Von Karl Hoffmann // Illustration von Emma Moehrke
In der Hansestadt Rostock ist die CDU seit 1990 als frei wählbare Partei wieder aktiv und hat Sitze in der Bürgerschaft. Bei den Bürgerschaftswahlen am 09. Juni 2024 wurde die CDU zweitstärkste Kraft (16,3 %) hinter der AfD (17,5 %). Der CDU-Vorsitzende Konarski sagt, es gehe ihm in Zukunft vor allem darum, gute und pragmatische Politik für alle zu machen, um in allen Bevölkerungsgruppen mehr Stimmen zu gewinnen.
Christian Konarski ist seit Februar 2024 Rostocker CDU-Kreisvorsitzender. Er ist in Rostock geboren, verheiratet, Vater zweier Kinder und Immobilienmakler. Ich habe ihn in seinem Büro in der Rostocker Altstadt besucht, wir haben lange geredet.
Konarski hat als Unternehmensberater in Frankfurt am Main gearbeitet. Er kam mit wenig Englischkenntnissen als BWL-Absolvent und Arbeiterkind von der Hochschule Wismar nach Frankfurt und bekam dennoch den Beraterjob – er meint: „Street smartness“.
Thema 1 #Zukunft der Wirtschaft in Rostock und Persönliches
heuler: Das neueste Ziel der Landesregierung sind Olympische Segelwettbewerbe 2040 in Warnemünde. Unterstützen Sie das?
Klar, alles, was gut ist für die Stadt, ist gut für die Menschen. Für Olympia haben wir mal einen Jachthafen gebaut – Olympia 2006 war einst das Ziel. Es wäre schön, wenn die Strukturen, die wir schon haben, auch für einen sportlichen Zweck genutzt werden. Viel braucht es nicht mehr, um hier Segelwettbewerbe auszurichten.
heuler: Was machen Sie privat, schauen Sie die Hanse Sail?
Ja, ich bin selbst Segler. Die Hanse Sail ist natürlich ein tolles Ereignis, da ist viel los auf dem Wasser – tolles Flair, eine kleine Reminiszenz an das alte Mecklenburg, an die alte Hansestadt!
Ich habe mich viel beschäftigt mit der Historie der Städte im Norden. Allgemein ist interessant, warum Rostock im Gegensatz zu Hamburg nie diese bürgerliche Struktur entwickeln konnte – Rostock war immer eine kleinbürgerliche Stadt. In Rostock hatten wir das System der „Partenreedereien“, das heißt es gab in Rostock nicht einen Reeder, der viele Schiffe hatte, sondern mehrere Reeder teilten sich ein Schiff. Dadurch kam es nicht zu einer Kapitalakkumulation, die zu großem investierbarem Reichtum geführt hätte. Wenn ein einziger Mensch mehr Geld hat, kann er anders agieren.
heuler: Sagen Sie also, Ungleichheiten sind gut?
Nein nein, das ist wertungsfrei, nur eine Analyse.
Chancengleichheit ist uns wichtig. Der Staat kann den Menschen die Möglichkeiten zur Verfügung stellen, ihre Situation zu verbessern. Chancengleichheit ist in der Realität allerdings noch lange nicht selbstverständlich.
heuler: 35 Jahre nach der Wende gibt es große Ansiedlungen von Technologieunternehmen in Dresden. In Rostock schwächelt die Wirtschaft in letzter Zeit, siehe Nordex und MV-Werften. Was sind die Unterschiede zwischen Dresden und Rostock Ihrer Meinung nach?
Dresden und Sachsen waren vor dem Zweiten Weltkrieg ein wirtschaftliches Zentrum in Deutschland – zusammen mit dem Ruhrgebiet. Die wirtschaftliche Ausgangslage ist ganz anders, in Dresden gab es zum Beispiel Robotron, es gab Ingenieure, Facharbeiter – das sind lange Linien, die wir dort beobachten können. Als Politiker kann man innerhalb einer kurzen Legislatur an den langfristigen wirtschaftlichen Trends nicht viel ändern. Wichtig ist, dass man stetig daran arbeitet, die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln zu verbessern und ein wirtschaftsfreundliches Klima in Politik und Verwaltung schafft. Dazu kommt, dass MV auch stark auf die maritime Wirtschaft fokussiert war, diese Strukturen sind in den letzten Jahrzehnten immer mehr weggefallen.
Es war deshalb gut, dass die Bundeswehr die Werft in Warnemünde übernommen hat, um Arbeitsplätze zu sichern. Ich hielt es für falsch, dass die Werft an ausländische Investoren ging, die dann zum Teil mit absurden Forderungen an die Landes- und Bundesregierung herangetreten sind.
heuler: Wie kann mehr wirtschaftliches Wachstum erzeugt werden?
