Von Hannah Miltzow // Illustration von Josephin Bauer
2023 konnte zum ersten Mal seit 63 Jahren in Hollywood nicht mehr produziert werden. Grund: Ein gemeinsamer Streik der Autor:innen-Gewerkschaft Writers Guild of America (kurz: WGA), also der Interessenvertretung der Drehbuchautor:innen und der Screen Actors Guild – American Federation of Television and Radio Artists (SAG-AFTRA), dem Äquivalent für vor der Kamera oder dem Mikro stehenden Akteur:innen wie beispielsweise Schauspieler:innen [1]. Die WGA hat ihren Streik Ende September für beendet erklärt, um die Gewerkschaftsmitglieder über eine Vereinbarung mit Produktionsstudios und Streamingdiensten abstimmen zu lassen [2]. SAG-AFTRA befindet sich noch in Verhandlungen.
Warum WGA und SAG-AFTRA streik(t)en
Streiks scheinen ein leidiges Thema zu sein und vermutlich haben viele Menschen, die nicht direkt involviert sind, keine Lust mehr, sich damit zu beschäftigen. Vor allem Bahnstreiks oder vergleichbare Verkehrsmittel lahmlegende Arbeitskämpfe haben so manchen Personen bereits einige Nerven gekostet, wenn nicht mehr sicher war, wie man zur Arbeit oder ans Reiseziel kommt. Für Privatpersonen sind Streiks zwar möglicherweise ungemütlich, jedoch können sie etwas Positives für die Streikenden bewegen wie bspw. höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Dafür diente auch der gemeinsame Streik der WGA und SAG-AFTRA.
Die Gewerkschaft der Autor:innen verhandelte im Frühjahr mit Streamingplattformen und Produktionsstudios, um neue Bedingungen festzulegen, nachdem alte Verträge ausgelaufen waren, aber als keine Einigungen erzielt werden konnten, wurde der Streik Anfang Mai ausgerufen [3].
Die Autor:innen streikten u.a. für bessere Löhne, Gesundheitsleistungen und mehr Sicherheiten zum Schutz ihrer Arbeit. Eine Forderung waren höhere Tantieme, also mehr Gebühreneinnahmen, die bei der Verwertung von ihren Werken entstehen. Weiterhin verlangten sie Sicherheiten, dass ihre Jobs gegenüber dem Einsatz künstlicher Intelligenz geschützt sind und eine Regelung, wie bei dem Einsatz solcher Technologien verfahren wird. Außerdem kämpften sie für Restzahlungen, wenn Shows, an denen sie beteiligt sind, sich zu einem Hit entwickeln und große Gewinne einfahren, da sie von Streamingdiensten bisher ein festgesetztes jährliches Gehalt, ohne Nachzahlungen bei weltweiten Erfolg, erhielten. [4]
Etwas über zwei Monate später schloss sich SAG-AFTRA dem Streik an. Wie bei dem Streik der Drehbuchautor:innen ist der der Darstellenden durch stockende Verhandlungen mit der Alliance of Motion Picture and Television Producers (kurz: AMPTP) ausgerufen worden. Bei der AMPTP sind Firmen wie Netflix, Amazon, Disney, Sony und mehr große Studios Mitglied. Die Gewerkschaft SAG-AFTRA vertritt verschiedene Berufsgruppen, aber dieser Streik dreht sich vor allem um Film- und Fernsehschauspieler:innen, da diese in der Regel Gewerkschaftsmitglied sein müssen, um in den Vereinigten Staaten bei Produktionen arbeiten zu können [5]. Mitglieder der Gewerkschaft dürfen seit Beginn des Streiks nicht mehr vor eine Kamera treten und drehen. Aber auch andere Arbeitsbereiche sind untersagt, Schauspieler:innen dürfen während des Streiks in keiner Weise Werbung für Filme und Serien machen, also nehmen sie weder Pressetermine wie Interviews wahr, noch sind sie bei Filmpremieren zugegen. Durch diese Regelung kam es auch zu der Premierenvorverlegung des Blockbusters Oppenheimer in London. Alle Beteiligten wurden eine Stunde früher auf dem roten Teppich begrüßt, damit dieser mit den Darsteller:innen stattfinden konnte. Als die Vorstellung starten sollte, begann offiziell der Streik und die Schauspieler:innen mit Größen wie Matt Damon und Emily Blunt verließen gesammelt die Veranstaltung. [6]
SAG-AFTRA verlangt für ihre Mitglieder ähnliche Forderungen wie die WGA. Aufgrund steigender Kosten und sich verschlechternden Gagen durch den Erfolg von Streaming, sind höhere Honorare für Darsteller:innen gefordert. Die Gewerkschaft verlangt ebenfalls eine Erfolgsbeteiligung, wenn Streaming-Shows sich zu einem Hit entwickeln. Weiterhin wollen die Schauspieler:innen, genau wie die Drehbuchautor:innen, klare Regelungen für den Einsatz künstlicher Intelligenz, da sie befürchten, durch Computeranimationen ersetzt zu werden, oder dass sie nach ihrem Tod ohne Zustimmung mithilfe von KI in Filmen und Serien eingebaut werden könnten. [1]
Ende September konnte die WGA Erfolge bei den Verhandlungen erzielen und erklärte den Streik für beendet, um die Gewerkschaftsmitglieder über die neu ausgehandelten Bedingungen abstimmen zu lassen. Der neue Vertrag hat eine Gültigkeit bis Mai 2026 und beinhaltet Punkte wie Lohnerhöhungen, höhere Zuschüsse für Krankenversorgung und Regelungen für den Einsatz von KI. Vorbei ist der Hollywood-Streik jedoch noch nicht, da die SAG-AFTRA-Mitglieder ihren Streit fortsetzen. Bis die Gewerkschaft der Schauspieler:innen sich mit der Vereinigung der Produktionsfirmen einigt, wird die Produktion von Filmen und Serien weiterhin stocken. [2]
Der gemeinsame Streik der zwei Gewerkschaften markiert einen Wendepunkt. Wir leben in schnelllebigen Zeiten mit ständig neuen und innovativen Ideen und Erfindungen. Aber oft wird zu lange gewartet, bevor der Umgang mit Innovationen wie zum Beispiel künstlicher Intelligenz diskutiert wird. Dabei ist es essenziell, neue Rahmen und Maßstäbe zu setzen, was WGA und SAG-AFTRA durch ihren Streik angegangen sind. Regelungen für Neuheiten zu schaffen ist unabdingbar, damit keine Benachteiligung aufgrund undefinierter Variablen entsteht. Der Streik hat bewirkt, dass Aufmerksamkeit entsteht, um über aktuelle Sorgen und Probleme sprechen zu können. Außerdem war das gemeinsame Streiken ein starkes Zeichen gegen große Produktionsfirmen, die gegenüber einzelnen Autor:innen und Schauspieler:innen eine Übermacht darstellen. Sich gegen Ausbeutung und für die eigenen Rechte einzusetzen, ist daher richtig und wichtig.
Die Auswirkungen des gemeinsamen Streiks
Da sowohl WGA als auch SAG-AFTRA streikten bzw. es immer noch tun, wurden zahlreiche Produktionen pausiert. Ohne Drehbücher können Drehs logischerweise nicht stattfinden. Und selbst wenn Drehbücher fertig sind, gibt es keine Schauspieler:innen, die diese vor der Kamera verwirklichen. Aber selbst bei Filmen und Serien, die schon vorm Streik abgedreht waren und sich in der Postproduktion befinden oder komplett fertig sind, kommt es durch den bereits historischen Streik zu Verzögerungen. Da die Darsteller:innen keine Werbung mehr machen dürfen, wurden Premieren abgesagt, da der rote Teppich ansonsten ziemlich leer wäre. Durch die nicht stattfindenden Promotermine von Schauspieler:innen, würden Filme außerdem weniger Aufmerksamkeit bekommen und möglicherweise niedrigere Zahlen an Kinobesucher:innen und dadurch weniger Einnahmen erzielen. Das möchte wahrscheinlich kein:e Produzent:in riskieren, wenn teilweise Milliardenbeträge für Filme ausgegeben wurden. Daher wurden die Starttermine von hochkarätigen Filmen, wie beispielsweise Dune: Part Two ins nächste Jahr verschoben [6].
Als erstes wurde der Streik der Drehbuchautor:innen für Zuschauer:innen jedoch bei den amerikanischen Late-Night-Shows und Talkshows deutlich sichtbar. Diese werden, um aktuelle Themen zu behandeln, kurzfristig produziert, weswegen sie ohne Texte und Witze schreibende Autor:innen bereits kurz nach Beginn des WGA-Streiks pausiert werden mussten. Somit gingen u.a. die Sendungen von Jimmy Kimmel, Jimmy Fallon, Seth Meyers, Stephen Colbert und das langlebige Saturday Night Live in eine Zwangspause [7].
