A Love Like Winter – Schneeküsse und Flockentanz

Von Cosima Lang // Illustration von Emma Moehrke

So arbeite ich mich durch die Hälfte des Flurs, ohne auch nur einen winzigen Fehler zu entdecken. Während ich die nächste Tür öffne, ziehe ich mein Handy hervor und schicke Agnes eine aufmunternde Nachricht. Sorgen muss sie sich auf jeden Fall keine machen.

Das Handy wandert wieder zurück in die Innentasche meines Blazers, und ich nehme alles in Augenschein. Verwirrt erstarre ich mitten in der Bewegung. Auf den ersten Blick sieht es hier sauber und aufgeräumt aus, wären da nicht das Paar Männer-Sneaker neben dem Bett, der Koffer in der Ecke und die Jacke über dem Stuhl. Sollten nicht alle Gäste gestern ver­schwunden sein? Unsicher blicke ich mich noch einmal um. Das sollte ich besser mal überprüfen. Auf den Fersen drehe ich mich um und will zurück auf den Gang treten.

»Und du bist wer?«, erklingt eine Stimme hinter mir.

Ein peinlicher Quietscher entfährt mir. Schnell wir­bele ich herum und schaue zum Bad, während die Tür hinter mir lautstark ins Schloss fällt. Dort lehnt ein mir unbekannter junger Mann, bis auf ein Hand­tuch unbekleidet, die Arme vor dem Oberkörper ver­schränkt.

Fragend hebt er eine Augenbraue.

»Ähm.« Panisch suche ich nach Worten und einer Erklärung. »Ich soll das Zimmer überprüfen.«

Klasse, was Blöderes hätte ich aber echt nicht sagen können.

»Auch wenn schon ein Gast drin ist?« Mit einem breiten Grinsen kommt er auf mich zu, sodass sich seine nackte Brust direkt vor meinen Augen befindet. Eine sehr durchtrainierte Brust.

Trocken muss ich schlucken und suche erneut nach Worten. »Niemand hat mir gesagt, dass bereits jemand angereist ist.«

»Niemand hat mir gesagt, dass das Zimmermäd­chen einfach reinkommt.«

»Ich bin kein Zimmermädchen.« Wieso kann sich der Typ nicht was anziehen? Und warum kann ich nicht aufhören, auf seinen Oberkörper zu starren?

»Das macht die ganze Situation nur noch schlimmer«, reißt er mich aus meinen unangebrachten Gedanken.

Mehrmals blinzele ich und versuche, mich wieder in den Griff zu bekommen. »Ich arbeite hier«, erkläre ich stotternd. »Nur bin ich kein Zimmermädchen. Ich soll die Räume überprüfen und sicherstellen, dass alles für die Gäste perfekt ist.« Besser kann ich es wirklich nicht beschreiben.

»Und man hat vergessen, dir Bescheid zu geben, dass schon jemand hier ist«, führt er meinen Gedan­kengang fort.

»Anscheinend.« Unsicher wische ich mir eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht. »Dann werde ich mal wieder gehen und dich … Sie allein lassen. Es tut mir sehr leid, dass ich hier so hereingeplatzt bin, und ich wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt.«

»Ich bin zufrieden.« Er legt den Kopf schief, ein freundliches Lächeln auf den Lippen.

»Was?«, hauche ich völlig verwirrt. Er sieht ver­dammt gut aus mit den ausgeprägten Wangenkno­chen, den strahlend blauen Augen und den etwas zu langen Haaren, die nass einen dunklen Braunton besitzen.

»Das Zimmer, ich bin damit sehr zufrieden«, beant­wortet er meine Frage. »Das kannst du gern so wei­tergeben.«

»Mach ich.« Rückwärts stoße ich gegen die Tür und taste blindlings nach der Klinke. Nur weg von hier, bevor ich mich noch mehr zum Affen mache.

Immer noch grinsend beugt er sich vor und greift an mir vorbei. So nahe wie er mir dabei kommt, kann ich sein Duschgel riechen. Minze und Limette. Mein Herz schlägt auf einmal so laut, dass ich es in mei­nen Ohren hören kann. Hektisch schnappe ich nach Luft und versuche, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen.

»Einen wunderschönen Aufenthalt noch«, presse ich verzweifelt hervor, bevor ich endlich die Flucht ergreife.

Vorsichtig öffne ich die Tür zum nächsten Raum und luge erst mal hinein, um sicherzugehen, dass ich nicht schon wieder jemanden überrasche. Aber die Luft ist rein. 

Meine Knie geben unter mir nach und ich sacke auf den weichen Teppich. Was war das eben? Wo in drei Teufels Namen kam der Kerl her, und wieso habe ich angefangen, ihn anzustarren? Nicht unbedingt frei­willig, aber trotzdem. Von mir selbst entsetzt vergrabe ich mein Gesicht in den Händen und schüttle ungläu­big den Kopf. Seit ich sechzehn bin, fünf Jahre schon, arbeite ich hier im Hotel, und noch nie habe ich mich so vor einem Gast blamiert.


Über die Autorin:

Cosima Lang hat in der Zeit zwischen Abitur und Studium angefangen, die Geschichten in ihrem Kopf aufs Papier zu bringen. Seitdem sind acht Jahre vergangen, in denen sie zahlreiche Bücher im Fantasy-Genre veröffentlicht hat. Ihr Roman A Love Like Winter, aus dem der obige Auszug stammt, ist bisher das einzige New Adult-Projekt und forderte die Schriftstellerin auf besondere Weise heraus, sodass es 2,5 Fassungen brauchte, ehe der Roman erscheinen konnte. Neben dem Fantastischen darf in Cosima Langs Büchern die Liebe auf keinen Fall fehlen. Zusätzlich setzt sie sich im Rahmen ihrer Werke mit Themen wie Depressionen und Body Positivity auseinander.

Zukünftige Geschichten lassen auch nicht lange auf sich warten. Im Januar 2024 wird der zweite Teil ihrer Faunenfluch-Dilogie erscheinen, zudem sind einige weitere Projekte in Arbeit. Auf Instagram und Tiktok findet man die junge Schriftstellerin unter Cosima Lang.

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