Maximilian Schaufert // Fotos von Laura Walter
Vom 27. April bis zum 30. Mai war es endlich so weit. Rostocks Filmfestival im Stadthafen hat für die 20. Runde angedockt. Für die, die es dieses Jahr nicht geschafft dabei zu sein und sich fragen „Was ging denn da eigentlich ab?“, folgt einer kleiner Einblick.
Donnerstag: Das FiSH geht in die 20.Runde
Zum 20. Jubiläum wurde für den großen Festivalempfang und die Eröffnung in die Weinhandlung Schollenberger geladen. Bereitgestellt waren Getränke, Buffet und Musik. Die Stimmung hätte dabei entspannter und besser nicht sein können. Es herrschte ein reges Treiben.
Der film-enthusiastische Charakter des Festivals war direkt zu spüren und beinahe ansteckend. Wer mit seinem Nachbarn nicht über das Festival plauderte, besprach Filme, seien es die eigenen oder andere.
Auch der internationale und film-solidarische Geist des Festivals konnte gar nicht anders als einen direkt zu erfassen. Deutsch wurde nur noch zur Zweitsprache, da sich fast die Hälfte der Anwesenden auf Englisch oder etwas anderem unterhielt.
Genauso hätten die anwesenden Menschen unterschiedlicher nicht sein können. Von jungen Filmschaffenden, die nur darauf warteten, endlich ihre Werke zeigen zu können, neuen Teilnehmenden, die noch nicht wussten, was auf sie zukommt, bis hin zu älteren Cineasten, die gespannt die ersten Vorstellungen erwarteten. Dazu gesellten sich noch vereinzelt Personen des öffentlichen Lebens.
Nach einer kurzen Begrüßung wurden die beiden Schirmherrinnen, Manuela Schwesig und Eva-Maria Kröger auf die Bühne geladen. Nachdem diese ihre Unterstützung sowie Freude am Festival geteilt haben, wurde das 20. FiSH Festival offiziell eröffnet. Untermalt von Livemusik aus Akustikgitarre und Gesang herrschte anhaltendes weiteres Treiben von Filmschaffenden sowie Filmliebhaber:innen, bis sich etwas später das Getümmel auflöste und das Festival beginnen konnte.
Freitag: Filme, Filme, Filme
Der erste Block, JUNGER FILM
Junger Film ist der Hauptwettbewerb des Festivals. Angehende Filmschaffende aus Deutschland, die zum Zeitpunkt der Fertigstellung 26 Jahre oder jünger waren, konnten teilnehmen.
Bereits beim Eintritt in den MAU Club hat man gespürt, dass das FiSH sehnlichst darauf gewartet hatendlich die ersten Filme zeigen zu dürfen.
Am Einlass wurde man nicht nur freundlich begrüßt, sondern bekam auch einen kleinen Zettel mit einer Auflistung der Filme des jeweiligen Vorführungs-Blocks.
Auf einer Skala von „großartig“ bis „Nicht mein Fall“ hieß es dort ein Kreuz zu setzen und für seinen Favoriten in der Wertung für den Publikumspreis abzustimmen. Das gesamte Establishment war dazu sehr schlicht und dunkel gehalten. Plakate der vergangenen und des diesjährigen Festivals schmückten die Wände, während der Festival-Anglerfisch bereits auf den beiden Leinwänden umher schwamm, fast als würde dieser den Filmen und Besuchern auflauern.
Nach einem kurzen Introvideo, das mit ordentlichem Schifffahrtshorn und Meeresästhetik jeden in baltische Filmstimmung versetzte, eröffnete ein Kinder- und Jugendchor aus Greifswald die Filmvorstellung.
Bereits nach dem ersten Kurzfilm wurde klar, was das FiSH-Festival so besonders macht. Nach jeder Vorstellung kamen die involvierten Filmschaffenden auf die Bühne und redeten über die Entstehung ihres Werkes. Wer es nicht nach Rostock geschafft hat, wird per Videoanruf live dazu geschaltet und mit einem Fernseher auf die Bühne geschoben, somit war die Illusion fast perfekt.
Das eigentliche Film-Programm deckte fast mehr ab als möglich erschien. Sei es die klassische Dokumentation, die experimentelle Gesellschaftskritik oder die einfache Komödie. Teilweise wurden auch Genres, wie Absurdismus vertreten, von denen die Jury selber noch nicht gehört hatte.
Nachdem alle Filme gezeigt waren, kam es am Ende des jeweiligen Film-Blocks zu einer offenen Jurydiskussion. Überraschend, so traurig es klingen mag, war dabei wie respektvoll diskutiert und tatsächliche Filmkritik geübt wurde.Kein Film wurde in irgendeiner Weise schöngeredet oder zu Tode kritisiert. Durch wirklich sachliche Auseinandersetzungen der Jury wurde ein klarer Einblick gegeben, warum welche Juror:innen später welche Preise verleihen würden.
