Aus dem Archiv: Heft Nr. 125.
von Alina Boie.
heuler-Autorin Alina Boie im Interview mit Denise Avellan, Jungautorin und Uni-Rostock-Studentin Denise Avellan ist 23, studiert Germanistik und Kommunikationswissenschaft an der Uni Rostock und hat 2018 ihr erstes Buch veröffentlicht: Den Gedichtband „Hirngespinste“. Ein Gespräch über Dichten im 21. Jahrhundert, die Gefühls-Sinuskurve beim Prozess des Veröffentlichens und Buchmarketing über Instagram.
heuler: Hallo Denise!
Im Vorwort deines Buches steht, dass du schon als Kind gern Gedichte geschrieben hast. Wovon haben diese Gedichte früher gehandelt?
Denise: Früher habe ich viel über Tiere geschrieben. Das mache ich heute teilweise auch noch, aber jetzt ist es natürlich etwas komplexer geworden. Früher habe ich immer über Hunde geschrieben, mein Lieblingstier. Und als Kind habe ich häufig speziell für jemanden gedichtet, also für Karten zum Beispiel.
heuler: Haben sich deine Gedichte im Laufe der Zeit verändert?
Denise: Ja, mein Sprachstil hat sich mit der Zeit entwickelt. Als ich angefangen habe, das Gedichte schreiben intensiver zu betreiben, waren meine Gedichte teilweise noch nicht so gut zu verstehen. Wenn man sich eine Leserschaft aufbauen will, ist es aber wichtig, dass sich der Sinn klar herauskristallisiert, denn Leser heutzutage haben natürlich nicht die Zeit, Stunden und eine Gedichtanalyse später über dein Werk nachzudenken. Das muss schon ziemlich eingänglich sein.
heuler: Kannst du viele deiner Gedichte auswendig?
Denise: Eher nicht, weil es mittlerweile so viele sind. Neulich hatte ich da auch eine lustige Situation mit meiner Freundin. Wir lesen uns abends häufig gegenseitig Gedichte vor, einfach, weil wir das schön finden und dann hat sie mir einfach mal eins von mir vorgelesen und ich sollte erraten, wer der Autor ist. Und das hab ich nicht hinbekommen, weil es dafür einfach zu viele Gedichte sind. Einerseits kenne ich auch meinen eigenen Stil und verbinde damit was, aber es gibt auch Gedichte, mit denen ich emotional nicht so krass verbunden sind, dann vergesse ich das auch mal.
heuler: In welchen Situationen schreibst du heute Gedichte? Was inspiriert dich?
Denise: Häufig schreibe ich Gedichte, wenn es mir schlecht geht, ganz klischeemäßig. Sie entstehen entweder, wenn es mir nicht so gut geht oder aber, wenn es mir richtig gut. Also besonders in Stimmungshöhen oder -tiefen. Inspirieren tut mich auf jeden Fall die Natur. Mir fliegen den ganzen Tag Gedanken im Kopf herum die Zeit draußen in der Natur nutze ich meistens dazu, um mich zusammeln und mein ganzes Gedankenwirrwarr zu ordnen.
heuler: Und worin schreibst du deine Gedichte auf?
Denise: Dafür habe ich drei Wege: Entweder schreibe ich sie in mein Notizbuch, in mein Extra-Dokument am Laptop, wo ich alles Mögliche reinschreibe oder ich lade es direkt auf mein Instagram-Profil hoch.
heuler: Das heißt, du bist niemand, der, erst einmal eine Weile braucht, bis er etwas Fertiges veröffentlicht?
Denise: Nein, eigentlich gar nicht. Wenn es für ein wichtiges Projekt, wie jetzt zum Beispiel ein Buch ist, dann mach ich es natürlich nicht gleich niet- und nagelfest. Dann speichere ich es zuerst auf dem Computer, lese es zehn Millionen Mal durch und überarbeite es. Aber wenn es „nur“ für’s Instagram-Profil ist, lese ich noch einmal drüber und dann kann ich es hochladen.
heuler: Musstest du dich schon mit Kritik aussetzen, weil du Dichterin bist? Wenn ja, wie gehst du damit um?