Wachstum kann man nicht provozieren. Wachstum kommt aus Menschen heraus, die hier ihre Chance sehen und die hier ein Umfeld vorfinden, um zu wachsen. Sich nur auf die Förderung großer Unternehmen zu konzentrieren, wäre eine falsche Strategie. Ich glaube Geld ist besser investiert, wenn man die Startup-Kultur fördert, die auch schon sehr erfolgreich in Rostock ist. Wir haben ein gutes System mit der Uni, ein kleines Pflänzchen und das muss alles noch viel mehr gefördert werden. Im Bereich Spitzentechnologie, progressive Dienstleistungen, onlinebasierte Technologien, die vor allem von jungen Leuten vorangetrieben werden, ist viel zu tun und zu fördern. Die Leute gehen nicht nach Hannover oder Braunschweig, weil es dort so toll ist, sondern weil die Einstiegsgehälter viel höher sind – und die braucht man für eine gute Zukunft. Mit AIDA oder Liebherr sind schon gute Strukturen in Rostock entstanden, aber es ist noch viel zu tun.
Wichtig ist aber auch schon, dass wir es erreicht haben, dass nicht mehr so viele Menschen der Stadt den Rücken zukehren und viele auch aus Berlin oder Leipzig herkommen.
Wir sind zudem auf zugewanderte Menschen mit Aufstiegsvision angewiesen, die hart arbeiten, um hier etwas zu erreichen. Diese Leute müssen eingebunden werden.
heuler: Wie gut sind Sie in der lokalen Wirtschaft vernetzt für das Umsetzen Ihrer Ideen?
Ich selber bin in der CDU seit 10 Jahren, bin allerdings weniger Politiker, sondern Unternehmer. Deshalb bin ich in Unternehmer- und in Immobilienkreisen vernetzt. Die politische Vernetzung fehlt mir noch etwas, vor allem, weil ich nicht in der Bürgerschaft bin – das muss ich mir erarbeiten.
Thema 2 #Neugewählte Rostocker Bürgerschaft
heuler: Wenn ich es richtig sehe, gibt es keine klaren Mehrheiten in der neuen Bürgerschaft. Wie schätzen Sie die neuen Verhältnisse zur Kompromissfindung ein?
Ich nehme als Kreisvorsitzender an den Fraktionssitzungen teil, kenne deshalb auch die internen Verhältnisse. In den letzten Jahren wurden viele unserer CDU-Vorschläge ignoriert, als bürgerliche Kraft hatten wir wenig zu sagen – das ist Politik, da brauchen wir uns nicht zu beschweren. Wir haben jedoch gegen den MV-Trend in Rostock nun mehr Stimmen erhalten. Jetzt ist die Situation so, dass es keine Mehrheiten gibt und wir miteinander sprechen müssen und das ist doch genau das Richtige. Kommunalpolitik muss doch aus Austausch und fruchtbarem Streit um beste Lösungen bestehen.
Alle Themen werden wieder diskutiert. Nehmen wir den Theaterneubau, da gab es immer verschiedene Stimmen, ich war immer gegen den Neubau in dieser Form. Aus meiner Sicht ein Projekt einer kleinen Gruppe aus der linken Bubble. Ob das immer alles gut ist für die Stadt bezweifle ich und wir haben nun als CDU wieder die Möglichkeit diese Themen mitzuverhandeln. Die CDU steht hinter dem demokratischen Beschluss für den Neubau – wir werden alles dafür tun, dass dieses Projekt nicht zum Fiasko für die Hansestadt wird.
heuler: Es wird überall diskutiert, ob mit der AfD kooperiert werden sollte. Wie ist Ihre Position auf kommunaler Ebene dazu?
Der richtige Umgang mit der AfD ist auch eine Diskussion bei uns. In der Führung der AfD sitzen ganz klar Nationalsozialisten, bei denen bekannt ist, was sie vorhaben, mit denen kooperieren wir nicht.
Vieles ist allerdings auch ein ziemliches Theater. Niemand will sich in der Bürgerschaft den Flur mit der AfD teilen, die sollen jetzt im Keller oder auf dem Dachboden sitzen – da finde ich einiges etwas bedenklich. Man muss in Rostock mit allen sprechen. Die AfD bleibt aber eine Konkurrenzpartei für uns, wie alle anderen auch – bei einigen Themen haben wir Übereinstimmungen und schlussendlich wird es Situationen geben, bei denen unsere Anträge auch bei der AfD Zustimmung finden. Aber die AfD muss sich wie alle anderen Parteien Mehrheiten organisieren und wenn sie das nicht schaffen, aufgrund ihrer Themen, haben sie Pech. Wir müssen für die AfD nicht mitdenken.
