Von Sandeep Preinfalk // Illustration von Luca Butt
Seit einigen Wochen ist das Rauchen von Cannabis legal. Während sich Konsumenten darüber freuen, warnen Kritiker vor verheerenden Folgen. Doch sind die Sorgen berechtigt oder sollte die Legalisierung vielmehr als Chance gesehen werden?
Nach langem Streit und ständigen Verzögerungen einigte sich die Ampelkoalition schließlich auf das neue Cannabisgesetz. Bereits am 1. April trat es, mit Ausnahme einiger Regelungen, in Kraft und erlaubt seitdem allen über 18-Jährigen das Rauchen von Hanf. Zudem dürfen Erwachsene 25 Gramm der Pflanze bei sich tragen und 50 Gramm zu Hause lagern. Der eigene Anbau von bis zu drei Hanfpflanzen ist ebenfalls gestattet. Allerdings müssen beim Rauchen von Cannabis mindestens 100 Meter Abstand zu Spielplätzen, Kindergärten und Schulen gehalten werden. Überdies ist die Weitergabe an Kinder und Jugendliche generell, sowie das Rauchen in der Öffentlichkeit tagsüber verboten.[1]
Mit dem neuen Gesetz beabsichtigt die Bundesregierung der aus ihrer Sicht gescheiterten Drogenpolitik des Cannabiskonsums ein Ende zu setzen. Denn trotz Verbot nahm der Konsum der Pflanze stetig zu und schuf hohe Belastungen für die Polizei. Da der Konsum vom Schwarzmarkt bezogen wurde, konnten zudem der THC-Gehalt, Verunreinigungen und andere Gesundheitsrisiken weder von den Käufern noch von den Behörden kontrolliert werden. Die Legalisierung von Cannabis soll diesen Problemen entgegenwirken. Außerdem erhofft sich die Regierung einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen.[2]
Doch die Entscheidung und Argumente der Regierung stoßen auf immense Kritik. So fürchtet die Polizei einen erheblichen Mehraufwand durch die erforderliche Kontrolle der Regeln und einige Landesjustizminister warnen vor einer Überlastung der Justiz. Darüber hinaus weisen Verbände von Kinder- und Jugendmedizinern auf die Schäden von Cannabis hin, die es bei unter 25-Jährigen aufgrund ihres noch nicht voll entwickelten Gehirns verursachen könnte.[3] Zudem wird eine leichtere Erreichbarkeit der Droge für Jugendliche befürchtet.[4]
Inwieweit die Sorgen um den legalisierten Cannabiskonsum berechtigt sind, lässt sich momentan kaum einschätzen. Nichtsdestotrotz weckt die Begründung der Bundesregierung einige grundlegende Zweifel. Zum einen ist nicht plausibel, warum eine Ausweitung des Angebots den Schutz der Jugendlichen fördern soll. Aufklärungskampagnen und Vorsichtsmaßnahmen könnten auch parallel zu einem Verbot stattfinden. Außerdem ist Jugendlichen sowie Kindern der Konsum weiterhin untersagt, sodass die Gefahr eines Erwerbs vom Schwarzmarkt für diese Altersgruppen bestehen bleibt. Zum anderen ist zweifelhaft, ob die Legalisierung einer weiteren gesundheitsschädlichen Droge für die Gesamtgesellschaft vorteilhaft ist. Am Alkohol beispielsweise sind die Folgen klar zu erkennen. Davon konsumieren viele Deutsche pro Jahr mehrere Liter, obwohl jedes Jahr 74000 an dessen Folgen sterben. Darüber hinaus führt der hohe Alkoholkonsum zu zahlreichen Noteinsätzen, psychischen Krankheiten und anderen Belastungen. Anhand des regelmäßigen Alkoholkonsums unzähliger Menschen wird auch die Suchtanfälligkeit solcher Drogen deutlich. Trotzdem konnte sich Alkohol als Alltagsdroge durchsetzen und eine Lobby etablieren.[5] In Anbetracht dieser Erfahrungen stellt sich die Frage, ob mit der Legalisierung von Cannabis eine ähnliche Entwicklung eingeleitet wird. Möglicherweise wäre der umgekehrte Weg, also eine stärkere Regulierung bereits legalisierter Drogen, die bessere Strategie.
Schlussendlich vermag lediglich ein höherer gesamtgesellschaftlicher Nutzen die Legalisierung von Cannabis zu rechtfertigen. Das neue Gesetz müsste dementsprechend durch die bessere Kontrolle des Schwarzmarkts, Werbeverboten und anderen Präventionsmaßnahmen den potentiellen Schaden infolge eines voraussichtlich höheren Cannabiskonsums ausgleichen. Unser Gesundheitsminister, Karl Lauterbach, hat in diesem Zusammenhang auf eine kanadische Studie verwiesen, nach der Kanada durch die Entkriminalisierung von Cannabis eine massive Eindämmung des Schwarzmarkts gelang. Daher müsste man laut Lauterbach nur eine geeignete Vorgehensweise wählen und Alternativen zum Schwarzmarkt bieten, um ähnliche Erfolge verbuchen und den Cannabiskonsum kontrollieren zu können.[6] Sollte es tatsächlich gelingen, die Schäden auf ein Minimum zu beschränken und die gesetzten Ziele zu erreichen, würde dies das neue Cannabisgesetz legitimieren. Anderenfalls wäre es in seiner Zweckmäßigkeit anzuzweifeln und womöglich der Wegbereiter für ein zukünftiges Leiden vieler Menschen.
[1] Wolfskämpf, Vera (2024): Ab heute ist der Joint legal. https://www.tagesschau.de/inland/cannabis-teillegalisierung-102.html [15.04.2024].
[2] Bundesministerium für Gesundheit (2024): Fragen und Antworten zum Cannabisgesetz. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz [15.04.2024].
[3] NDR (2024): Cannabis-Legalisierung in Deutschland: Welche Regeln gelten? https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Cannabis-Legalisierung-in-Deutschland-Welche-Regeln-gelten,cannabisfaq100.html [15.04.2024].
[4] Wolfskämpf, Vera (2024): Ab heute ist der Joint legal. https://www.tagesschau.de/inland/cannabis-teillegalisierung-102.html [15.04.2024].
[5] Demirci, Katja; Leber, Sebastian (2024): Geld, Lobbyismus, Wählerstimmen: Wieso hat der Alkohol dieses Land so fest im Griff? https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/geld-lobbyismus-wahlerstimmen-wieso-hat-der-alkohol-dieses-land-so-fest-im-griff-10133191.html [15.04.2024].
[6] Bundesministerium für Gesundheit (2024): Lauterbach: Bevölkerung stärker gegen den Schwarzmarkt schützen. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/reden/rede/cannabisgesetz-lauterbach-rede-bundesrat-22-03-2024.html [15.04.2024].