Ohne Rücksicht auf Risiken und Nebenwirkungen: UAEM Rostock

von Pegah Mashhadiakbar. 

Aus dem Archiv: Heft Nr. 127.

„Where are the drugs? That´s where they are. The drugs are where the disease is not.

And where is the disease? The disease is where the drugs are not.” (Dr. Peter Mugyenyi)

Ein Paradoxon wie es im Buche steht und über das wir uns nicht so richtig im Klaren sind.

Dass es um Leben oder Tod geht, ist diesmal keine leere Floskel. Medikamente sollten per definitionem der Heilung, Vorbeugung oder Diagnose einer Krankheit dienen – BigPharma sieht das jedoch anders: Gewinnmaximierung und Profit lautet hier die Devise. Um die Vorgehensweise der großen Pharmaunternehmen wie Pfizer, GlaxoSmithKline oder Boehringer Ingelheim (größtes forschendes Pharmaunternehmen in Deutschland!) zu verstehen, muss zunächst zwischen Original- und Generikaherstellern unterschieden werden:

Erstere sind forschende Hersteller, die ihre Arzneimittel durch Patente schützen.  Durch diese sind die Unternehmen in der Lage, das Präparat exklusiv zu verkaufen und somit auch dessen Preis zu bestimmen.  Generikahersteller sind meist nicht an der Forschung beteiligt, sondern nutzen Wirkstoffe, bei denen der Patentschutz bereits verfallen ist. Der Vorteil ist hierbei, dass es ihnen möglich ist, durch die erheblich niedrigeren Forschungs- und Entwicklungskosten die Medikamente bei gleicher Qualität zu niedrigeren Preisen zu vermarkten. Eine regelmäßig genannte Rechtfertigung der hohen Preise seitens der Originalhersteller sind die ebenfalls teuren Investitionen in Forschung und Entwicklung (Research and Development, kurz R&D). Eine zunehmende Patentierung korreliert jedoch nicht positiv mit erhöhten Innovationen für medizinische Produkte. Dieser Sachverhalt verdeutlicht die Absurdität des Ganzen, denn die Medikamenten-Preise reflektieren nicht die R&D-Ausgaben.

Ein weiteres gravierendes Problem ist, dass das biomedizinische Innovationssystem ebenfalls von dem Streben nach Profit getrieben ist. In der Praxis bedeutet dies, dass es sich für die Institute nicht lohnt, an Heilmitteln gegen Krankheiten, die besonders in armen Regionen verbreitet sind, zu forschen, da die Bevölkerung dort nicht in der Lage sein wird, den Preisen der Medikamente gerecht zu werden. Da dies eine im System stark verankerte Strategie ist, hat sich sogar eine Begrifflichkeit für ebendiese Erkrankungen etabliert: Neglected Tropical Diseases (NTDs).

Das Ergebnis ist ein Mangel an Investitionen in Medikamente, Diagnostik und Impfungen. Dies stellte sich vor allem in der Ebola-Pandemie 2014 als große Herausforderung dar. Weitere inadäquate oder gar nicht-existente Behandlungsmöglichkeiten betreffen beispielsweise die Chagas-Krankheit, eine infektiöse Erkrankung mit ca. 18 Millionen Betroffenen, die hauptsächlich im mittel- und südamerikanischen Raum verbreitet ist. Die NTD mit den meisten Todesfällen ist hierbei die Vergiftung durch Schlangenbisse: Mehr als 100.000 Menschen sterben jedes Jahr oder sind von Behinderungen durch einen Biss ein Leben lang beeinträchtigt. Die Behandlung würde jedoch 250 US-Dollar kosten – das Äquivalent zu zwei Jahresgehältern in Entwicklungsländern.

Bewegt von der komplexen und vielschichtigen Problematik, haben Anne und Rebecca, Medizin-Studentinnen im 8. und 10. Semester „Nägel mit Köpfen gemacht“ und ein Chapter der internationalen Organisation „Universities Allied for Essential Medicines“ (UAEM) in Rostock gegründet. Initial hat es eine Gruppe von Yale-Studierenden zusammen mit Ärzte ohne Grenzen 2001 geschafft, sowohl die Uni selbst als auch das Pharma-Unternehmen Bristol-Myers-Squibb zu überzeugen, ein HIV/AIDS-Generikum in Subsahara-Afrika zu produzieren und dreißigfach günstiger verkaufen zu lassen. Dieser Erfolg stellte die Grundsteinlegung von UAEM dar. Seitdem haben zahlreiche Studierende an über 100 Forschungsuniversitäten in mehr als 20 Ländern ein vor Energie sprühendes Netzwerk gebildet. Zu diesem gehört nun das Rostocker Chapter, das im Sommersemester 2019 gegründet wurde. Das Mantra von UAEM lautet: Make Medicines for People Not for Profit.

Die Herangehensweise ist hierbei dreigliedrig:

1. Access-Initiative:

Hierbei geht es um die Zugänglichkeit von Medikamenten, Technologien und Forschungsergebnissen, vor allem der an Universitäten oder mit staatlichen Geldern finanzierten Entwicklungen.

2. Innovation-Initiative:

Eine Reformierung des Research and Development-Systems, sodass alle globalen Bedürfnisse gestillt werden, also auch die der Populationen in Entwicklungsländern.

3. Empowerment-Initiative:

Der Grundgedanke hierbei ist das Animieren der Studierenden zu selbstständigen Initiativen und Mitmischen in den universitären Strukturen und Gremien.

Um die Ziele umzusetzen, will UAEM die WHO dazu bewegen, eine bindende und globale Vereinbarung mit dessen Mitgliedsstaaten zu treffen, die ethisch vertretbare Richtlinien für R&D festsetzt. Neben den allgemeinen Zielen von UAEM hat sich das Rostocker Chapter vor allem vorgenommen, Aufklärungsarbeit über die vernachlässigten Krankheiten zu leisten und die Studierenden für diese zu sensibilisieren. „Schließlich sterben nicht alle an Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, sagt Chris von UAEM. Hierbei sind informative Poster und kreative Langzeitprojekte in Planung. UAEM ist an anderen Universitäten bereits bekannt für eindrucksvolle Stunts. In Hamburg beispielsweise schmissen sich hustende Studierende am Hafen auf den Boden, sperrten den Bereich ab und zogen damit die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich.

Auch die Mitglieder des Rostocker Chapters sprudeln vor Ideen und befinden sich in einer aufregenden Aufbauphase.

„[Es] klingt immer wie ein sehr medizinisches Thema […]. Es geht [jedoch] um grundsätzliche Fragen, die auch für andere Studiengänge relevant sind und jeden einzelnen auch betreffen – vielleicht nicht heute, vielleicht nicht hier in Deutschland, aber vielleicht in anderen Ecken, in anderen Situationen und mit anderen Krankheiten geht es doch sehr schnell, dass das sehr nah an einem dran ist“, bringt es Chris auf den Punkt. In diesem Sinne freut sich UAEM auf alle Studis, die Interesse an dieser Thematik haben. Das gilt natürlich für Medizinstudierende wie auch für Studis aus anderen Ecken gleichermaßen!

Quellen:

– https://msfaccess.org

– https://www.uaem.org

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