Von Janne Döscher / Illustration von Lara Kaminski
Der Juni an der Uni Rostock ist geprägt von der Projekt-/Ausgleichswoche (manchmal auch Urlaubswoche) und den ersten Sommerfesten der Fachschaften. Der Sommer kommt, das Wetter schließt sich dem langsam an und die Länge der Tage lädt zu vielen Aktivitäten ein.
Allerdings ist der Juni ebenso der universitäre Wahlmonat, in dem die studentischen und akademischen Gremien an der Uni neu gewählt werden. In diesem Jahr mit einer stark abfallenden Wahlbeteiligung von um die 10 %. War der Sommer zu interessant oder die Wahlwerbung zu schlecht? – Eine Analyse.
Ohne Kandidaturen geht nichts
Mit dem Start des Sommersemesters beginnt auch die Aufwärmphase für die Gremienwahlen. Für die akademischen Wahlen ist das universitäre Wahlamt zuständig. Es organisiert die Wahlen zum Senat, Konzil und zu den Fakultätsräten. Für die studentischen Wahlen trägt der StuRa-Wahlausschuss die Verantwortung. Er organisiert alleinig die Wahlen zum Studierendenrat (StuRa), dem Studierendenparlament.
Der StuRa wird nach Fakultäten gewählt, wobei die Anzahl der Studis an den Fakultäten über die Sitzverteilung entscheidet. Insgesamt werden 55 Sitze über neun Fakultäten im studentischen Parlament verteilt.

Der Aufgabenbereich des StuRa-Wahlausschusses ist mehr als nur die studentischen Wahlen umzusetzen. Das spiegelt die Vorstellung der Aufgaben vom StuRa Wahlausschuss wider: „[jemand] erklärt die Aufgaben des StuRa-Wahlausschusses. Dieser ist zuständig für die Organisation der Wahlen vom StuRa. Das Ziel ist die Bewerbung und möglichst viele Leute dazu zu bringen, sich aufstellen zu lassen. Im aktuellen StuRa sind nicht alle Plätze besetzt. […]“ (Protokoll StuRa 15.01.25 TOP 9.1, [1]).
Mit dem 22. April beginnt dann die erste heiße Phase der Wahlen: Der Kandidaturzeitraum. Die Studierenden bekommen direkt zu Beginn des 22-tägigen Zeitraumes E-Mails von verschiedenen Akteur:innen. Zielstellung des StuRa-Wahlausschusses ist klar, Studis engagiert euch und tretet bei den Wahlen an. Der Wahlausschuss möchte seiner Aufgabe gerecht werden, damit alle Sitze im neuen StuRa besetzt werden. Der Stichtag – letzte Tag – zur Einreichung von Kandidaturen ist der 12. Mai. Das Ziel, an allen Fakultäten alle Sitze durch Kandidaturen zu besetzen, misslingt. Allerdings gibt es die Festlegung, dass bei weniger Kandidaturen als es Sitze an einer Fakultät gibt, der Kandidaturzeitraum um sieben Tage verlängert wird. Somit erhalten sowohl der Wahlausschuss als auch die Studierenden eine weitere Chance.
Engagement zahlt sich nur bedingt aus
Am Ende der Nachfrist wird klar, das Ziel der hohen Beteiligung durch Kandidaturen ist verfehlt. Für den StuRa der Legislatur 25/26 – 01.10.25 bis 30.09.26 – treten nur 56 Studis an. Man möchte denken: „Hä der StuRa hat doch auch nur 55 Sitze, also alles in Butter.“ – nicht unbedingt.

Die Kandidaturen sind nicht gleichmäßig über die Fakultäten verteilt. Alarmierend sind die fehlenden Kandidaturen an der AUF und THF. Damit werden schon vor der eigentlichen Wahl zwei Fakultäten nicht im zukünftigen StuRa vertreten sein.
Die THF hat bereits zuvor Schwierigkeiten mit der Besetzung der zwei Sitze gehabt. Für die AUF ist es ein überraschender Vorgang. Nur die UMR kann das Fiasko an Beteiligung verhindern, weil die Kandidaturen hier auf einen Höchststand sind.
Die Grafik zeigt aber auch, dass die Kandidaturen außerhalb der UMR entweder stagnieren, nur leicht variieren oder zurückgehen. Damit verringert sich nicht nur die Zahl der gewählten Mitglieder, sondern auch die Anzahl an Nachrücker:innen, falls eine Person aus dem StuRa zurücktritt.