Denise: Ja, das hab ich schon sehr oft erlebt. Ich schreibe ja eigentlich schon immer Gedichte und früher in der Schule habe ich das, ehrlich gesagt, immer für mich behalten, nur meine engsten Schulfreundinnen wussten das. Da bin ich meistens aber auf Desinteresse gestoßen. Ähnlich war es auch hier in Rostock, wenn ich mal Freunden oder Kommilitonen davon erzählt habe. Und wenn man mich wirklich mal danach gefragt hat, waren das meistens nur kritische Fragen.
heuler: Ging dir das nahe?
Denise: Als ich jünger war, so im Teenie-Alter, ging mir das schon nahe, weil man natürlich auch dazugehören will und man will nicht „die Komische“ sein, die „seltsame Sachen“ schreibt. Aber im Zuge des Erwachsenwerdens entwickelt man auch ein gewisses Selbstbewusstsein. Irgendwann hab ich halt einfach gedacht „Ich mach das für mich. Ist doch meine Sache“.
heuler: Wer ist dein wichtigster Kritiker? Oder lässt du dir da nicht reinreden?
Denise: Meine größte Kritiker und gleichzeitig meine größten Fans sind einerseits meiner Partnerin und andererseits meine beste Freundin Maxi. Wenn es wirklich um etwas wichtiges geht, wie ein Buch,dann muss das einfach jemand gegenlesen haben. Es muss vielleicht nicht unbedingt ein Lektor sein, aber man selbst ist recht voreingenommen von seinem eigenen Schreiben. Eine andere Meinung ist da schon wichtig.
heuler: Jetzt mal konkret zum Inhalt und zur Sprache deines Buches: Du sprichst häufig in Tierphrasen: Warum nutzt du diese Brücke zur Natur?
Denise: Ich hab zwei Hunde und bin viel in der Natur unterwegs. Aus ihr kann ich viel Inspiration ziehen, viele Metaphern vor allem.Tiere stellen ja häufig ein bestimmtes Symbol in unserer Sprache dar, z.B. dass der Fuchs schlau ist oder gerissen oder dass die Elster Dinge stiehlt. Ich benutze die Tiere deshalb sehr gerne als Metaphern, wenn ich eigentlich einen Menschen oder einen bestimmten Charakter anspreche.
heuler: Wann kam dir denn die Idee, einen Buchband veröffentlichen zu wollen?
Denise: Die ganz ursprüngliche Idee hatte ich Anfang 2017. Der Prozess war aber immer wie eine Sinus-Kurve. Mal dachte ich „Jetzt veröffentliche ich“ und dann wieder „Nein, das liest keiner.“. Ich konnte mich lange nicht entscheiden, ob ich dieses Projekt wirklich angehe und das dann mit vollem Herzen mache oder ob ich es lieber lasse. Da spielte Angst eine große Rolle. Der ausschlaggebende Punkt, mich endgültig zu trauen, war dann meine Freundin, die mich immer bestärkt und mich über die Zweifel hinweggeführt hat.
heuler: Gab es mitten im Prozess Momente, in denen du ernsthaft daran gedacht hast, das Projekt abzubrechen?
Denise: Ja, diese Zeiten gibt es auf jeden Fall. Das sind Phasen, in denen ich an meinem Schreibtisch saß, schon zwei Flaschen Wein intus und man wirklich denkt „Oh Gott, warum mach ich das überhaupt?“ Das ist aber glaube ich total normal und auch wichtig, dass man diese Ängste hat und auch überwindet.
heuler: Gab es Gedichte, bei denen du lange überlegt hast, sie zu teilen, weil sie dir vielleicht zu persönlich vorkamen?
Denise: Ich denke, alle meine Gedichte sind irgendwo persönlich, dennoch weiß der Leser nicht, welches Erlebnis vielleicht hinter dem Gedicht steckt. Ich hab einen großen Schatz zu Hause, aus dem ich die Gedichte für das Buch wohlüberlegt ausgesucht hab. Ich bin aber nicht nach dem Kriterium der emotionalen Bindung daran gegangen, sondern ich hab versucht, mich in die Lage der Leser hineinzuversetzen und mich zu fragen: Würde ich das gerne lesen wollen? Und danach habe ich entschieden.
heuler: Wie lange hat der Prozess von der Idee zum gedruckten Buch dann insgesamt gedauert?
Denise: Das Buch ist im August 2018 erschienen. Der ganze Prozess von der Idee zum fertigen Buch hat also etwa 1,5 Jahre gedauert.
heuler: Kannst du aufzählen, was die ersten Schritte beim Buchveröffentlichen sind?