Diese Transparenz des offenen Jury-Prozesses war sehr angenehm und, in der modernen Landschaft der oft nur auf Zahlen beschränkten Filmkritik, sehr erfrischend. Damit ging aber auch ein kleines zeitliches Problem einher. Die Jurydiskussion überzog den Zeitplan um einige Minuten, was keine Seltenheit blieb.
Wie grün ist eigentlich so ein Film?
Im Rahmen des FiSH fand außerdem das „Fishground Baltic Area“ Seminar des Bundesverbandes Jugend und Film e.V. statt. Dort konnten junge Filmschaffende und Filmenthusiast:innen mehr über verschiedenste Aspekte des Filmemachens lernen.
Ein Teil davon war „Green Filmmaking“. Nachhaltig Filme machen, darum sollte es gehen. Die Anzahl der Teilnehmenden war schwer einzuschätzen. Zwar standen ein paar Leute an den vorhandenen Stehtischen und hörten gespannt zu, es herrschte aber auch viel anderweitige Bewegung drum herum. Die offene Natur der Weinhandlung Schollenberger war deshalb mehr Fluch als Segen.
Durch die direkte Nähe zum MAU-Club fungierte der Raum, das gesamte Festival über, als Ort der Ruhe und des Rückzugs, in dem sich sowohl Besucher:innen als auch Filmschaffende zwischen den Veranstaltungen ausruhen und mit verschiedenen Kleinigkeiten stärken konnten. Durch diese eher aktive und unruhige Stimmung verließen leider auch viele interessierte Gäste spontan den Raum, wodurch zum Ende des Panels nicht mehr viele Zuhörende übrig waren.
Im Kontrast dazu war das eigentliche Expert:innengespräch äußerst interessant und aufschlussreich. Besonders als Außenstehender sind einem die Umweltaspekte einer Filmproduktion oft nicht bewusst. Und um die Frage „Wie Grün ist eigentlich so ein Film?“ zu beantworten – grundsätzlich nicht. Gibt man sich Mühe, ist es aber möglich.
Samstag: Über die Ostsee und hinaus
Das Netzwerk für den jungen Film
Ein weiteres Panel des BJF-Seminars war „Introducing; YCN“. Bei der titelgebenden YCN handelt es sich um das „Youth Cinema Network“.
Gleich zu Beginn des Panels herrschte eine ganz andere Stimmung als zuvor. Der Austausch fand nicht auf der Bühne, sondern in einem kleinen Kreis davor statt. Die Expert:innen waren direkt auf Augenhöhe mit den Filmschaffenden. Es war viel persönlicher und alle Teilnehmer:innen weitaus involvierter. Es wurde nicht einmal ein Mikrofon gebraucht. Dieser persönlichere und interaktivere Aufbau spiegelte sich deutlich im Gesprächsverlauf wieder. Die Expert:innen erzählten entspannt von ihren Erfahrungen und auch die Teilnehmenden teilten ihre. Manche hatten ihre Filme schon auf bis zu 20 Festivals zeigen können. Mit der Zeit entwickelte sich so ein natürliches Hin und Her, zwischen Fragen und Problemen der Teilnehmenden und Antworten sowie Tipps der Experten. Grundlagen wie „Dont take it personal!“ oder Tipps in Richtung „ein Nischen-Film kann ein potenziell größeres Publikum finden“ kamen zur Sprache. Danach war den Filmschaffenden deutlich anzusehen, dass sie aus diesen Gesprächen etwas mitnehmen werden.
Nach dem Festival ist vor dem Festival
Was eigentlich tun, nachdem der eigene Kurzfilm endlich auf einem Festival gelaufen ist? Das wollte „What’s Next?“ beantworten.
Der Aufbau war dabei der exakt gleiche wie beim vorherigen Seminar. Problematisch war jedoch, dass sehr viele Menschen anderweitig im Raum tätig waren. An einem bestimmten Punkt wurde es dadurch so laut, dass trotz der kleinen Runde im Sesselkreis auf das Benutzen von Mikrofonen zurückgegriffen werden musste. Dem Gesprächsfluss hat das aber nichts abgetan und es herrschte belebter Austausch der Expert:innen und Teilnehmenden. Von der Bezahlung eines Films pro Minute, bis zur Frage wann und wohin vermarktet werden sollte, war alles mit dabei.
Es ist anzumerken, dass besonders vor den interaktiven Veranstaltungen der rege Austausch der Filmschaffenden sehr ansteckend war. Es entwickelt sich immer mehr ein Wille Filme zu schauen und sogar selbst zu erschaffen. Ein allgemeines Verlangen welches sich durch das gesamte Festival gezogen hat.
Die OFFShorts – Ostseefilme von Finnland bis nach Dänemark
Die OFFShorts, ist wie der JUNGE FILM Wettbewerb, nur auf den gesamten Ostseeraum erweitert. Das heißt umso mehr Sprachen und Kulturen, im Gegensatz aber auch nur halb so viele Filme.
Durch die interbaltische Natur der Kategorie war auch die Moderation sowie Jurydiskussion ausschließlich auf Englisch.
Im Vergleich zu den Vorstellungen JUNGER FILM waren die Plätze im MAU-Club deutlich mehr besetzt, nur wenige blieben frei.
Wie auch in den anderen Vorstellungen haben die anwesenden Drehbuchautor:innen und Regisseur:innen sehr gute Einblicke ins Filmemachen gegeben. Vor allem die Einflüsse und Unterschiede der Filmschulen und ihren Arbeitsprozessen außerhalb von Deutschland waren interessant.
Die anschließende Jurydiskussion hat durch ihre nationale Diversität sehr anregende und verschiedene Blickwinkel gezeigt. Die drei Juror:innen haben zusätzlich sehr viele Eindrücke aus der Macher-Perspektive gegenüber den Filmen preisgegeben. Es gab dabei etwas weniger scharfe Kritik als in der deutschen Jury. Ob das aber an der Qualität der Filme oder den Juror:innen lag, lässt sich nicht klar beantworten. Von estnischer Komödie, dänischer Konsumkritik oder polnischer Animation war alles mit dabei. Und so wurde eine äußerst abwechslungsreiche und interessante Filmauswahl gegeben, die auf eindeutiges Wohlwollen im Publikum gestoßen ist.
Sonntag: Der Oscar der Ostsee
Nach 3 Tagen voller Filme, Diskussion und kulturellem Austausch mündete alles ins große Finale des Festivals. Die öffentliche Jurytagung mit anschließender Preisverleihung.
Der Grundsatz davon, einen nachvollziehbaren und transparenten Wahlprozess zu haben, hatte weiterhin hohe Priorität. Es wurde direkt und demokratisch auf der Bühne für die Filme abgestimmt. Vor jeder Wahlphase wurde noch einmal ein kleiner Zusammenschnitt der jeweiligen Filme pro Block gezeigt. Lange um den heißen Brei herumgeredet wurde dabei nicht, es wurde klar für die Filme abgestimmt und ohne große Diskussion die Auflistung abgearbeitet. Als Zuschauer war das besonders angenehm, da wirklich nur das gemacht wurde, was wichtig war und es keine nervigen Zwischenereignisse stattfanden, um Zeit zu füllen.
Trotz des Wahlverhaltens der Jury zeigte das Publikum deutlich wenn es mit einer Entscheidung einverstanden war oder nicht. Bekam ein Film zu wenig Stimmen, gab es ablehnendes Raunen. Bekam ein Film sehr viele Stimmen, wurde auch in Zustimmung laut applaudiert. In den Rängen war so weiterhin die fröhlich entspannte Stimmung der Liebe zum Film zu spüren.
Schließlich verließ die Jury das Rampenlicht und begab sich zur Beratung über den Film des Jahres hinter die Bühne. Die einzige nicht transparente Wahl.
Bevor die Preisverleihung und damit der Höhepunkt des 20. FiSH-Festivals starten konnte, lief noch ein etwas unerwarteter Film. Nämlich ein kurzes Werbevideo für das Land Mecklenburg-Vorpommern, der schöne Berufe und lächelnde Menschen in Hülle und Fülle zeigte. Nach diesem Werbespot, der einige Zuschauer:innen sichtlich verwirrt stimmte, hat die feierliche Preisverleihung dann endlich begonnen.
Film des Jahres: Alles gehört zu dir
Hauptgewinner wurde eine sehr persönliche Dokumentation von den Brüdern Mani Pham Buo und Hien Nguyen aus Berlin.
Als Vietnamesisch-Deutsche begleiteten sie ihre Schwester bei ihrer Rückkehr von Norwegen nach Deutschland und der, damit einhergehenden, Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln und Identität.
Young Baltic Cinema Award: Unity of Opposites
Bei den OFFShorts konnte Alfred Hedbratt’s Dramedy aus Schweden besonders überzeugen.
Zwei Welten, die Kindheitsfreunde und ein neuer Freund, treffen aufeinander. Eine Geschichte über Männlichkeit, Menschlichkeit und den titelgebenden Gemeinsamkeiten unserer Unterschiede.
OsteeFiSH: Time to Revolt
Den Sonderpreis für Nachhaltigkeit konnte Daniel Le Hai’s Dokumentation aus Polen für sich gewinnen. Diese begleitet eine junge Aktivistin bei ihrem Einsatz in Klima-Protesten, Streiks und der Suche nach sich selbst.
Nach den großen Hauptpreisen wurde es mit der Verkündung des Publikumspreises noch einmal interessant. Es war schließlich der Preis mit der größten Jury, da jede:r Festivalbesucher:in teilhaben konnte. Neben den 1000 € Preisgeld konnten die Zuschauer:innen selber auch während des Festivals spenden, um diesen Betrag zu erhöhen. Tatsächlich befanden sich am Ende über 150 € und ein paar dänische Kronen in der Spendenbox. Besonders die gespendeten Kronen hatten die Zuschauer:innen noch einmal merklich belustigt und der Stimmungshöhepunkt der Verleihung war somit erreicht.
Publikumspreis: Die Telefonzelle
Dem Publikum am meisten gefallen hat Kilian Bohnensack’s und Lukas März’s Komödie aus München.
Tom ist in seine beste Freundin Anna verliebt, und will mit einer Überraschungsparty endlich ihr Herz erobern. Einziges Problem: die Partylocation ist eine Telefonzelle.
Beendet wurde das ganze schließlich durch eine große Danksagung an das FiSH-Team selbst. Unter lautem und anhaltendem Applaus des Publikums wurden alle Namen nochmal auf der Leinwand gezeigt. Die Preisverleihung und eigentlich das gesamte Festival kam somit zu einem sehr angenehmen Abschluss.
Es wurde zum Ende auch gezeigt wie dem FiSH nicht nur Film, sondern auch alle Beteiligten, die dazugehören, sei es Produzent:innen, Festivaljuror:innen und Zuschauer:innen, am Herzen liegen.
Der BiG FiSH – ein nett gemeintes Anhängsel
Nachdem das eigentliche Festival schon vorbei war, gab es zum kleinen Abschluss noch die BiG FiSH Vorstellung im LiWu. Dort wurden alle Preisträgerfilme, inklusive der Musikvideos vom PopFiSH, ohne Pause direkt hintereinander gezeigt.
Besonders für Festival-Interessierte, die unter der Woche nicht zu den Vorstellungsblocks kommen konnten, bot das eine super Möglichkeit, die besten Filme des Festivals auf großer Leinwand nachzuholen.
Im Programm dafür eingeplant waren zwei Stunden, mit Beginn um 18:30 Uhr. Groß war demnach die Verwirrung der Zuschauer:innen als bereits eine Stunde später die Lichter im Kinosaal wieder angingen. Tatsächlich wurden die Gewinner Filme gezeigt, jedoch nur die vier Hauptgewinner. Bedeutet, die Preisträger für „Film des Jahres“, „Young Baltic Cinema Award“, „Ostseefish“ und den Publikumspreis.
Zwar gab es einen doppelten Preisträger, das hätte aber theoretisch Platz bieten können, um auch noch einen oder zwei SilberFiSHe zu zeigen. Die drei Preisträger der GoldFiSHe fehlten währenddessen voll und ganz.
Eine kurze Kommunikation gegenüber den Besucher:innen, wenn auch erst direkt vor der Vorstellung, hätte das alles etwas entspannter gemacht und Verwirrung verhindert. Die Vorstellung an sich hatte zusätzlich auch ein paar Eigenheiten. Beispielsweise schien es Probleme mit der Bildkompression oder dem Filmprojektor gehabt zu haben. Denn das Bild auf der Leinwand war nicht von der höchsten Qualität, Bildränder und Untertitel sogar teilweise blockig und verpixelt.
All das führte zu ein paar verdutzten und enttäuschten Gesichtern, die nach vier Filmen und zwei Musikvideos plötzlich bereits eine Stunde früher den Kinosaal verlassen mussten, nachdem ihnen eigentlich das Doppelte an Kurzfilm Creme de la Creme versprochen wurde. Dafür, dass das Programm dieser Vorstellung als „kleinen Abschiedsgruß, damit ihr, unser wunderbares Publikum, im nächsten Jahr wieder mit dabei seid!“ bezeichnet wurde, war es leider ein etwas bitterer Nachgeschmack zum Ende des Festivals.
Fazit nach 4 Tagen FiSH
Das 20. FiSH Festival hat seinem Namen und Jubiläum alle Ehre gemacht. In tollen Standorten wurde einiges geboten. Seien es interessante Gäste und Juror:innen oder abwechslungsreiche Filme.
Das Programm war bis zum Rand voll, was für eine einzelne Person natürlich zu viel ist, um alles zu erleben, bot aber die Möglichkeit von allem etwas zu besuchen. Und das, was man erleben konnte, hat Spaß gemacht und Freude bereitet. Trotz des 20-jährigen Bestehens blieb das Festival bescheiden und stellte die Filme in den Vordergrund.
So war das FiSH Festival 2023, trotz des Schluck-Aufs am Ende, eine tolle Erfahrung für Filmliebhaber:innen und die, die es werden wollen.