Wir haben viele weitere wichtige Themen. Die Oberbürgermeisterin muss bei ihren Verwaltungsaufgaben unterstützt werden. Die Verwaltung muss optimiert werden in Zukunft, das steht seit Jahren auf der Agenda. Die Förderung des zivilgesellschaftlichen Ehrenamtes ist wichtig und alle unsere Stadtprojekte müssen auf eine fundierte Basis gestellt werden.
Übrigens hat die CDU seit Jahren auch einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Partei Die Linke und selbstverständlich reden wir mit dieser Partei.
heuler: Linke Bevormundung ist eines Ihrer Lieblingsthemen. Wie hängt das aus Ihrer Sicht mit dem Thema AfD zusammen?
Das ist das, was die AfD groß gemacht hat! Ich und viele andere möchten nicht, dass uns jemand vorschreibt, was wir zu denken haben und wie wir zu sprechen haben. Es wird alles komplizierter, die Berücksichtigung jedes einzelnen Partikularinteresses macht die Gesellschaft zum Chaos. Mich hat keiner gefragt, ob ich gendern möchte – ich gendere nicht und spreche so, wie ich es für richtig halte und wie mich normale Menschen verstehen. Und wir müssen im Diskurs auch mal etwas Falsches sagen können, ohne dass immer gleich ein großer Aufschrei folgt. Die Ergebnisse linker Parteien zeigen deutlich, was die Menschen vom Genderismus und linker Bevormundung halten.
#3 Weitere Themen
heuler: Im Landesvorstand der CDU sind 14 von 22 Männer, 7 von 8 Kreisvorsitzenden in MV sind Männer, 15 von 23 stellvertretenden Kreisvorsitzenden. Die Frauen Union MV setzt sich für eine paritätisch besetzte Doppelspitze auf Landesebene ein. Sind Sie für Quoten?
Was ich bei vielen Frauen in der CDU wahrnehme, ist, dass sie eine Frauenquote für total verkehrt halten. Die Frauen, die sich bei uns engagieren, wollen sich durch Ideen, Leistung und Arbeit auszeichnen. Alle starken Frauen, die ich kenne, lehnen eine Frauenquote ab. Wir brauchen aber insgesamt mehr Menschen in der Politik, und ja, auch mehr Frauen.
heuler: Einer Ihrer Vorschläge ist die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber für 0,80 € die Stunde. Was versprechen Sie sich davon?
Nehmen wir mal das Beispiel des Asylbewerberheims im Osthafen. Dort werden bis zu 240 Menschen an einem Ort zusammengedrängt, eingezäunt in ein Lager. Da findet kein Austausch mit der Gesellschaft statt. Mit Arbeit können wir für Integration sorgen – wenn das Amt für Stadtgrün kommt und sagt, wir schneiden mal eine Hecke zusammen, freuen sich die Menschen doch und wir zeigen als Gesellschaft, dass alle gebraucht werden. Das ist doch einfach pragmatisch – einer linken Bubble können wir solche Themen sowieso nicht verkaufen und wollen es deshalb auch nicht. Menschen einbinden durch Arbeit ist das Thema und das schafft im Idealfall auch Akzeptanz in der Bevölkerung.
Wir können jungen Menschen aus anderen Ländern unser Gesellschaftsmodell nur durch Integration vermitteln. Was in manchen westdeutschen Städten an Integrationsversagen geschehen ist, sollte hier nicht passieren.
Die AfD-Ideen sind natürlich völlig verkehrt – wir können den Menschen nicht sagen, ihr seid hier nicht willkommen, und erwarten, dass sie sich in 10 Jahren integriert haben. Es darf allerdings keine unkontrollierte Einwanderung geben.
heuler: Sicherheit ist ebenfalls ein wichtiges Thema in Ihrem Programm. Was gibt es dazu noch zu sagen?
Sicherheit ist wichtig für uns, klar. Wir wollen, dass Rostock ein sicherer Ort ist für alle Menschen. Viele Jugendliche und Familien sind einer diffusen Bedrohungslage ausgesetzt. Es gibt z.B. viele Schlägereien, bei denen die Täter nie ermittelt werden konnten, weil die Polizei oft zu spät vor Ort ist. Damit lassen wir v.a. unsere Jugend allein. Deshalb ist uns mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, zum Beispiel am Doberaner Platz, wichtig.
Zu Tätern werden häufig perspektivlose Menschen. Deshalb ist auch eine gute Integration aller Menschen wichtig. Der Sozialsenator Bockhahn (parteilos) sieht diese Probleme nicht oder will sie nicht sehen.
heuler: Welchen Rat geben Sie Studierenden?
Bildung ist die beste Investition in die eigene Zukunft. Ich habe viel und lange studiert und ich würde versuchen im Laufe des Studiums in den verschiedensten Branchen zu arbeiten.
Das Leben genießen ist aber auch ganz wichtig – auch mal Fünfe gerade sein lassen.
heuler: Vielen Dank für das Gespräch!