Von Annabell Kretschmer // Illustration von Julia Michel
Die vorlesungsfreie Zeit hat begonnen und wie bereits viele Semester zuvor, findet in der ersten Woche die Lange Nacht der (aufgeschobenen) Hausarbeiten statt. Diese Lange Nacht wird vom AStA, in Zusammenarbeit mit der Südstadt Bibliothek, veranstaltet. An diesem Tag oder wohl eher in dieser Nacht verlängert die Bibliothek ihre Öffnungszeiten und das Organisationsteam des AStAs sorgt für Verpflegung und ein abwechslungsreiches Programm in den Lernpausen. Eigentlich wollte unsere Autorin euch mitnehmen und ihre Erfahrungen in einem Logbuch niederschreiben. Doch leider hat sie es um 04:45 Uhr nicht mehr geschafft, das Dokument ordentlich abzuspeichern und kann es auch nicht mehr wiederherstellen. Daher versucht sie nun diese Nacht gedanklich noch zusammen zu kratzen.
Es ist 13:30 Uhr als ich endlich die Bibliothek in der Südstadt betrete, denn mit weiser Voraussicht, habe ich in meinen Schlafrhythmus schon für die Lange Nacht angepasst. (Das ist leider eine dreiste Lüge, denn ich bin ganz einfach viel zu spät ins Bett gegangen in den letzten Tagen, wenn nicht Wochen. Aber auch den Abstecher in die Mensa konnte ich mir vorher nicht nehmen lassen.) Angekommen in der Bib muss ich erstmal feststellen, dass ich, vielleicht bereits durch den Mensabesuch, koffeiniert aber auch gnadenlos zu spät für einen guten Platz bin. Die Fensterplätze sind zu meiner Ankunft alle belegt und deshalb verkrieche ich mich in der dritten Etage. Nachdem ich meinen Korb abgestellt habe, fange ich hochmotiviert an, mir einen Überblick über meinen Lernstoff zu verschaffen. Schnell stelle ich fest, dass ich diese Nacht auch wirklich bis zum Ende nutzen muss, denn wenn ich mich bisher gut vorbereitet habe, sind drei Prüfungen innerhalb von 72 Stunden immer noch eine Meister:innenleistung. Daher wird jetzt Mate-Flasche Nummer zwei geöffnet.
Kurze Zeit später mache ich jedoch bereits meine erste Pause, denn mein Körper schreit nach Bewegung und ich finde mich im Foyer wieder, wo ich Kommiliton:innen, Freund:innen und Bekannte antreffe. Kopfüber stürze ich mich von einem Gespräch ins nächste und währenddessen wird die ein oder andere Rauchpause ins Leben gerufen. Natürlich ist der Verpflegungsstand vom AStA nun bereits aufgebaut und ich trinke den ersten Kaffee des Tages. Bevor ich an meinen Platz zurückkehre, lasse ich mir noch eine Mate geben. (Auch wenn die zweite noch nicht leer ist, ist es schon gut, sich einen kleinen Vorrat anzulegen.)
Zurück am Platz mache ich weiter und der frühe Abend rückt näher. Zeit für die erste Suppe, denke ich und in Gesellschaft meines Mitbewohners, wird sich die Suppe und der zweite Kaffee einverleibt. Er beschließt, nach dem Einkaufen auch in die Bib zu kommen, da er das Angebot so cool findet. (Spoiler-Warnung: Er wird nicht wiederkommen.) Damit kehre ich vorerst wieder an meinen Platz zurück. Doch das hält nur so lange an, bis mich eine Freundin fragt, ob wir uns einen Kaffee holen wollen. Nach knapp zwei Stunden wieder lernen, sage ich doch zu einem Kaffee nicht nein. Unten im Foyer werde ich angesprochen, ob ich eigentlich nur Pause mache. Das verneine ich natürlich, denn immerhin bin ich schon voran gekommen. Während meine Freundin kurz nach Hause fährt, um sich nochmal Snacks zu holen, kommen weitere befreundete Personen runter und ich trinke mit ihnen einen weiteren Kaffee. Ganz stolz gebe ich auch meinen Ohrwurm des Tages an meine Bekanntschaften weiter. Es ist Low von Flo Rida. Und während ich das Lied im Foyer der Bibliothek vor mich her singe, tanze ich auch passend dazu. Immerhin habe ich nun schon den vierten Kaffee getrunken.