Denise: Zuallererst muss man natürlich etwas geschrieben haben, von dem man sich denkt: Das ist gut. Wenn man die Entscheidung gefasst hat, das öffentlich zu machen, muss man zunächst eingehende Fragen mit sich selbst klären. Es gibt die Möglichkeit, es als Buch zu veröffentlichen, mit Verlag oder ohne, oder aber auch über einen Blog. Oder möchte ich meine Gedichte vielleicht bei einer Literaturzeitschrift veröffentlichen? Sich klarzumachen, auf welchem Weg man veröffentlichen
will, ist der Prozess, der mit am schwersten ist und wo man sich auf jeden Fall ausprobieren muss.
Ich habe vor meinem Buch auch über Instagram veröffentlicht, über meinen Blog und auch mal eine Literaturzeitschrift, aber irgendwann hab ich gedacht, dass mir das nicht mehr reicht.
heuler: Und dann?
Denise: Sobald man weiß, dass man sein Werk als Buch veröffentlichen will, steht die Entscheidung an, ob man es über einen Verlag oder selbst veröffentlichen will. Daraus entstehen dann neue Herausforderungen: Entscheidet man sich für den Weg mit einem Verlag, muss man diesen erst einmal finden oder einen Literaturagenten, der das für dich übernimmt. Das ist in der Lyrik richtig schwer. Meistens gibt es nur sehr kleine Verlage, die Lyrik vermarkten. Außerdem bist du dann auch nicht mehr Herr deines Buches. Da Lyrik eine spezielle Art der Literatur ist, ist das ein bisschen wie Reingepfusche, finde ich.
heuler: Wie vermarket man sein Buch, ohne einen Verlag zu haben?
Denise: Man sucht sich eine Plattform. Ich habe mein Buch über KDP von Amazon veröffentlicht, ein Angebot für Selfpublisher. Auf diesem Weg musst du dein Buch dann alleine auf die Beine stellen. Das umfasst alle Sachen, die sonst ein Verlag für dich übernimmt. Du brauchst eine Community, ein Marketing, musst dich selbst um einen Lektor kümmern, dein Cover alleine machen. Für das Marketing ist es wichtig, auch außerhalb der Medien präsent zu sein, zum Beispiel auf Buchmessen, Events von Zeitschriften und zu Lesungen zu gehen, mit allen möglichen Leuten aus dem Bereich zusammenzuarbeiten oder in der Uni nachzufragen, ob man da unter kommen kann. So lernt man Leute kennen, die wiederum Leute kennen, also Netzwerken.
heuler: Wie präsentiert man sich als Autor auf Instragram?
Denise: Für Social Media gilt: Nahbar sein. Man sollte als Autor auch etwas von sich preisgeben, da die potenziellen Leser deines Buches dadurch Sympathie entwickeln, dass sie deinen Charakter kennenlernen und du Schritte des Buchprozesses mit der Community teilst.
heuler: Und finanziell?
Denise: Man muss in die eigenen Tasche greifen. Je nachdem, was man auch bereit ist, auszugeben. Wenn man das Ganze über Selfpublishing-Website macht, so wie ich, ist das meistens zum Glück on demand. Das Buch wird quasi pro Kauf gedruckt und der Druck vom Kaufpreis abgezogen.
heuler: Wie fühlt es sich an, sein eigenes fertiges Buch in den Händen zu halten?
Denise: Es ist schon sehr überwältigend. Die Arbeit im Vorhinein hat bei mir diese Euphorie zwar etwas ausgeschaltet. Ich hab wirklich so viele Probedrucke und Versionen zu Hause. Aber wenn es endlich richtig fertig ist und man weiß, jetzt geht es in den Handel, dann ist das schon unheimlich berührend.
heuler: Planst du schon ein neues Buch oder reicht dir das erst einmal?
Denise: Einen Lyrikband und Selfpublishen würde ich nicht noch einmal. Ich habe gerade ein anderes Buchprojekt, einen Abenteuerroman für junge Erwachsene, da bin ich super euphorisch. Ich habe zu Hause auch ein Schreibzimmer, da sind Papierrollen, riesige Blätter, auf denen ich die fiktive Welt des Romans aufzeichne, mit den Figurenkonstellationen und so – da versinke ich manchmal total drin. Wenn das Buch fertig ist, werde ich mir dafür aber einen Verlag suchen. Wenn es um Romane geht, ist das definitiv praktischer.
heuler: Vielen Dank für das Interview!