalten – Regeln gelten wohl nur für Andere. Zum anderen ziehen sich Spannungen bei vielen weiteren Themen durch die Studierendenvertretung und zeigen die Zerrissenheit zwischen AStA und StuRa. Der AStA meldet Überforderung und beschuldigt den StuRa wenig dagegen zu unternehmen, im StuRa kochen die Emotionen regelmäßig gegenüber dem AStA und seiner Geringschätzung an den StuRa hoch.
Die Gremiensitzungen werden zu einem regelrechten Pulverfass. Die Emotionen entladen sich anfangs bei internen Sitzungsteilen, dann aber auch in hochschulöffentlichen Sitzungsteilen – wie uns Gremienvertreter*innen bestätigen. Was bleibt, sind Verbitterung, Resignation und vor allem wenig Ergebnis für die Studierenden unserer Universität. Die Inhalte der Gremiensitzungen sind geprägt von internen Strukturdebatten, Finanzierungsproblemen, Problemen in der Verwaltung und der Überforderung der eigenen Struktur. Nur wenige Projekte für die Studierenden schaffen es auf die Tagesordnung. Die Monate vergehen und im Oktober sehen wir nach dem Besuch der vielen Sitzungen einen ausgebrannten AStA und eine Studierendenvertretung, die im endlosen Kampf mit sich selbst gefangen ist.
Neustart oder Absturz?
Mit dem Beginn einer neuen Legislatur kann eine Studierendenvertretung neue Energie und neue Kraft sammeln, um die Probleme zu überwinden. Trotzdem ragen die großen Finanzierungsprobleme und das fehlende Engagement in den studentischen Gremien stärker über die neue Legislatur als in der Vergangenheit. Die Resignation ist in Gesprächen mit studentischen Vertreter*innen zu spüren.
Der Neustart beginnt mit der ersten StuRa-Sitzung am 15.10.2025. Auf dieser Sitzung kommt der neue StuRa zusammen und muss ein neues Präsidium wählen. Zwei Personen werden aus dem StuRa selbst als Vorsteher*innen gewählt. Kommt es nicht zur Wahl, ist die Sitzung gescheitert und wird abgebrochen. Zwei Tage vor der Wahl gibt es noch keine Bewerbungen für das StuRa-Präsidium. Droht die Handlungsunfähigkeit?
Ein kleiner Silberstreif kommt bei den AStA-Wahlen. Wird ein neues StuRa-Präsidium gewählt, kommt es gleich zu den verpflichtenden Wahlen zum AStA-Vorsitz, der AStA-Geschäftsführung und dem Referat für Finanzen. Ohne diese Personen ist die Studierendenvertretung ebenfalls handlungsunfähig. Für den AStA-Vorsitz gibt es eine Bewerbung vom amtierenden Vorsitzenden Max. In seiner Bewerbung (die nur hochschulöffentlich vorliegt) untermauert er unsere Analyse von Überforderung, Belastung, Streit und fehlender Präsenz auf dem Campus. Er möchte die Probleme angehen. Kann er den StuRa überzeugen und werden auch weitere AStA-Mitglieder gewählt?
Tag der Wahrheit – Konstituierung des StuRa
Am 15.10.2025 kommt ein lang ersehnter Tag – das neue Studierendenparlament tritt zusammen. Im Gegensatz zur letzten Sitzung der alten Legislatur ist der Hörsaal in Haus 1 Ulmencampus zur Hälfte gefüllt. Viele der neuen StuRa-Mitglieder sind dem Ruf der Konstituierung gefolgt.
Mit 38 Anwesenden sind mehr als zwei Drittel aller Mitglieder im Raum oder digital zugeschaltet. Nach den Formalia und einigen Einführungen von Nico, dem alten StuRa-Präsidenten, kommt es zur wichtigsten Wahl des Abends – Wahl des neuen StuRa-Präsidiums. Ohne die Wahl eines:einer Präsident:in und Vize-Präsident:in ist der StuRa nicht arbeitsfähig.
Und das sah vor der Konstituierung etwas schwierig aus. Bis 22 Stunden vor Sitzungsbeginn gab es keine Bewerbung für beide Ämter. Dann aber der Lichtblick aufgrund der Bewerbung eines neuen StuRa-Mitglieds. Bruno aus der WSF, studiert Politik- und Sozialwissenschaft, wirft seinen metaphorischen Hut in den Ring. Mit einer knackigen Vorstellung geht es prompt in die Fragerunde. Die Themen sind breit gefächert: Erfahrung bei Sitzungsleitung, Arbeit mit den Ausschüssen, Zeit für die Amtsausführung und Spaß-Fragen. Im ersten Wahlgang erhält Bruno 35 Ja-Stimmen, 3 Enthaltungen und keine Nein-Stimmen – damit wird er mit eindeutiger Mehrheit zum StuRa-Präsidenten gewählt.