Nach den pausierten Late-Night-Shows haben zahlreiche Filme und Serien neue Starttermine bekommen. Dies betraf auch Filmfestivals, so haben die Festspiele in Venedig und das Toronto International Film Festival Premieren abgesagt. Außerdem wurde die Preisverleihung für die Emmy Awards auf Januar verschoben. [6]
Film- und Serienfans oder Liebhaber:innen von Award-Shows müssen nun Geduld beweisen, bis der langersehnte Film in die Kinos kommt oder die nächste Staffel der Lieblingsserie veröffentlicht wird.
Filme und Serien mit neuen Startterminen – Eine Auswahl
Zahlreiche Filme und Serien wurden nach hinten verschoben, einige haben durch den Streik gar kein konkretes Veröffentlichungsdatum mehr. Die Liste an betroffenen Produktionen ist definitiv um einiges länger als die der nicht betroffenen.
Vor allem Fans von Superheldenfilmen werden Geduld beweisen müssen, da alle angekündigten Projekte, bis auf Deadpool 3, der jetzt sogar früher erscheinen soll, um mehrere Monate verschoben wurden, oder jetzt undatiert sind. Weiterhin wurden Live-Action-Verfilmungen von Disney mit neuen Erscheinungsterminen versehen. Besonders stark müssen Fans von James Camerons Avatar-Reihe sein: Nachdem über zehn Jahre auf den zweiten Film gewartet werden musste und die restlichen Filme im Rhythmus von zwei Jahren erscheinen sollten, wurden diese erneut um mehrere Jahre verschoben. Teil 3 erscheint mit Ende 2025 ein Jahr später, Teil 4 ganze drei Jahre nach dem ursprünglichen Termin im Dezember 2029 und der letzte Film wurde um drei Jahre auf 2031 verschoben. Wer sich für nächstes Jahr auf neue Staffeln von beliebten HBO-Serien gefreut hat, wird wohl auch enttäuscht werden, Serien wie The Last of US, Euphoria, House of the Dragon und The White Lotus kommen erst 2025 mit neuen Folgen zurück. Die beliebten Netflix Originals Stranger Things und Emily in Paris stehen durch den Streik aktuell ohne Veröffentlichungsdatum da. [8]
Eine komplette Liste aller durch den Hollywoodstreik verzögerten Produktionen mit neuen Veröffentlichungsdaten hat die Wikipedia-Community hier zusammengetragen.
Redaktionsschluss für diesen Artikel war der 08. Oktober 2023.
[1] Krause-Blouin, J. (2023, 14. Juli). Hollywood steht still. ZEIT ONLINE. https://www.zeit.de/kultur/film/2023-07/hollywood-streik-schauspieler-streaming-ki/komplettansicht (abgerufen am 01.10.2023).
[2] ZEIT ONLINE (2023, 27. September). US-Autorengewerkschaft stimmt Vertrag zu und beendet Streik. ZEIT ONLINE. https://www.zeit.de/kultur/film/2023-09/hollywood-streik-drehbuchautoren-wga (abgerufen am 01.10.2023).
[3] Tagesschau (2023, 02. Mai). Hollywood-Autoren treten in den Streik. Tagesschau. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/hollywood-streik-drehbuchatuoren-100.html (abgerufen am 01.10.2023).
[4] Malik, Y., Kachwala, Z. (2023, 27. September). What caused the Hollywood writers‘ strike and is it over? Reuters. https://www.reuters.com/world/us/is-hollywood-writers-strike-over-2023-09-25/ (abgerufen am 01.10.2023).
[5] ZEIT ONLINE (2023, 14. Juli). Das bedeutet der Hollywoodstreik für Filmfans. ZEIT ONLINE. https://www.zeit.de/kultur/film/2023-07/hollywood-streik-schauspieler-drehbuchautoren-sag-aftra-faq (abgerufen am 01.10.2023).
[6] Bartram, A., Wilhelm, K. (2023, 31. August). Serienstops und verschobene Kinostarts. Deutschlandfunk Kultur. https://www.deutschlandfunkkultur.de/hollywood-schauspieler-streik-100.html (abgerufen am 01.10.2023).
[7] Koblin, J., Nerkar, S. (2023, 27. September). With Strike Over, Late Night Shows Will Return Next Week. The New York Times. https://www.nytimes.com/2023/09/27/business/late-night-shows-return-strike.html (abgerufen am 01.10.2023).
[8] Kelley, S. (2023, 19. September). All the major movies and TV shows delayed by the strikes. Los Angeles Times. https://www.latimes.com/entertainment-arts/business/story/2023-09-19/tv-shows-movies-delayed-list-writers-strike-sag-aftra (abgerufen am 01.10.2023).