Hochschulpolitik? Nein, danke!

Uni

von Hannah Miltzow

Hochschulpolitik scheint zu einem leidigen Thema zu verkommen, für das sich immer weniger Studierende interessieren. Daraus resultierten eine geringe Wahlbeteiligung, nicht besetzte Posten und fehlende Verhandlungsmacht. Dabei sind hochschulpolitische Gremien eigentlich dafür da, den Studienalltag zu erleichtern.

Studierende gelten als politisch aktiv, interessieren sich für politische Belange und zeigen soziales und politisches Engagement. Gleichberechtigung, Feminismus, Bildung und die Umwelt sind nur einige der Themen, die Studierenden wichtig sind und für die sie sich einsetzen.[1]

Dennoch scheint Hochschulpolitik völlig außerhalb ihres Interessengebietes zu liegen. Beispielsweise konnte bei der Studentischen Vollversammlung am 26. April ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr über Anträge entschieden werden, da zu viele Studierende zwischendurch gegangen sind und die Beschlussfähigkeit mit weniger als 5 Prozent der Studierenden der Uni Rostock nicht mehr gegeben war.

Wahlbeteiligung im einstelligen und niedrigen zweistelligen Bereich

Mangelndes hochschulpolitisches Interesse ist auch in der Wahlbeteiligung der StuRa-Wahl 2022 zu erkennen, bei der die Wahlbeteiligung lediglich 8,97 Prozent betrug[2]. Eine niedrige Beteiligung bei Gremienwahlen ist jedoch in der gesamten Bundesrepublik nichts Ungewöhnliches. CORRECTIV, eine Non-Profit-Organisation, die sich dem investigativen Journalismus widmet, hat in einer Recherche festgestellt, dass in Deutschland die Wahlbeteiligung, wenn es um Studierendenräte, -parlamente oder vergleichbare Gremien geht, im Jahr 2019 gerade einmal lasche 14 Prozent betrug. Eine derart niedrige Partizipation würde bei Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen als höchst problematisch angesehen werden, schließlich wird in diesem Kontext sogar eine Wahlbeteiligung von 50 bis 60 Prozent als bedenklich niedrig betrachtet. Hochschulgremien scheinen von derartiger Partizipation nur träumen zu können. Dabei erfüllen sowohl der AStA als auch der StuRa wichtige Aufgaben für die gesamte Studierendenschaft, indem sie auf verschiedenen Ebenen als Interessenvertretung für die Studierenden fungieren und Projekte fördern und initiieren.[3]

Aber warum bleibt ein großer Teil der Studierendenschaft der Wahl fern? In der Politikwissenschaft gibt es zu niedrigen Wahlbeteiligungen verschiedene Annahmen, eine stellt die Zufriedenheitsthese dar. Diese besagt, dass Bürger:innen auf eine Stimmabgabe verzichten, wenn sie mit der Regierung und dem politischen System zufrieden sind[4]. Ob dies auf Gremienwahlen übertragen werden kann, ist fragwürdig. Von CORRECTIV befragte Studierende gaben an, dass sie sich an der Hochschulpolitik nicht beteiligen würden, weil ihnen schlichtweg die Zeit dafür fehlt oder weil die in den Gremien stattfindenden Streitigkeiten das gesamte System unattraktiv machen. Es mangelt aber nicht nur an wählenden Studierenden, sondern auch Bewerber:innen auf die Plätze in den Gremien. An einigen Unis müssen Nachwahlen durchgeführt werden, weil es nicht genügend Kandidierende für die StuRa- bzw. StuPa-Sitze gibt.[5]

Kein Interesse an Positionen in der HoPo

Hochschulpolitk leidet jedoch nicht nur unter niedrigen Wahlbeteiligungen. Egal, ob es den AStA oder den StuRa betrifft, sie beide haben Probleme, ihre Plätze und Referate zu füllen. Bei der Studentischen Vollversammlung machte die AStA-Vorsitzende in ihrer Begrüßungsrede Werbung für die unbesetzten Referate des AStA und eine StuRa-Kandidatur, da vor allem die Medizinische und Philosophische Fakultät immer händeringend nach Leuten suchen. Tatsächlich haben aktuell nur drei der neun Fakultäten der Universität Rostock alle ihre Sitze im Studierendenrat gefüllt[6]. Das Problem dabei ist, dass die Meinungen und Interessen einiger Teile der Studierendenschaft nicht ausreichend repräsentiert sind, wenn aus ihnen keine oder nur wenige Vertreter:innen in der Legislative aktiv sind. So werden ihre Stimmen nicht gehört.

Vor allem bei Medizinstudent:innen scheint es in Anbetracht der Mitgliederliste um die Hochschulpolitik besonders schlecht zu stehen, da nur einer ihrer neun möglichen Sitzen im StuRa besetzt ist. Möglicherweise ist es jedoch falsch, anzunehmen, dass hochschulpolitische Belange sie nicht interessieren. Medizinstudent:innen in Rostock haben nämlich nicht nur den StuRa und den AStA, um ihre Interessen zu vertreten. Es gibt für sie auch noch den Hartmannbund, das ist ein Berufsverband, welcher sich für die Interessen von Ärzt:innen und Studierenden der Medizin in ganz Deutschland einsetzt. Der Standort Rostock hat aktuell drei Studentinnen als Mitglieder, die hochschulpolitisch für ihre Kommiliton:innen einstehen und ähnlich wie der AStA arbeiten, beispielsweise in der Organisation von Veranstaltungen und Hilfestellung bei Fragen zum Studium[7].

