Was ich dir eigentlich sagen wollte

Mental Health Awarness

Von Anonym // Illustration von Rosa Staiger

Dieser Artikel wurde passend zur Mental Health Awareness Woche (10. – 16.05.2021) verfasst. Dabei handelt es sich um eine Textnachricht, die nie abgeschickt wurde. Die Verfasserin möchte anonym bleiben, ist jedoch der Redaktion bekannt. Bitte seid euch bewusst, dass es sich bei diesem Artikel um die Darstellung einer Krankheit (Depression) handelt. Der Betroffenen ist bewusst, dass ihr Umgang mit der Krankheit weder gesund noch förderlich ist. Dieser Artikel dient lediglich als Einblick in ihre Gedankenwelt.

Kannst du dich noch daran erinnern, dass du mich mal gefragt hast, ob ich glaube, ich hätte Depressionen? Wie ich damals verneint habe, weil warum sollte ich Depressionen haben? Es gibt doch immerhin gute, aber auch schlechte Tage. Ich habe ja nur eine andere Art mit schweren Dingen umzugehen als der Großteil. Doch dann gibt es Tage wie heute, wo ich mein Zimmer nicht verlasse und nur zwangsweise was esse. Und der einzige Grund, warum ich mir nichts antue, ist, dass irgendjemand etwas sehen könnte, der oder die es nicht sollte, wie meine Familie. Dann frage ich mich, ob das alles nur Fake ist, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch die einzige Person, die am besten darüber Bescheid weiß, bist du und dabei weiß ich noch nicht mal, ob ich diese Nachricht überhaupt abschicken werde. Ich bin einfach so verdammt abgefuckt.

Aber ich habe so viel Angst davor, mir Hilfe zu suchen. Die Menschen, die wissen, dass ich mir wehtue und nicht stabil bin, können es einfach nicht verstehen. Warum kann ich nicht einfach zu einem oder einer Psycholog:in gehen und mich dort ordentlich ausheulen? Ich meine, ich habe es versucht und ja, der Typ war vielleicht der Falsche, aber es macht mir auch einfach Angst. Es macht mir Angst, die zu werden, die regelmäßig zur Therapie geht. Dieser Stempel, den ich aufgedrückt bekommen könnte, macht mir Angst. Und es war schon letztes Mal schwer genug, die ganze Sache geheim zu halten.

Doch ich will damit auch nicht meiner Familie eine Last werden. Sie kratzen mit ihrem Wissen an der Oberfläche. Ich konnte meine Wunden immer gut verstecken. Für lange Zeit ließ ich sie auch in dem Glauben, dass das alles nur eine Phase war – ein Anflug von jugendlicher Rebellion mit 14. Doch nun bin ich 21 Jahre alt und kann sagen, dass es keine Phase war und ich weiß selber, dass das ein Problem ist, was ich angehen muss.

Ich sehe meine ganzen Freund:innen, wie sie Spaß haben und ich frage mich, warum ich nicht dabei bin. Warum können sie mir einfach nicht zeigen, wie toll das Leben sein kann und wie viel Spaß es macht? Dann frage ich mich, ob es überhaupt meine Freund:innen sind, wenn ich das Gefühl habe, sie würden mich nicht verstehen. Aber ich sehne mich auch danach, mit ihnen was zu unternehmen. Selbst nach einem Jahr ist diese Pandemie so schwer für mich wie am ersten Tag. Denn ich möchte einfach wieder etwas Freude verspüren, während ich mit ihnen an Stadthafen sitze. 

Ich verspreche, dass ich mir eine:n ordentliche:n Therapeut:in suchen werde, aber im Moment schaffe ich es einfach nicht. Bitte gib mir noch etwas Zeit.

Jede:r, der oder die mit ähnlichen Gefühlen kämpft und sich in diesem Artikel wiedererkennt, kann und sollte sich Hilfe suchen. Niemand sollte denken, dass man durch eine psychische Krankheit weniger Bestandteil der Gesellschaft ist als andere. Eine Studie zeigt, dass in der Corona-Krise die Krankschreibungen im ersten halben Jahr von 2020 – im Gegensatz zum Vorjahr – um 80 % stiegen1.

Sich wie oben in dem Artikel beschrieben, in solchen Situationen hilflos zu fühlen, ist völlig normal. Doch genauso normal und vor allem wichtig ist es, sich professionelle Unterstützung zu suchen und in Therapie zu begeben. Dafür ist schließlich das breite Angebot an Hilfe vorhanden, so unter der Nummer 0800 111 0 111.

1https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-08/seelische-gesundheit-corona-krise-psychische-erkrankungen-studie

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