von Carolin Grub, Fotos: Sabrina Gose.
Aus dem Archiv: Heft Nr. 128
Liebe Leser*innen,
für die meisten von uns ist der Sommer die schönste Zeit des Jahres. Endlich wieder ans Meer fahren, in kurzen Hosen und Kleidern mit einem Eis durch die Rostocker-Innenstadt schlendern oder die langen Abende am Stadthafen genießen. Einfach eine Zeit, um Energie zu tanken. Doch für einige Arbeitsbranchen ist es auch die Zeit, in denen an solche Dinge nicht zu denken ist. Zu ihnen zählen vor allem die Bauern und Bäuerinnen, die ihren Sommer damit verbringen die Felder zu ernten und sie für die neue Sat aufzubereiten. Im letzten Jahr wurde auf diese wertvolle Arbeit im Zuge des neuen Agrarpaketes aufmerksam gemacht. Um diesen Konflikt noch einmal zu verdeutlichen, wollen wir euch hier nochmal alle Informationen darlegen, schließlich wollen wir nach dieser Erntesaison ein Resümee ziehen, wie sich die Situation der Bauern und Bäuerinnen und die Entwicklung des Agrarpaketes vollzogen hat.
Noch nie zuvor hat die Vorstellung eines neuen Agrargesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, auch Agrarpaket genannt, für so viel Reaktionen gesorgt, wie das Aktuelle. Bereits Anfang September stellte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) die Erneuerungen im Gesetz vor. Diese bezogen sich besonders auf die Verschärfung der Dünge- und Glyphosateinsetzung, sowie auf die Verschärfung des Insekten- und Tierschutzes. Was darauf folgte waren massive Proteste seitens der deutschen Landwirte, die ihre Meinung zu diesen Veränderungen in verschiedensten Gruppierungen und in unterschiedlichster Art ausdrückten.
Den lautesten Protest, und das im wahrsten Sinne, schaffte die unabhängige Organisation „LandSchafftVerbindung“, die mit ihren sogenannten Sternenfahrten unter anderem hier in Rostock und besonders in Berlin für ein absolutes Verkehrschaos sorgte. Mit ihren über 500 Traktoren wollten regionale Bauern aus MV auf ihren Unmut gegenüber dem neuen Agrarpaket aufmerksam machen. Der Grund: schließlich seien all diese Auflagen praktisch nicht umsetzbar. Betrachtet man den Punkt der Düngung, haben alle Bauern ihr Verhalten auf das minimalste reduziert. Sie düngen also auch nur noch das, was die Pflanzen auch wirklich benötigen. Das gleiche gilt auch für den Einsatz von Glyphosat. Man will damit erreichen, dass ein „sauberes Getreide“ wächst und das der Unkraut- Anteil möglichst geringgehalten wird. Geschieht dies durch das vollständige Verbot von Glyphosat nicht, müsste man wieder mit Pflügen beginnen, welches wiederum auch nicht gewollt ist, da das den Bodencharakter massiv schadet. Laut der Organisation beruhen als diese Vorschriften auf keiner wissenschaftlichen und praxisnahen Grundlage. Viele landwirtschaftliche Betriebe leben bereits am Existenzminimum und rutschen immer weiter an die Grenze zur vollständigen Aufgabe ihres Betriebes, da die Umsetzung der Verordnungen auf der einen Seite mit hohen finanziellen Mitteln, die kein kleiner Betrieb zur Verfügung hat, auf der anderen Seite mit einem niedrigeren Ertrag in Verbindung steht. Das Beziehen von regionalen Produkten wird daher immer schwieriger werden. Mit ihren Protesten möchte die Organisation „LandSchafftVerbindung“ daher zeigen, dass sie bereit für Gespräche sind und die Vorurteile gegenüber der Landwirtschaft, welche oftmals durch ein Uninteresse an der Politik beschrieben werden, abbauen. Ganz klar wollen sich die Landwirte und Landwirtinnen auch zum Natur- und Tierschutz bekennen. Die Demonstrantin Sabrina G., welche an unserer Uni Rostock Agrarwissenschaften studiert und in ihrer Heimat auf dem familieneigenen Betrieb lebt und arbeitet, sagte dazu, dass ja der letzte Sommer gezeigt habe, was Klimaerwärmung bedeutet und wie wichtig es daher ist, Umwelt- und Klimaschutz zu betreiben. Sie betont daher ganz klar, dass die Organisation für eine Ende der Spaltung steht. „Die Natur zu nutzen un gleichzeitig zu schützen sollte Hand in Hand ablaufen!