Wie wir der Erde den Jojo-Effekt ersparen

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von Hanna Birkenhagen. Illustrationen: Rosa Staiger

Erkrankte, Tote, Social Distancing, Wirtschaftskrise, Lagerkoller, Hamsterkäufe – in Zeiten von Corona werden wir im 5-Minuten-Takt von Wellen aus Informationen, Zahlen und Fakten überflutet, die uns schockieren, ängstlich und traurig stimmen oder uns einfach nur dazu verleiten, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Deshalb möchte ich uns alle auf diesem Wege durch einen optimistischeren und trotzdem realistischen Blickwinkel auf die Situation und ihre Folgen von Sorgenfalten und Kopfschütteln abbringen und uns stattdessen zumindest für einen kurzen Moment ein zuversichtliches, wenn auch kleines Lächeln ins Gesicht zaubern.

Der pandemische Ausnahmezustand, in dem wir seit einigen Wochen und auf unbestimmte Zeit verweilen, ist bekanntermaßen nicht nur für jeden einzelnen von uns eine belastende Herausforderung, sondern auch für unsere Wirtschaft sowie das Gesundheits- und Bildungssystem. Auf den ersten und zweiten Blick ist dem natürlich nicht viel Positives abzugewinnen: Viele kleine Geschäfte werden sich von den Rückschlägen der Corona-Pause nicht erholen, Krankenhäuser sind überlastet, Kinder können nicht zur Schule oder in den Kindergarten gehen, Bedürftige nicht zu den Tafeln und für einige von uns gehen mit diesem Ausnahmezustand psychische Probleme, wie Depressionen einher – von vielen anderen Ländern, die deutlich stärker unter der Krise leiden als wir in Deutschland, mal ganz abgesehen…

ABER: Wann, wenn nicht jetzt, fallen Probleme und Verbesserungswürdigkeiten in Wirtschafts-, Gesundheits- und Bildungssystem sowie dem Verhalten jedes Einzelnen von uns eher auf? Nehmen wir mal unsere aktuelle Situation als Studierende als Exempel: Zur Eindämmung der Ausbreitung der Pandemie finden vorerst keine herkömmlichen universitären Präsenzveranstaltungen statt. Stellvertretend sollen nun alle Vorlesungen und Seminare in digitaler Form für uns zugänglich sein. Genauso läuft das auch an den meisten Schulen und sogar in einigen Kindergärten ab. Von diesen Fortschritten, welche wir momentan in der Digitalisierung machen, werden wir auch noch nach Überwindung der Corona-Krise profitieren. Dasselbe gilt für die gesteigerte Flexibilität, Stressreduktion und natürlich auch Umweltschonung, die für viele mit dem neuerdings sehr präsenten Homeoffice einhergehen.
Wo wir gerade bei dem Thema Umwelt sind: In Brasilien konnten sich fast 100 frisch geschlüpfte, vom Aussterben bedrohte Echte Karettschildkröten unversehrt den sonst so gefährlichen, weil von Menschen überrannten Weg über den Strand ins Meer bahnen. Nach über 60 Jahren kehren Delfine zurück an die Küste von Cagliari auf Sardinien, die sich sonst durch den Unterwasserlärm der Schiffsschrauben gestört fühlen.
Die massiven Einschränkungen von Verkehr, Produktion und öffentlichem Leben haben einen zentralen positiven Effekt – die Natur atmet auf. Und das quasi buchstäblich: Der sonst von dichtem Smog verschleierte Himmel über chinesischen Städten wie Wuhan zeigt sich in Zeiten der Ausgangssperre von seiner sonnigen und hellblauen Seite. Grund hierfür ist die signifikant niedrigere Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid (ca. 25 Prozent geringer als im Vorjahr im selben Zeitraum), das normalerweise durch Kraftwerke, Fabriken, Autos und Co. in rauen Mengen ausgestoßen wird.
Nach mehrfach verpassten Klimazielen und einer weniger rosigen Aussicht auf das Einhalten des Klimaschutzprogramms für 2030 sind das aufmunternde Nachrichten. Doch sobald die Krise überwunden ist und wir wieder Autofahren, reisen und produzieren, könnte es, ähnlich wie nach der Finanzkrise 2008, zu einem sogenannten “Rebound-Effekt” kommen, welcher dafür sorgen würde, dass die Luftverschmutzung stärker ansteigen würde, als sie es vor der Krise tat. Von einem Rebound-Effekt wird gesprochen, wenn erzielte Einsparungen reinvestiert oder an anderer Stelle zusätzlich konsumiert werden – also ähnlich wie bei dem Jojo-Effekt nach einer Diät und ganz nach dem Motto “Ich habe so lange darauf verzichtet, dann gönne ich es mir jetzt erst recht!”
Hoffnung darauf, dass genau das diesmal nicht passiert, macht dabei das Verhalten vieler Menschen in der aktuellen Krisenzeit. Unser momentaner Ausnahmezustand sorgt für mehr Umsichtigkeit, Solidarität und Reflexion. Wir werden kreativer, halten zusammen und erkennen, dass es für viele Probleme Lösungen gibt, wenn wir um die Ecke denken.
So wurde zum Beispiel den momentan nicht beschäftigten Mitarbeitern von McDonald’s die Möglichkeit gegeben, den großen Kundenansturm bei Aldi als kurzfristig Beschäftigte mit zu bewältigen. Taxifahrer sind in Zeiten des Kontaktverbots ebenfalls unausgelastet, während viele kleine Restaurants mit der neu zu bewältigenden Aufgabe des Auslieferns von Essen überfordert sind. In diesem Zusammenhang wurde die Aktion MyWirt ins Leben gerufen, durch welche Taxiunternehmen den Restaurants bei der Auslieferung unter die Arme greifen und so weiterhin arbeiten können. Auch die App Too good to go bietet mit ihrer WeCare-Initiative eine Lösung für dasselbe Problem. Sie stellt allen gastronomischen Betrieben in ganz Deutschland ihre Plattform mit über 3,5 Millionen Nutzern temporär zur Verfügung, damit diese während der Krise Essen ihrer regulären Menüs als Take-Away anbieten können.