Gleich fängt der Yoga Workshop an und ich sehe es nicht mehr als notwendig, für 15 Minuten an meinen Platz zurückzukehren. Stattdessen hole ich schonmal meine Yoga-Hose aus dem Schließfach und ziehe mich auf der Toilette um. Bisher waren meine Füße den ganzen Tag in meinen Stiefeln eingesperrt und ich hoffe wirklich, dass sie nicht allzu sehr stinken. (Es gab zumindest keine Beschwerden.) Nach der kleinen Yoga-Session, gehe ich nochmal kurz vor die Tür, um eine zu rauchen und kehre erst danach wieder zurück an meinen Platz. Jetzt wird durchgehustlet, sage ich mir, aber gegen 23 Uhr mache ich bereits mit Freund:innen schon wieder die nächste Pause. Es ist Zeit für Kaffee Nummer fünf, denke ich mir nach einer Weile. Und eh ich mich versehe, ist es auch schon wieder halb eins. Während ich unten im Foyer stand, habe ich mich von Freund:innen verabschiedet, die noch mit der letzten Bahn nach Hause wollten. Ich überlege, ob ich auch schon gehen soll aber der Ehrgeiz hat mich gepackt und ich will bis zum Ende bleiben. Also kehre ich, zum wiederholten Male, zurück an meinen Platz und da bleibe ich auch erstmal, bis mich gegen halb drei der Bewegungsdrang wieder packt.
Inzwischen habe ich bereits die dritte Mate-Flasche geöffnet und ich beschließe, einen Spaziergang durch die Bibliothek zu machen und jede einzelne Etage abzulaufen. Natürlich brauche ich Gesellschaft und nehme aus diesem Grund meine Flasche mit, halte sie auf dem Arm wie ein Baby und zeige ihr die Sitzplätze und die Regale. Mein Ziel ist mal wieder das Foyer, wo ich mir Kaffee Nummer sechs einverleibe. In der Zwischenzeit kommt ein Bekannter von mir durch die Tür. Er war wohl im ST und ist jetzt auf dem Weg nach Hause aber als er sah, dass das Licht noch an ist, musste er nachschauen, warum die Bibliothek noch geöffnet hat. Er trinkt einen Tee und macht sich weiter auf den Heimweg. Heimlich habe ich ihn beneidet, dass er feiern gehen konnte, aber was soll ich sagen? Selbstkreiertes Leid mit dem Lernen für die Prüfungen.
Nachdem ich meinen Kaffee gelehrt habe, gehe ich wieder die Stufen hinaus in den dritten Stock. So langsam hält mich das Koffein nicht nur wach, sondern sorgt auch dafür, dass mein Kreislauf ein wenig verrücktspielt. Die Stufen unter mir wirken nicht mehr so sicher. Nach einer Weile Lernen, schaue ich bereits nach einer passenden Fledermaus. 4:55 Uhr würde ein Bus in meine Richtung fahren. Das passt perfekt.
Und so bleibe ich so lange und lerne noch fleißig bis die Durchsage kommt, dass die Bibliothek in 15 Minuten schließt. 5:10 Uhr bin ich dann endlich Zuhause und mache mir erstmal was zum „Frühstück“. Danach kann ich auch nicht einschlafen, auch wenn es inzwischen schon nach 6 Uhr ist. Ob es vielleicht an dem ganzen Koffein liegt?