Startup schwer gemacht – Die Herausforderungen ostdeutscher Gründerinnen

von Sandeep Preinfalk // Illustration von Luca Butt

Frauen sind in wirtschaftlichen Fragen oft benachteiligt. Dies umfasst nicht nur Nachteile bei der Altersvorsorge, Berufs- und Aufstiegschancen sowie beim Einkommen, sondern ebenso geschlechtsspezifische Hürden bei der Unternehmensgründung. Vor allem Startup-Gründerinnen in Ostdeutschland erfahren massive strukturelle Diskriminierung, wie der Report „Startup. Gründerin. Ostdeutsch.“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) offenlegt.

Im März und April 2025 wurden im Auftrag des Digital Hub Initiative (de:hub) des BMWE über 400 Gründerinnen aus Ost- und Westdeutschland befragt, um deren Motive, Perspektiven und Herausforderungen zu beleuchten. Zunächst fällt auf, dass ostdeutsche Unternehmerinnen vielfältige Beweggründe haben. Zentral für ihre Gründungsmotivation ist der Wunsch nach Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und beruflicher Selbstverwirklichung. Viele Gründerinnen entfliehen mit ihrer Entscheidung für das Unternehmertum hierarchischen Strukturen oder begrenzten Karriereperspektiven – insbesondere im öffentlichen oder akademischen Sektor. Gründungen erfolgen demnach oft aus einem inneren Antrieb heraus, da sie hoffen, so eigene Ideen verwirklichen, flexibler arbeiten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf selbst gestalten zu können.

Zudem spielt ein starker regionaler Bezug eine wichtige Rolle Denn viele Gründerinnen möchten mit ihrem Unternehmen zur wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Heimatregion beitragen. Dabei steht nicht notwendigerweise der schnelle Exit im Vordergrund, vielmehr liegt nachhaltiges, organisches Wachstum im Fokus. Außerdem ist die Gründung sinnstiftend und gesellschaftlich motiviert, was sich in einem hohen Anteil sogenannter „Zebra-Startups“ (Unternehmen, die Rentabilität mit gesellschaftlichem Mehrwert verbinden) widerspiegelt.

Auf den ersten Blick bietet Ostdeutschland dafür mit Städten wie Leipzig, Dresden, Jena oder Potsdam vielversprechende Bedingungen. Besonders die Nähe zu Hochschulen, niedrigere Lebenshaltungskosten und eine hohe Lebensqualität sind Standortvorteile. Kleinere Communitys sorgen für persönlichen Austausch, kurze Wege und gute Vernetzung unter den Startups selbst.

Allerdings bestehen strukturelle Mängel, da die ostdeutschen Ökosysteme stark fragmentiert, interregional kaum vernetzt und abhängig von öffentlichen Förderstrukturen sind. Unterschiede zwischen Bundesländern, ein intransparentes Förderangebot sowie wenig strategische Abstimmung erschweren zusätzlich Kooperationen und verhindern die Herausbildung eines übergreifenden, starken ostdeutschen Startup-Clusters. Überdies belastet die gesellschaftliche Spaltung durch die AfD die Unternehmenskultur und Standortbedingungen, indem sie Fachkräfte und Inverstor: innen abschreckt.

Ein weiteres Problem für Gründerinnen in Ostdeutschland stellt nach der Studie der erschwerte Zugang zu etablierten Netzwerken (beispielsweise zu etablierten Unternehmen oder Co-Founder: innen) dar. Zwar funktioniert der Austausch innerhalb kleiner lokaler Netzwerke, jedoch fehlen interregionale und branchenspezifische Business-Kontakte. Auch Mentoring-Angebote sind ungleich verteilt, oft wenig sichtbar und nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Gründerinnen zugeschnitten.

Die größte Herausforderung für Gründerinnen in Ostdeutschland liegt aber in der Finanzierung ihrer Startups. Während männlich geführte Teams 6,2 Mrd. Euro an Risikokapital erhalten, fließen nur rund 43 Mio. Euro an reine Frauenteams. Zugleich fließt nur ein Bruchteil der VC-Mittel in Deutschland nach Ostdeutschland – und davon wiederum nur ein sehr kleiner Anteil an frauengeführte Startups. Des Weiteren ist für 83 % der weiblichen Gründerinnen der Zugang zu Angel-Investor: innen stark eingeschränkt.

Viele Gründerinnen setzen daher auf Bootstrapping, das heißt die Finanzierung über eigene Mittel und laufende Umsätze, und sind vom Kapital aus ihrem eigenen Umfeld (wie Freunde und Familie) abhängig. Diese Strategie wird jedoch zum Teil bewusst gewählt, um Unabhängigkeit von Kapitalgeber: innen und Banken zu wahren. Studien zeigen, dass bootstrappende Unternehmen sogar häufiger erfolgreich sind.

Es herrschen also diverse strukturelle Defizite für ostdeutsche Frauen bei der Unternehmensgründung. Nichtsdestoweniger sehen viele der befragten Gründerinnen und Unterstützer: innen große Potenziale in Ostdeutschland: Die wissenschaftliche Exzellenz, eine pragmatische Mentalität, vergleichsweise geringe Betriebskosten und hohe Lebensqualität bieten für sie gute Rahmenbedingungen. Der Report verweist zudem auf die Besonderheiten weiblich geführter Startups. Danach zeichnen sie sich durch Innovationsfreude, Werteorientierung und gesellschaftliches Engagement aus. Ihre Startups sind oft langfristig ausgerichtet, sozial sowie ökologisch verantwortlich und zielen darauf ab, nachhaltige Wirtschaftsstrukturen zu etablieren. Dies ist insbesondere in strukturschwachen Regionen ein wichtiger Impulsgeber für die Transformation der Wirtschaft.

Trotz der Zuversicht und Robustheit vieler Startup-Gründerinnen betont der Report den bestehenden Handlungsbedarf. So müssen die regionalen Förderstrukturen verstetigt und strategisch ausgerichtet werden. Eine bessere Vernetzung der ostdeutschen Bundesländer untereinander sowie mit westdeutschen Startup-Hotspots ist ebenfalls notwendig. Zugleich bedarf es eines gezielteren und gerechteren Zugangs zu Kapital, Mentoring und Businessnetzwerken. Dabei können Maßnahmen wie steuerliche Anreize für frauengeführte Unternehmen helfen, den Gender Investment Gap zu reduzieren. Darüber hinaus sind niedrigschwellige, transparente und diversitätssensible Förderinstrumente erforderlich, um innovative und nachhaltige Geschäftsmodelle angemessen zu fördern. Vor allem müssen Frauen aber sichtbarer werden, sei es in Medien, Bildungseinrichtungen oder anderen Bereichen. Nur so kann sich aus Sicht des Reports die Gründungsbeteiligung von Frauen langfristig erhöhen und verbessern.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert