Wie real ist BeReal?

Be Real

Von Sabrina Scholz // Illustration von Josephin Bauer

BeReal ist DIE neue Social-Media-App. Obwohl das Netzwerk bereits 2020 von einem französischen Unternehmen ins Leben gerufen wurde, explodieren jetzt erst die Follower:innenzahlen. Fast 80% der acht Millionen Downloads stammen aus diesem Jahr. Das Konzept ist simpel: Täglich erscheint zu einer beliebigen Uhrzeit eine Nachricht auf dem Handy. Innerhalb von zwei Minuten soll ein Foto mit der Vor- und Rückkamera gemacht werden – egal, was man tut und wie man aussieht. Was es mit dem Hype auf sich hat und wie „real“ die App wirklich ist, habe ich in einem Selbstexperiment ausprobiert.

Vor circa einem Monat habe ich mir BeReal beim Playstore heruntergeladen. Die App ist aufgrund ihrer Popularität schnell zu finden. Das Symbol ist schwarz mit weißer Schrift, da jede andere Farbe wahrscheinlich schon mit einem anderen Netzwerk in Verbindung steht. Die Handhabung ist easy. Die einzige Hürde ist das Ausdenken meines Userin-Namens. Nach 15 Minuten Bedenkzeit habe ich mir endlich einen Namen eingegeben, der im Deutschen mit „Säbelzahn“ übersetzt wird. Meine große Schwester hat mich so in ihrem Handy eingespeichert, fand ich irgendwie witzig.

Dann geht’s auch direkt los. Jetzt soll ich ein „BeReal“ machen – ein Foto mit der Vor- und Rückkamera. Erwischt. In diesem Moment sitze ich auf dem Sofa, habe die Beine ausgebreitet, sehe so okay aus. Dann versuche ich trotzdem ein süßes Selfie von mir zu machen und schreibe unter das Foto: Das ist mein erstes BeReal. Das war für den Anfang ganz gut, denke ich mir. Danach schaue ich, was die anderen so gepostet haben. Meine Schwester sieht super aus, die hat die App auch schon seit dem Sommer.

Am Abend sitze ich mit einer Freundin im Warmbad (gemütliche Bar in Rostock by the way) und erzähle ihr von meiner neuen App. Plötzlich ploppt eine Push-Up-Nachricht auf meinem Handy auf: „Sabrina, du hast zwei Minuten Zeit für dein Foto.“  Oh, also war das erste Foto des Tages nur ein Test. Ok, let’s go. Die besagte Freundin und ich machen ein BeReal – sie auf der einen Seite, ich auf der anderen. Wir lachen. Das Pärchen am Nachbartisch auch. Ich schiebe es auf den Alkohol und freue mich, dass wir ein spontanes Bild zu zweit gemacht haben. Ist doch ‘ne lustige App.

Tag 2. Direkt den Slot verpasst, weil ich nicht am Handy war. Es gibt dann die Möglichkeit, ein sogenanntes BeLate zu machen, also ein verspätetes BeReal. Bei mir waren es acht Minuten. Einige User:innen haben erst Stunden später ihr Foto gemacht. Kann man hier noch von einem ungestellten Foto ausgehen?

Beim nächsten Versuch klappt es besser. Tag 3. In diesem Moment stehe ich am Strand in Prora auf der schönen Insel Rügen. Das blaue Meer liegt vor meiner Nase. Klick. Mit wehenden Haaren grinse ich in die Kamera. Klick. Meine Mutter, die mich begleitet hat, guckt mich komisch an und sagt: „Du fängst schon an wie deine Schwester.“ Also versuche ich ihr zu erklären, dass ich die neue App teste und darüber eine Reportage schreibe. „Klingt spannend“, fängt Mutti an und beendet ihren Satz mit „Ich hab‘ nicht mal Facebook.“

Es ist der Tag der Deutschen Einheit. Tag 4. Endlich mal so richtig ausschlafen! Um 9 Uhr bin ich wach. Routiniert greife ich zu meinem Smartphone auf dem Nachttisch und lese die ersten WhatsApp-Nachrichten. „Los sabertooth, mach dein Foto“, schreit mir BeReal ins Gesicht. Ich sehe schrecklich aus: Augenringe, Pickel, zerzauste Haare. Die anderen werden sicherlich nicht besser aussehen. Klick. Angespannt warte ich darauf, wie die anderen in ihrem Bett liegen und gammelig aussehen. Stattdessen sehe ich sechs Stunden später, wie meine Freund:innen mit ihren Familien beim Kaffeetrinken sitzen. Cool.

Die nächsten Tage bin ich tagsüber sehr beschäftigt, bin an vielen Orten – in der Uni, bei Freund:innen, beim Sport. Doch nie schickt mir BeReal eine Benachrichtigung. Der Aufruf kommt immer nur, wenn es abends ist, ich abgeschminkt bin und Zuhause chille.

An einem Montag im Oktober sitzt die heuler-Redaktion wie gewohnt im Grünen Ungeheuer. Auf einmal ploppt die Push-Up-Nachricht bei drei Redakteur:innen auf: „Hey, es ist Zeit für ein BeReal!“ Wir machen nacheinander drei Bilder mit allen Beteiligten. Man haben wir Spaß, denke ich mir. Das sieht bestimmt richtig cool in meinem Profil aus. Und es ist real. Wir teilen die Fotos noch auf Instagram mit dem Hashtag #redaktionssitzung und markieren unsere persönlichen Profile.

Fazit: Mein Leben sieht bei BeReal eindeutig anders aus als bei anderen Sozialen Netzwerken. Auf Instagram poste ich nur schöne Fotos von mir, wenn ich mich gut fühle, feiern gehe, oder ein schönes Stückchen Kuchen esse. Bei BeReal sehen meine Freund:innen, was ich gerade tue, auch wenn ich „nur“ im Bett liege. Das ist aber real. Es ist angenehm zu sehen, dass die anderen auch ganz normale Dinge machen. Bei anderen Social-Media-Plattformen bekommt man oft den Eindruck, als hätten die User:innen ein total aufregendes Leben – Feiern, Reisen, Shoppen. Das ist jedoch nicht die Normalität. BeReal ist eine witzige App, mit der man viel Spaß haben kann. Sie erfüllt jedoch nur ihren Zweck, wenn das Foto auch in dem ausgewählten Moment gepostet wird, damit keine Inszenierung möglich ist. Ich persönlich werde BeReal weiter nutzen, weil mir die Grundidee gefällt und mich die Bilder meiner Freund:innen happy machen.

Quellen:

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/die-social-media-app-bereal-wie-der-hype-um-das-echte-leben-zum-problem-werden-kann-100.html

https://www.handysektor.de/artikel/bereal-so-funktioniert-die-neue-trend-app

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