Und mittlerweile lassen sich auch in Rostock diese Leinen finden. Zum Beispiel hier, am Kröpeliner Tor.
Und mittlerweile lassen sich auch in Rostock diese Leinen finden. Zum Beispiel hier, am Kröpeliner Tor.

Ein weiterer Akt von Solidarität und Selbstlosigkeit sind die sogenannten Gabenleinen für Obdachlose. Wer auf der Straße lebt, ist momentan mehr denn je auf Spenden angewiesen, doch unsere Fußgängerzonen sind wie leergefegt. Im Stadtteil St.Pauli in Hamburg hat man sich eine kluge und kontaktlose Lösung für das Problem einfallen lassen: Kleider und haltbare Lebensmittel werden hier gut verpackt “onlein” gespendet, nämlich an Wäscheleinen und Zäune gehängt.

All diese innovativen, kreativen und selbstlosen Ideen lassen mich hoffen, dass wir mit einem stärkeren Gemeinschaftsgefühl, mehr Mut zum Andersdenken und größerer Motivation für Veränderungen aus dieser Krisenzeit hervorgehen.

Und um zum Schluss noch einmal ganz ehrlich und auch ein wenig selbstkritisch zu werden – die drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens durch Corona haben noch eine positive Folge, von der Ihr alle profitiert: Hätten wir als heuler-Redaktion die letzten Wochen nicht gezwungenermaßen größtenteils in unseren vier Wänden verbracht, wäre unsere neue heuler-Ausgabe wahrscheinlich ein bisschen weniger großartig geworden und unsere neue Website vielleicht ein bisschen weniger pünktlich online gegangen.
In diesem Sinne: #StayHome und #StayHealthy und nehmt in Euren #PandemicSurvivalPlan ein paar Tipps und Empfehlungen für zu Hause aus unserem #Kultourkalender auf, um bei dem ganzen #SocialDistancing nicht Eure #Positivity zu verlieren.

Uns ist bewusst, dass Corona in erster Linie negative Folgen hat und wir möchten noch einmal verdeutlichen, dass wir keines der Probleme durch diesen Artikel untergraben oder verharmlosen wollen, sondern nur daran erinnern möchten, dass es unseren momentanen Umständen eben auch positive Dinge zu entnehmen gibt, die wir auf keinen Fall vergessen sollten.

Quellen:

https://www.spiegel.de/wissenschaft/satellitendaten-coronavirus-fuehrt-in-china-zu-rueckgang-der-luftverschmutzung-a-c4e9e3cd-ebde-4d1c-91f3-e2f69972fcab
https://www.hinzundkunzt.de/corona-sozialnews-x35/#Gabenleine
https://www.n-tv.de/panorama/Delfine-kehren-in-Italiens-Haefen-zurueck-article21652835.html
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/coronavirus-muenchen-taxi-lieferdienst-1.4856920
https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/brasilien-fast-100-vom-aussterben-bedrohte-babyschildkroeten-geschluepft-a-a694d93e-715e-4590-8549-31c8c3e137a9

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