von Hannah Miltzow // Illustration von Josephin Bauer
Die Musikerin Taylor Swift und ihre Lieder kennt vermutlich jede:r. Die 33-jährige US-Sängerin hat sich seit ihrem ersten Album 2006 zu einem globalen Phänomen entwickelt. Seit ihrer Debütplatte hat sie neun weitere Studioalben veröffentlicht, als einzige Frau dreimal den Grammy für das Album des Jahres gewonnen und ist die bestverdienende Musikerin der letzten Dekade [1]. Momentan ist sie auf ihrer The Eras Tour, welche 131 Konzerte auf fünf Kontinenten umfasst und beim Vorverkauf für die Konzerte in Frankreich die Plattform Ticketmaster zum Absturz gebracht hat, weil zu viele „Swifties“ gleichzeitig versuchten, an die begehrten Karten zu kommen [2]. Das amerikanische Common Sense Institut schätzt, dass sich die Verbraucher:innenausgaben der Tour in den USA auf 4,6 Milliarden Dollar belaufen könnten, was mehr als das Bruttoinlandsprodukt von 35 Ländern wäre [3]. Taylor Swift ist zurzeit in aller Munde. Zuletzt erschien am 7. Juli mit Speak Now (Taylor’s Version) die dritte Neuaufnahme eines ihrer früheren Alben. Aber was hat es mit diesen Re-Recordings auf sich?
„I brought a knife to a gunfight, they took the crown but it‘s alright“ – Die Sache mit den Master Recordings
Taylor Swift hat 2006 mit gerade einmal 15 Jahren einen Plattenvertrag bei dem Musiklabel Big Machine Records unterschrieben. Der Deal umfasste sechs Studioalben. Diese sind innerhalb der nächsten elf Jahre erschienen, Reputation aus dem Jahr 2017 war das letzte Album, welches vor diesem Hintergrund herausgebracht wurde. Festgelegt in dem Vertrag war es, dass das Label die Rechte an den sogenannten „Master Recordings“ behält. Ein Master stellt im Musikbusiness die offizielle und originale Aufnahme dar, von welcher alle Kopien ausgehen [4]. Besitzt man den Master eines Songs, hat man auch die Rechte an diesem und kann darüber entscheiden, wie das Lied genutzt und wem es zur Verfügung gestellt wird. Demnach entscheidet beispielsweise der oder die Besitzer:in der Master-Aufnahme, ob ein Lied für einen Film lizenziert wird oder nicht [5]. Somit ist der Master am wichtigsten, um frei über die eigene Musik verfügen zu können und auch, um Geld mit dieser zu verdienen. Wenn die Lieder gestreamt werden, geht das Geld an die mit den Rechten an den Masters, aber auch die Künstler:innen, die die Lieder geschrieben haben. Swifts Deal mit Big Machine Records ist in der Musikbranche aber tatsächlich kein ungewöhnlicher. Tatsächlich besitzen die Musiker:innen selten die Rechte an ihren Masters. Gerade bei Newcomer:innen, welche sich noch nicht in der Szene bewiesen haben, gehen Labels ein gewisses Risiko ein, wenn sie das Geld für die Produktion von Alben zur Verfügung stellen. Daher erhalten sie traditionell vertraglich die Rechte an den Masters. Worüber Swift stattdessen verfügt, sind die Rechte zur Veröffentlichung. [6]
Taylor hat alle ihre Songs selbst geschrieben, weswegen diese als Komposition ihr gehören. So hat sie auch neben den Master-Inhaber:innen Mitspracherecht, wenn es darum geht die Lieder lizenzieren zu lassen. Nur die Masters, also die originale Aufnahme, besitzt sie nicht. Sie hat aber als Urheberin das Recht ihre Lieder zu spielen und neu aufzunehmen, solange sie sich zumindest etwas vom Master unterscheiden. Zwar waren im ursprünglichen Vertrag Neuaufnahmen untersagt, jedoch nur für einen gewissen Zeitraum, der November 2020 endete. Seitdem ist sie dabei ihre ersten sechs Alben neu aufzunehmen. [7]
Aber warum macht sie sich die Arbeit?
„Now we got bad blood“ – Der Verkauf von Big Machine Records
Nachdem der Plattendeal ausgelaufen war, hat im Jahr 2019 der Besitzer von Big Machine Records, Scott Borchetta, sein Label an den Musikmanager Scooter Braun des Unternehmens Ithaca Holdings für 300 Millionen Dollar verkauft. Ein Deal von dem Swift angeblich nichts wusste [8]. Die Jahre davor hat sie bereits versucht die Master für ihre Songs von Borchetta zu erwerben, welcher jedoch laut der Musikerin nur inakzeptable Bedingungen dafür anbot. So hätte sie laut eigener Aussage einen neuen Vertrag unterschreiben sollen, welcher ihr mit jedem neuen Album bei dem Label die Rechte für die Master eines der älteren Alben gegeben hätte. Da sie vermutete, dass Borchetta seine Firma verkaufen wolle und ihre Zukunft damit unsicher wäre, ließ sie ihre alte Musik zurück. Die Sängerin unterschrieb daraufhin einen Plattenvertrag bei Universal Music Group, mit welchem sie die Rechte an ihren zukünftigen Masters haben würde, also jedem Album seit Lover von 2019. Als sie von dem Verkauf an Scooter Braun erfuhr, war sie schockiert und beschuldigte den Manager in ihrem Tumblr-Blog als „bully“. Später erklärte sie außerdem, dass er verhindert habe, dass sie bei den American Music Awards ein Medley ihrer eigenen Songs performt, da er die Vertragsbedingungen sonst als gebrochen gesehen hätte [7]. Scooter Braun beschuldigt Swift ihre Fans gegen ihn aufzuhetzen und verhandelte auch mit dem Popstar um die Masters der ersten sechs Alben. Jedoch lehnte sie sein Angebot ab, da es in dem Vertrag eine Klausel gegeben hätte, die es ihr untersagt negativ über Braun zu sprechen [6]. Seitdem setzt der Weltstar sich dafür ein auf die widrigen Bedingungen in einem Musikbusiness, das es ihrer Meinung nach erlaubt Musik von Künstler:innen so einfach wie Grundstücke oder Häuser zu verkaufen, aufmerksam zu machen. Außerdem fühle sie sich ungerecht behandelt, weil ihr nicht die Möglichkeit gegeben wurde die eigene Musik einfach gegen Geld zu kaufen, wie Ithaca Holdings es konnte. Das Drama ging weiter, als die Firma ohne ihre Zustimmung eine alte Live-Radioübertragung ihrer Musik als neues Album raus brachte, ohne Swift deswegen konsultiert zu haben. Sie warf den Rechteinhaber:innen ihrer Musik vor, sich beim Kauf verschätzt zu haben und Geld zu brauchen. Im selben Jahr wurde bekannt, dass die Rechte zu Swifts ersten sechs Alben von Scooter Braun weiterverkauft wurden an Shamrock Capital. Diese meldeten sich nach dem Kauf bei ihr, um gemeinsam ihre ersten Alben weiterhin zu promoten, was die Musikerin ablehnte, da Braun trotz des Verkaufs weiterhin an ihrer Musik verdient. [9]
Taylor Swift hat über mehrere Jahre hinweg versucht an die Rechte für ihre Musik zu kommen, mit unterschiedlichen Menschen darüber verhandelt und blieb aufgrund von für sie nicht akzeptablen Bedingungen erfolglos. Aufgegeben hat sie ihre ältere Musik nicht, ganz im Gegenteil.
