Auszug mit 18 – ein Erfahrungsbericht

von Ella Rennert // Illustration von Emma Moehrke

Jahrelang kämpft man um sein Abi. Dann hat man es in der Tasche und plötzliche nervt
die ganze Familie mit der Frage: „Wie geht es denn jetzt weiter?“ Und dann sitzt man da.
Denn … naja. Wie geht es weiter?

Ich habe die Frage nach meinem Zukunftspan so oft gehört, dass ich es nicht mehr
ertragen konnte, darüber zu reden. Dementsprechend froh war ich, als ich mich
irgendwann für eine Stadt und einen Studiengang entschieden hatte. Mir war von Anfang
an klar: Erstmal raus und frische Luft schnappen. Weg von zu Hause, weg von den Eltern.
Ob ich studieren würde oder nicht, dass stand für mich gar nicht zur Debatte, denn wofür
habe ich mich durch das Abitur gequält, wenn ich am Ende nichts damit anfange?
Dank meiner Großeltern, die hier in Rostock wohnen, war die Wahl der Stadt auch schnell
getroffen. Die Wohnungssuche lief ebenfalls reibungslos ab. Ich habe den Luxus einer
eigenen Wohnung, was lange nicht jeder von sich behaupten kann. Ich habe mich vor
allem deshalb auf meinen Umzug und die damit verbundene Unabhängigkeit gefreut. Eine
Wohnung, ganz für mich alleine zum Einrichten, Gestalten und Wohlfühlen.

Doch viele Freiheiten bedeuten auch viel Verantwortung. Ich musste mich plötzlich selbst
um alles kümmern. Einkaufen, Wäsche waschen, Putzen. Eben all das unangenehme
Zeug, was leider ebenfalls zum Leben dazugehört. Plötzlich werden alle Essgewohnheiten
auf den Kopf und jedes dreckige Geschirr unachtsam in die Spüle gestellt. „Das mache ich
später.“ Ja, ja…
Am Anfang war ich noch sehr motiviert bei der Sache. Doch mit der Zeit wurde ich immer
nachlässiger. Ich denke auch, dass es für alle schwerer ist, gut Gewohnheiten
beizubehalten, wenn die Tage stressiger werden. Es dauert einfach seine Zeit, bis sich der
neue Rhythmus eingestellt hat. Das gehört zum Prozess dazu.

Ich habe mir vorher viele Sorgen gemacht. Zum einen um Heimweh. Das Verhältnis zu
meinen Eltern und meiner Schwester ist sehr gut und da fast alle meine Freunde in der
Heimat geblieben sind, kam es mir so vor, als hätte ich sie verlassen. Es war die richtige
Entscheidung, von Zuhause wegzugehen aber zwischendurch plagen mich auch mal die
Schuldgefühle. Auch, weil ich mit meiner Familie nicht ganz so häufig schreibe oder
telefoniere. Jedenfalls habe ich schnell festgestellt, dass ich nicht so sehr mit Heimweh zu
kämpfen habe, wie ich am Anfang noch dachte. Auch, weil ich hier trotzdem noch Familie
habe, die ich besuchen kann, wenn ich es mal brauche.

Mehr vermisse ich meine Freunde. Doch wer will, dass eine Freundschaft bestehen bleibt,
der findet Mittel und Wege. Mit einer sehr guten Freundin von mir telefoniere ich
regelmäßig und es ist alles wie immer, sobald ich wieder zu Besuch bin und ich bin der
Überzeugung, dass das alles ist, was zählt.

Als jemand, der ungern den ersten Schritt macht, hat es mir Bauchschmerzen bereitet,
neue Leute kennenlernen zu müssen. Ich kann mich ja nicht ewig an meine alten
Freundschaften klammern.
Das ist das größte Problem an einer neuen Stadt. Du kennst niemanden und niemand
kennt dich. Manche Menschen finden das toll, ich eher nicht.
Kann ich mich dazu durchringen, jemanden anzusprechen? Spricht mich jemand an?
Finde ich überhaupt Menschen, die mir sympathisch sind oder sitze ich am Ende des
Tages doch alleine in der Vorlesung?
Jeder hat mir gesagt, dass ich mir deshalb vollkommen grundlos Sorgen mache. Oh
Wunder! Es stimmte.
Ich habe direkt in der ersten Woche viele super nette Leute kennengelernt und habe Dank
ihnen schnell Anschluss gefunden. Die Mädels, die ich in den Einführungsveranstaltungen
kennengelernt habe, sind mir bis jetzt geblieben. Es kann also nur noch besser werden. All
den Menschen, die ich kennengelernt habe, bin ich sehr dankbar. Sie haben mir den
Umzug um einiges leichter gemacht.

Für mich ist also sehr Vieles sehr gut gelaufen. Ich habe jetzt schon sehr viele
Erfahrungen gesammelt und bin gewissermaßen auch stolz auf mich, das Abenteuer
„Umzug“ gewagt zu haben. Die letzten Monate haben mich viel über mich selbst gelehrt
und meinem Selbstbewusstsein einen Stups gegeben.
Doch damit war auch eine Menge Stress verbunden. Die ganzen neuen Eindrücke haben
mich unterbewusst ziemlich überfordert. Das habe ich nach meiner ersten Klausur
feststellen müssen: weil in den vergangenen Monaten so viel passiert ist kamen, meine
Emotionen nicht hinterher.
In den Semesterferien war ich in der Heimat und der Gedanke, wieder nach Rostock
zurückzukommen hat mir ehrlich gesagt nicht die allergrößte Freude gemacht. Trotzdem
weiß ich, dass ich es bereut hätte, wenn ich jetzt noch zu Hause wohnen würde, denn
dieser Umzug hat mich aus meiner Komfortzone geschubst, in der ich mich bis dato viel zu
wohl gefühlt habe.
Es gibt immer noch den ein oder anderen Punkt, den ich dieses Semester von meiner
ToDo Liste abhaken muss. Dazu gehört es, noch mehr raus zu gehen. Die Angst vor zu

vielen neuen Menschen hat mich jetzt zu lange verschreckt. Ebenso der Komfort einer
eigenen Küche.

Trotz gewissen Unsicherheiten, was auch das Studium angeht, kann ich mittlerweile
hoffnungsvoll auf das nächste Semester blicken. Der Sommer steht vor der Tür und ich
wohne (fast) am Strand. Besser geht es gar nicht.

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