“ Es muss also ein Mittelweg gefunden werden, der sowohl die Existenz der Landwirte, die damit verbundene Produktion von regionalen Produkten und insbesondere den Tier- und Umweltschutz in Einklang bringt. Und dafür sind gemeinsame Gespräche zwischen den Landwirten und der Politik, auf der Grundlage von wissenschaftlichen und praxisnahen Fakten, notwendig. „Diese können aber erst dann funktionieren, wenn wir uns Gehör verschaffen und auf die Problematik aufmerksam machen und das geht nur, wenn wir das alltägliche Leben ein wenig durcheinanderbringen, wie beispielsweise die Verlangsamung des Verkehrs“, so die Mit- Demonstrantin. Eher lautlos, aber dennoch mit einer Veränderung des alltäglichen Lebens, machen die Unterstützer der Aktion „Grüne Kreuze“ auf die Nöte der Landwirte aufmerksam. Vielen sind bestimmt schon die großen grünen Kreuze auf den Feldern aufgefallen, die symbolisch für das leise Sterben der Bauern stehen. Mit bereits über 10.000 Kreuzen deutschlandweit, protestieren sie ebenfalls gegen die neuen Verordnungen des Agrarpaketes und die massiven Einschränkungen in der Landwirtschaft, die das Überleben der Bauern immer schwieriger macht. Bestimmt wird ihr Protest vor allem von dem Unmut über die Bürokratie. Landwirt*in ist man mit Herz und Seele und hat daher auch eine starke Verbindung zu Tier und Natur, die man schützen will. Gerade bei der Umstrukturierung der eigenen Anlage, um sie zum Beispiel tierfreundlicher zu gestalten, werden die Landwirte und Landwirtinnen finanziell nicht unterstützt und von den vielen baulichen Vorschriften massiv eingeschränkt. Eine Umsetzung des Vorhabens ist daher nur schwer möglich. Aber nicht nur die Politik ist Adressat des stillen Protestes, sondern auch die Verbraucher. Diese wünschen sich schließlich „Tierwohl und tiergerechte Fleischproduktion“, sind aber nicht bereit den entsprechenden Preis im Supermarkt dafür zu bezahlen und greifen daher lieber zu importiertem Billig- Fleisch, welches in keiner Wiese im Sinne des Tieres produziert wurde. Dadurch kann eine regionale Landwirtschaft nicht am Leben gehalten werden und ein „langsames Sterben der Bauern“ ist vorprogrammiert. Bis jetzt noch etwas leiser, aber dennoch aktiv, protestiert die Organisation „farmers for future“, welche sich, wie bereits am Namen zu erkennen ist, mit der „fridays for future“- Bewegung solidarisiert. Diese ruft nämlich alle Bio- Landwirte und Lanwirtinnen, Gärtnerinnen, Imkerinnen und Winzerinnen auf, sich noch stärker für den Umweltschutz in der Landwirtschaft einzusetzen. Sie stehen dafür, dass die bereits im Agrarpaket vorgenommenen Veränderungen immer noch nicht ausreichend sind, um Landwirtschaft vollständig umweltfreundlich zu gestalten. Die Landwirtschaft träge schließlich eine enorme Mitschuld an dem Klimawandel und müsse als ebenso Betroffener seinen Teil zur Verbesserung beitragen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Politik entschlossener handelt und entscheidender durchgreift. Dies betrifft vor allem den Schutz von Mooren und Grünlandflächen, sowie die generelle Reduktion der Treibhausgas- Emission, bei der die Landwirtschaft einen Anteil von 10% an die Gesamtemission einnimmt.
Ein Agrarpaket, zwei Meinungen und irgendwie kann man jede Meinung nachvollziehen. Es wird schwierig werden, all diese Forderungen zu bündeln und sie für jede Partei umsetzbar zu gestalten. Aber es ist wichtig, dass die Landwirtschaft ihre Stimme erhebt und nicht nur die Politik, sondern auch den Verbraucher auf die Situation der Bauern aufmerksam macht und an ihr Konsumverhalten appelliert. Denn was wäre Deutschland ohne seine Landwirtschaft? Schließlich schmecken die Eier von glücklichen Hühnern vom regionalen Bauern neben an immer noch am besten, oder?
Quellen:
https://landschafftverbindung.de/
https://www.tagesschau.de/inland/landwirtschaft-109.html
https://farmers-for-future.de