Mine (Taylor‘s Version)
Als Taylor Swift erklärte, dass sie nicht mit Shamrock Capital zusammenarbeiten würde, kündigte sie außerdem an, ihre bei Big Machine Records entstandenen Alben neu aufzunehmen und nach und nach als ihre Version zu veröffentlichen. Diese Re-Recording würden den Wert ihrer bei Shamrock liegenden alten Masters verringern, meint die Sängerin. [9]
In dieser Hinsicht vertraut Swift auf ihre treuen Fans. Sie hat ihre Sicht der Dinge und was passiert ist, auf ihren Social Media-Kanälen offen gelegt und geht davon aus, dass ihre Hörer:innen sie unterstützen, indem diese nur noch die Alben mit dem Zusatz Taylor‘s Version konsumieren. Eine Gleichung die aufgeht, ihre ehrliche Art und der offene Dialog mit den „Swifties“ wird belohnt: Mit Speak Now (Taylor‘s Version) bricht der Weltstar einen Rekord, denn als das Album auf Platz 1 der US-Albumcharts Billboard 200 einstieg, gelang ihr nicht nur der beste Start eines Albums diesen Jahres in den USA. Gleichzeitig wurde sie zur ersten Frau mit vier Alben zur selben Zeit in den US-Top-Ten, was keinem lebenden Musikschaffenden seit beinahe 60 Jahren gelungen ist, und ist mit zwölf Nummer-Eins-Platten die Frau mit den meisten Nummer-Eins-Alben [10]. Mit den Neuaufnahmen wehrt Swift sich gegen die gängigen Arbeitsweisen im Musikbusiness und macht sich dafür stark, dass Künstler:innen die Rechte an ihrer eigenen Musik erhalten, denn diese seien die einzigen, die das eigene Werk wirklich kennen. [11]
[1] McDowell, E. (2022, 15. November). 15 times Taylor Swift has broken records throughout her career. INSIDER. https://www.insider.com/taylor-swift-broken-records-made-history-2022-8
[2] SPIEGEL (2023, 12. Juli). Ticketmaster muss Vorverkauf für Taylor-Swift-Konzerte in Frankreich abbrechen. SPIEGEL. https://www.spiegel.de/kultur/taylor-swift-ticketmaster-musste-vorverkauf-fuer-konzerte-in-frankreich-abbrechen-a-8de79930-66d3-4f5a-8901-d1a1e14f7fc6
[3] Fox, M. (2023, 17. Juli). „Mehr als das BIP von 35 Ländern“: US-Notenbank veröffentlicht Bericht über die wirtschaftliche Dimension der Taylor-Swift-Tour. BUSINESS INSIDER. https://www.businessinsider.de/wirtschaft/verbraucher/wirtschaftliche-auswirkungen-swift-tour-in-den-usa-mehr-als-bip-von-35-laendern/
[4] MixButton. What is a Master Recording? MixButton. https://mixbutton.com/mastering-articles/what-is-the-master-recording/
[5] Bloom, E. What Does It Mean to Own Your Masters? amuse. https://www.amuse.io/en/content/owning-your-masters
[6] Morrow, B. (2023, 10. Mai). Why Taylor Swift keeps releasing all those re-recorded albums. THE WEEK. https://theweek.com/taylor-swift/1013413/why-taylor-swift-keeps-releasing-all-those-re-recorded-albums
[7] Hutchings, E. (2023, Juli). Why is Taylor Swift re-recording her albums and which album will she re-record next? GoodTo. https://www.goodto.com/entertainment/why-is-taylor-swift-rerecording-her-albums-which-album-next
[8] Roa, R. (2021, 16. November). Explained: Why Taylor Swift is re-recording her studio albums, and what it says about copyright battles with mega music labels. Firstpost. https://www.firstpost.com/entertainment/explained-why-taylor-swift-is-re-recording-her-studio-albums-and-what-it-says-about-copyright-battles-with-mega-music-labels-10138211.html
[9] Ingham, T. (2023, 14. Juni). Reliving the Taylor Swift Catalog Saga (and Following the Money…). MUSIC BUSINESS WORLDWIDE. https://www.musicbusinessworldwide.com/taylor-swift-catalog-sale-following-the-money/
[10] SPIEGEL (2023, 17. Juni). Taylor Swift knackt Rekord von Barbra Streisand. SPIEGEL. https://www.spiegel.de/kultur/musik/taylor-swift-knackt-rekord-von-barbra-streisand-meiste-nr-1-alben-einer-frau-a-063737ae-cc12-4e85-a458-8730305d195a
[11] Baroni, O. (2021, 20. November). Hat Taylor Swift ihr Label ausgetrickst? watson. https://www.watson.ch/leben/musik/268192254-taylor-swift-nimmt-ihre-ersten-6-alben-neu-auf-weshalb