Die schwindende Anzahl an Kandidaturen und die zwei unbesetzten Fakultäten belegen, dass das Bewusstsein für studentischen Engagement auf einem niedrigen Wert ist. Die Studierendenvertretung muss sich aktiv fragen, warum das Engagement rückläufig ist.
Wahlbeteiligung im freien Fall
Die niedrige Anzahl an Kandidaturen zum Trotz beginnt die zweite heiße Phase der Wahlen mit dem Wahlakt selbst. Die Studis können ab dem 11.06.25 ihre Stimme im Online-Raum abgeben. Zu Beginn kommen wieder einige E-Mails, die auf die Stimmabgabe hinweisen. Insgesamt sind vier Gremien zu wählen: StuRa, Senat, Konzil und Fakultätsrat. Insbesondere bei den Wahlen zum Konzil und Senat treten wesentlich mehr Studierende an, als Sitze in den Gremien vorhanden sind. Grund dafür ist die Bedeutung der Gremien und die Wahl über Listen – damit ein anderes Verfahren als bei der Wahl zum StuRa.
Sowohl die verschiedenen studentischen Listen als auch der StuRa-Wahlausschuss werben für die Stimmabgabe. Zwei Wochen haben die Studierenden Zeit, um die digitale Stimme abzugeben. Auch hier ist das Ziel, die Wahlbeteiligung möglichst hochzutreiben. Denn: Obwohl die Studierenden eine politisierte Menschengruppe sind, nehmen sie bei universitären Wahlen im sehr geringen Maße teil. Das ist kein alleiniges Uni Rostock-Phänomen, wie eine Untersuchung von Correctiv aus dem Jahr 2020 zeigt: Deutschlandweit lag die höchste Wahlbeteiligung an Hochschulen bei 38,8 %, im Schnitt sind es 13,9 % und die niedrigste Wahlbeteiligung wurde mit 4,8 % festgestellt. [2]

Hinweis: Es wurde die studentische Wahlbeteiligung zum Konzil als Referenzwert aufgenommen, da die StuRa-Wahlergebnisse nicht hochschulöffentlich archiviert sind. [3]
Auch an der Uni Rostock sind die Werte sehr dynamisch. Die Grafik zeigt ein Auf und Ab in der Wahlbeteiligung. Die letzten zwei Jahre waren dabei eine sichtbare Steigerung der Beteiligung. Daher war das diesjährige Wahlergebnis ein Schock für die Studierendenvertretung.
Diese Einschätzung teilt auch der StuRa Wahlausschuss: „Wir sind über das Ergebnis sehr schockiert. Auch wenn wir natürlich eine Steigerung der Wahlbeteiligung angestrebt haben, waren wir mental auch darauf eingestellt, dass diese etwas sinken könnte. Einen Abfall von über 5% haben wir uns jedoch unter keinen Umständen vorstellen können. Nachdem die Wahlbeteiligung in den letzten zwei Jahren bei ca. 15% lag, gab es ja bei vielen die Hoffnung, dass das Interesse der Studierenden an den Wahlen und Hochschulpolitik allgemein wieder wachsen würde.“ (Hinweis: die 5 % beziehen sich auf die Wahlergebnisse des Konzils).
Mit 10,74 % sank ebenfalls die Wahlbeteiligung für den StuRa um 4,27 % im Vergleich zum Vorjahr. Somit ist die Beteiligung bei allen Wahlen wieder am Rande der Einstelligkeit. Neben einem möglichen Legitimationsproblem muss man sich die Frage stellen: Erreicht die Studierendenvertretung ihre Studierenden nicht?
Studierendenvertretung in der Krise?
Die niedrigen Kandidaturen zum StuRa gepaart mit der stark gefallenen Wahlbeteiligung geben Anlass zur Sorge. Das Auf und Ab in der Wahlbeteiligung verdeutlicht die fehlende Konstanz der Teilhabe durch die Studierenden. Es wirken viele Faktoren in die Sichtbarkeit der Wahlen ein. Bei den letzten Gremienwahlen haben zwei der kandidierenden Listen für Senat und Konzil Wahlkampfstände auf dem Campus organisiert. Bei den diesjährigen Gremienwahl war nur eine Liste durchgängig auf dem Campus unterwegs. Die stattfindenden Wahlkampfstände können die geringe Ansprache nicht wieder richten.
Dass die Teilhabe der Studierenden alleinig von der Ansprache abhängt, zeigt, dass die Studierendenvertretung in einer frühen Kommunikations- und Teilhabekrise steckt. Die Arbeit von AStA und StuRa, den vielen ehrenamtlichen Vertreter*innen, wird im Studienalltag nur schwer wahrgenommen. Auf der einen Seite stehen die Studis, die selbst keine weiteren Kapazitäten im Engagement und Alltag mehr haben. Das Studium wird als Ausbildungsplatz gesehen, nicht als Ort der Teilhabe und des aktiven Wirkens. Auf der anderen Seite kämpft auch die Rostocker Studierendenvertretung – wie auch viele andere Studierendenschaften – oftmals mit sich selbst. Überlastung, stundenlange Diskussionen, keine Zeit fürs Studium – das gehört zur Außenwirkung der Studierendenvertretung. Ein Konzept zur besseren Sichtbarkeit der eigenen Arbeit auf dem Campus gibt es nicht. Einzelne Projekte und Initiativen stechen immer wieder heraus, aber eine durchgängige Melodie lässt sich nicht erkennen.
Der Wahlausschuss beantwortet die Frage zur schlechten Kommunikation mit einer teils anderen Bewertung: „Das ist nicht so einfach zu beurteilen, aber in unserer Öffentlichkeitsarbeit ist uns oft aufgefallen, dass viele Studis gar nicht wissen, was der StuRa überhaupt ist. Das wird die geringe Wahlbeteiligung sicherlich beeinflussen, allerdings war das in den letzten Jahren auch schon so und kann mit dem starken Rückgang dieses Jahr eigentlich nichts zutun haben. Ansonsten sind wir bei der Kommunikation sehr auf die FSRe angewiesen, da diese näher an ihren Studis dran sind. Diese haben wir dieses Jahr wieder um Unterstützung gebeten und mit Materialien für Social Media, Newsletter oder zum Ausdrucken versorgt. Wir haben allerdings keinen Gesamtüberblick wie gut das genutzt wurde.“.
Es wird deutlich, dass die Studierenden wenig über die Studierendenvertretung informiert werden. Diese schlechte Informationslage beeinflusst die Wahlbeteiligung, allerdings ist der starke Abfall in diesem Jahr nicht alleinig damit zu begründen. Fakt ist, dass eine stärke Außenwirkung und Informationsweitergabe die Wahlbeteiligung erhöhen kann.
Im Vergleich zu den angesprochenen Wahlen der Fachschaftsräte (FSR) schneidet die Wahlbeteiligung düster ab. Zwar gibt es bei den FSR-Wahlen ebenso geringe Wahlbeteiligungen, aber der Durchschnitt aller 30 Fachschaftsräte lag 2025 bei 22,5 % Wahlbeteiligung. Die niedrigste Beteiligung lag bei 13,3 %, die höchste Beteiligung bei 37,0 %. Die Fachschaftsräte schaffen die direkte Ansprache durch den dichteren Draht zu den Studierenden. Wieso schafft der StuRa-Wahlausschuss gemeinsam mit StuRa und AStA diesen Draht nicht herzustellen? Oder warum helfen die Fachschaftsräte bei der Gremienwahl nicht intensiv mit, um ihren direkten Draht zu nutzen? [4]
Es ist ein Dauerthema: Wie kann man die Studis besser erreichen. [5] Auch bei dieser Gremienwahl wird die Thematik noch weiter diskutiert werden. Die Studierendenvertretung wird sich weiterhin fragen, wie man richtig an die eigenen Studierenden herantritt. Allerdings sollten sich auch die Studierenden fragen, wieso man an einer demokratischen Wahl nicht partizipieren möchte.
Nachweise:
[1] Protokoll des StuRa vom 15.01.25, Tagesordnungspunkt 9.1. https://files.studicloud.uni-rostock.de/apps/files/files/66768418?dir=/Gremienunterlagen/StuRa/Protokolle/35.%20StuRa-2024-2025
[2] https://correctiv.org/aktuelles/bildung/2020/08/09/uni-demokratie-studierende-waehlen-kaum/ (letzter Zugriff: 13.07.2025).
[3] Archiv Gremienwahlen. (https://www.uni-rostock.de/universitaet/organisation/wahlen/archiv-wahlergebnisse/archiv-wahlergebnisse/).
[4] Wahlergebnis der FSR-Wahlen 2024/25. https://files.studicloud.uni-rostock.de/apps/files/files/66739951?dir=/Gremienunterlagen/Wahlen/Fachschaftsratswahlen%202024%7C2025&openfile=true
[5] Einführung eines Pressereferates im AStA mit der Legislatur 2024/25. Diskussion auf der StuRa-Sitzung vom 07.08.2024. https://files.studicloud.uni-rostock.de/apps/files/files/7789359?dir=/Gremienunterlagen/StuRa/Protokolle/34.StuRa-2023-2024&openfile=true