Von Carla Radtke // Illustration von Rosa Staiger
Alles albern.
Ist das ein Generationsgefühl? Zwischen Pessimismus und Belanglosigkeit stolpere ich in meinem zwanzigsten Lebensjahr herum, wenn ich über die Zukunft nachdenke.
Nicht meine. Unsere Zukunft, unser Zusammenleben.
Wir, damit meine ich eine Generation, die mit großer Vehemenz Probleme aufzeigt und gleichzeitig egofokussierter ist als vielleicht jemals zuvor. Es sind immer diese zwei Dimensionen: sorgfältig Dehnungsstreifen auf Instagramfotos retuschieren und über eine Welt nachdenken, in der Waldbrände wüten, ganze Städte überfluten, Menschen unvorstellbare Anzahlen an Tieren töten und die Erde, unseren Planeten, unsere Existenz behandeln, als wäre sie eine feindliche Erscheinung.
Eine Generation, die ich vielleicht lieber als Kollektiv bezeichnen sollte (denn viel prägnanter als Geburtsdaten sind ähnliche Lebensrealitäten), stochert in ewigen Tiefen von Nichtigkeiten umher. Mithilfe sozialer Medien entstehen irrelevanteste Komplexe, die in ihrer Gesamtbetrachtung die dümmlichen Ausmaße unserer Gedankenwelt darlegen.
Stirn zu groß, Oberschenkel zu dick, zu wenig Freunde.
Alles Albern.
Ältere Menschen würden vielleicht behaupten, dass wir das Internet nutzen, um der Realität zu entfliehen, doch das ist ein großer Trugschluss. Nirgendwo erlebt man so viel ungefilterte Realität wie im Netz. Denn Realität ist: Es geht um Aufmerksamkeit und Anerkennung – immer. Und diese Faktoren sind sehr real. Zudem ermöglicht das Internet nahezu allen Menschen, ihre Meinung kundzutun. Durch den vermeintlichen Deckmantel der Anonymität sogar zu Teilen viel ungefilterter.
Soziale Medien schließen den Kreis der Lebenswirklichkeiten vieler perfekt. Es geht um politische Ereignisse, Sexy-Aussehen, Missstände der Gesellschaft, Werbung für Lipgloss, dein Leben im direkten Vergleich zu anderen, Werbung für die SPD. Und das alles in einem sehr suchtanfälligen Format.
Unsere Zuflucht in Nichtigkeiten liegt also weniger am Internet oder den sozialen Medien im Allgemeinen, sondern dem kontinuierlichen Auf- und Abwerten anderer. Dem Machtspiel, wer liket wen.
Die Absurdität muss von außen kaum begreifbar sein – der Wechsel zwischen existenziellen Problemen der Menschheit, Gesellschaft und Moral stehen in ernsthafter Konkurrenz zu persönlichen Empfindungen. „Bin ich hübsch genug?“, „Warum haben alle Menschen so viel Urlaub?“, versus Klimawandel, Nazis, Terroranschläge und Massentierhaltung.
Wir, die Generation, die beides kann.
Und obwohl wir, unsere Generation, sich als erste in dem Ausmaß für den anthropogenen Klimawandel interessiert, Gender-Klischees infrage stellt und fleischlos lebt, empfinde ich Apathie. Ich fühle mich machtlos gegenüber der nicht-grünen Wirtschaft, starkem Lobbyismus und alten Politikern, die unsere Zukunft nicht ernst genug nehmen.
„Früher war alles besser“, stimmt nicht. Zu vieles ist immer noch genauso, wie es nicht mehr sein darf. Und vielleicht ist es an der Zeit, pessimistisch zu sein, denn wir stehen wie vor einem stetig wachsenden Berg an Problemen.
Gerne würde ich zu Aktionismus aufrufen, aber eine Gender-Debatte löst doch die größere Aufmerksamkeit aus.
Alles albern.