Offene Referate beim AStA können sich zu einem großen Problem entwickeln. Je nach Referat ist das komplette Organ nicht handlungsfähig, bspw. kann bei einer wichtigen Stelle wie dem Finanzreferat der restliche AStA in seiner Arbeit stark eingeschränkt sein[8]. Aber selbst Posten, die besetzt sind, werden manchmal nicht richtig ausgeführt. An deutschen Universitäten können Sitzungen des Studentischen Rates oder Parlaments teilweise nicht stattfinden oder werden abgebrochen, weil zu wenige Mitglieder anwesend sind, um etwas zu entscheiden. Das hält wichtige Projekte und Veränderungen auf.[9] Betrachtet man die Protokolle des aktuellen StuRa der Uni Rostock, ist zu erkennen, dass gut ein Drittel oder mehr Mitglieder im Durchschnitt bei den Sitzungen nicht anwesend ist[10]. Trotz dieses Defizits ist der StuRa mit den restlichen anwesenden Mitgliedern in der Regel beschlussfähig. Die häufige Abwesenheit eines relevanten Teils der Mitglieder lässt dennoch wundern, mit wie wenig Motivation die Mandate und Ämter von einigen Studierenden ausgeführt werden.

Aber selbst, wenn Ämter mit großer Begeisterung und Pflichtgefühl ausgeführt werden, kann es schwierig sein, etwas zu bewirken. Manchmal fehlen schlichtweg die Zeit und die Leute, um Projekte anzustoßen und zu verwirklichen.

Tatsächlich kann sich aber auch die niedrige Wahlbeteiligung unmittelbar negativ auf die Arbeit auswirken. Es kann beispielsweise zu einem Legitimationsproblem kommen, wenn Hochschulleitungen die Vertreter:innen der Studierendenschaft aufgrund der Tatsache, dass diese nur von einem kleinem Teil ihrer Kommiliton:innen gewählt wurden, nicht ernst nehmen, wie eine AStA-Vorsitzende der Uni Lüneburg berichtet[11]. Eine höhere Wahlbeteiligung würde in solchen Fällen natürlich mehr Verhandlungsmacht bedeuten, da mehr Studierende hinter den Amtsinhaber:innen stehen. Glücklicherweise sind laut Aussage des AStA der Uni Rostock die Mitglieder der Hochschulleitung größtenteils respektvoll und arbeiten gut mit den gewählten Vertreter:innen der Studierendenschaft zusammen.

Nichtsdestotrotz hinterlässt das niedrige Interesse an Hochschulpolitik Mängel. An wem es ist, diesen Umstand zu ändern, ist unklar. Sollten die gewählten Vertreter:innen die HoPo attraktiver präsentieren? Liegt es an der Uni, ein Umdenken zu bewirken? Müssen die von der HoPo gelangweilten Studierenden sich selbst ändern?

Diese Frage bleibt weiterhin bestehen, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass erstmal alles so bleibt, wie es ist.


[1] Knopke, K., & Drewanz, J. (2018, 30. Mai). Wie politisch sind Studierende heute? KATAPULT-Magazin. https://katapult-magazin.de/de/artikel/wie-politisch-sind-studierende-heute

[2] AStA / StuRa Universität Rostock. https://www.asta-rostock.de/stura-wahl/

[3] Lenz, M., & Hering, M.-M. (2020, 09. August). Uni-Demokratie: Studierende wählen kaum. CORRECTIV. https://correctiv.org/aktuelles/bildung/2020/08/09/uni-demokratie-studierende-waehlen-kaum/

[4] Decker, F. (2016). Sinkende Wahlbeteiligung. Interpretationen und mögliche Gegenmaßnahmen. Aus Politik und Zeitgeschichte, 66 (40–42), 30–35.

[5] Lenz, M. & Hering, M.-M. (2020, 09. August). https://correctiv.org/unkategorisiert/bildung/2020/08/09/uni-demokratie-studierende-waehlen-kaum/

[6] AStA / StuRa Universität Rostock. https://www.asta-rostock.de/mitmachen/stura/

[7] Hartmannbund. https://www.hartmannbund.de/studierende/netzwerk/univertretung-vor-ort/rostock/

[8] Benslim, M. (2014, 15. November).AStA hat zunehmend Nachwuchsprobleme. Deutschlandfunk. https://www.deutschlandfunk.de/hochschulpolitik-asta-hat-zunehmend-nachwuchsprobleme-100.html

[9] Lenz, M. & Hering, M.-M. (2020, 09. August). https://correctiv.org/unkategorisiert/bildung/2020/08/09/uni-demokratie-studierende-waehlen-kaum/

[10] https://files.studicloud.uni-rostock.de/index.php/f/335335

[11] Lenz, M. & Hering, M.-M. (2020, 09. August). https://correctiv.org/unkategorisiert/bildung/2020/08/09/uni-demokratie-studierende-waehlen-kaum/

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