Es folgt die Wahl zum:zur Vize-Präsident:in und William folgt dem Beispiel von Bruno, die Bewerbung kam 19 Stunden vor der Konstituierung. Auch hier ist die Vorstellung kurz und bündig, der Fokus liegt auf den Fragen. Die Fragerunde ist ebenso vielseitig verteilt: Interessen für die Arbeit in der Studierendenvertretung, Zeitmanagement, Weg an die Uni Rostock und dem Lieblingsgenre in der Bücherwelt. Im ersten Wahlgang erhält William 34 Ja-Stimmen, 3 Enthaltungen und eine Nein-Stimme. Damit ist das StuRa-Präsidium komplett, Glückwunsch an Bruno und William.
Nach den Wahlen zum StuRa-Präsidium kommt das Gegenstück in der Exekutive auf die Tagesordnung – die Wahl zum AStA-Vorsitz. Als alter AStA-Vorsitz möchte Max eine weitere Legislatur die Amtsführung im AStA übernehmen. Bei den Fragen wird es konkret: die von uns beschriebenen Spannungen schildert Max in seiner Bewerbung und sieht dort Versäumnis in der gegenseitigen Kommunikation. In der neuen Legislatur möchte er die Kommunikation verbessern, mehr Transparenz schaffen und handlungsbereiter sein. Zur Meinungsbildung zum Semesterticket gibt es eine eindeutige Meinung, es braucht mehr Beteiligungsformate durch die Studierenden. Eine Urabstimmung über das Semesterticket liegt aber im Aufgabenbereich des StuRa, stellt Max fest. Auch weitere Themen beantwortet Max sehr ausführlich und möchte seine zweite Legislatur weiterhin mit viel Engagement angehen. Im ersten Wahlgang wird Max mit 36 Ja-Stimmen, keiner Enthaltungen und keiner Nein-Stimmen einstimmig zum AStA-Vorsitz gewählt.
Die Führungsperson ist gewählt, weitere AStA-Referate sollen nun folgen. Die Wahl des AStA-Referat für Hochschulpolitik startet mit der Bewerbung von Annabell. Sie erhält 34 Ja-Stimmen, eine Enthaltung und keine Nein-Stimme – damit ist sie erneuert AStA-Referentin. Für die AStA-Geschäftsführung und das Referat für Finanzen gibt es keine Bewerbungen, weshalb die Wahlen vertagt werden.

v. l. n. r.: Bruno, William, Annabell, Max, Nico
Bewertung: Ist der Neustart gelungen?
Die erste StuRa-Sitzung der 36. Legislatur hat viel Energie und Motivation vorgebracht. Zwar dauerte die Sitzung bis Mitternacht, es wurden noch viele Entscheidungen und Personalfragen geklärt. Die StuRa-Ausschüsse als Untergruppen wurden arbeitsfähig gemacht und können mit der Tätigkeit beginnen. Es ist sichtlich zu merken, dass die Menschen im Raum anpacken wollen.
Diese Energie braucht es auch. Einige Probleme stehen nämlich schon vor der Tür. Erstens wurden bereits auf der ersten Sitzung AStA-Referate aufgrund mangelnder Bewerbungen nicht gewählt. Dabei sind die AStA Geschäftsführung und das Referat für Finanzen zentrale Akteur:innen, die dringend gebraucht werden. Wenn dann noch weitere Referate in den nächsten Wochen unbesetzt bleiben, entsteht eine personelle Krise. Zweitens steht die Erstellung des Haushalts 2026 auf dem Plan. Die fehlenden Referate machen die Aufgabe nicht leichter, da die Studierendenvertretung in Summe zwischen 40 bis 50 % sparen muss, wenn die Einnahmen nicht erhöht werden. Das bringt hohen Spardruck und große Verantwortung auf den StuRa mit sich. Die Entscheidung muss fallen, welche Aufgaben die Studierendenvertretung wahrnehmen kann oder nicht. Drittens bleiben die Spannungen der letzten Legislatur nicht vergessen. Ob der persönliche Zwist abgelegt werden kann, damit die Studierendenvertretung ins Handeln kommt, bleibt abzuwarten.
In der Beobachtung stimmt mich die Sitzung vorsichtig positiv, aber die kommenden Fallstricke werden zeigen, ob diese Annahme berichtig ist.
Hinweise zu Dokumenten:
[1] Alle Protokolle könnt ihr in der StudiCloud der Studierendenvertretung finden. Anmeldung erfolgt über das jeweilige Nutzerkürzel.
[2] Die hochschulöffentlichen Dokumente zu einer StuRa-Sitzung findet ihr im Unterordner des StuRas. Damit könnt ihr euch über aktuelle Themen informieren.
[2] Die offenen AStA-Referate findet ihr in der AStA-Jobbörse. Engagement lohnt sich!