Wird eine KI in Zukunft die Entscheidungen in unserer Politik treffen?

von David Wolf // Illustration von Julia Michel

Die Idee, dass KI-Systeme in der Politik eine Rolle spielen könnten, ist sowohl faszinierend als auch beunruhigend zugleich. Während einige die potenziellen Vorteile einer solchen Entwicklung betonen, wie die Eliminierung von Voreingenommenheit und menschlichen Fehlern, hegen andere Bedenken hinsichtlich der Machtübernahme durch Maschinen und dem Verlust menschlicher Empathie und moralischer Urteilsfähigkeit.

Momentan scheint der Konsens zu sein, dass KI-Systeme zur Entscheidungsfindung beitragen, sie jedoch nicht vollkommen übernehmen sollen. In Deutschland erhalten KI-Systeme nur sporadisch Einzug in Politik und Verwaltung. So hat sich der Berliner FDP-Politiker Peter Kastschajew eine Rede zur Verwaltungsreform von ChatGPT schreiben lassen[i] und der Brandenburger SPD-Politiker Erik Stohn lies sich von dem Chatbot eine parlamentarische Anfrage verfassen[ii]. Beide Politiker erhielten für diesen eher als Gimmick gemeinten Einsatz des Chatbots viel Kritik aus den Reihen ihrer eigenen Parteien. In anderen Fällen scheint der Einsatz schon vielversprechender. Die Poststelle der Stadt Bergheim nutzt einen Algorithmus, der die eingehende Post sortiert und der jeweiligen Organisationseinheit automatisch zuordnet. In Soest in Nordreinwestfahlen können sogar Straßenschäden durch ein KI-System erfasst werden und in Berlin teilt ein KI-System die Schulbezirke in Tempelhof-Schöneberg ein[iii].

Um Deutschland als KI-Standpunkt auszubauen, hat die Bundesregierung schon 2018 eine KI-Strategie veröffentlicht, in der folgendes Ziel ausgesprochen wird: „Den Standort Deutschland in Erforschung, Entwicklung und Anwendung von KI im internationalen Wettbewerb zu stärken“. Dafür sollen bis 2025 fünf Milliarden Euro bereitgestellt werden[iv].

Mögliche Einsatzfelder gibt es viele. KI-Systeme könnten erstens genutzt werden, um große Datenmengen auszuwerten und Prognosen über politische Trends und Wahlergebnisse zu erstellen. Zweitens könnten sie Anwendung in der Verwaltung finden, wenn man sie beispielsweise bei der automatisierten Bearbeitung von Anträgen oder der Klassifizierung von Dokumenten unterstützend einsetzt. Drittens könnten KI-Systeme eine Rolle im Bereich der Sicherheit und Überwachung spielen, indem sie bei der Analyse großer Datenmengen zur Identifikation potenzieller Bedrohungen eingesetzt werden. Damit beschäftigt sich bereits das Forschungsprojekt KISTRA des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, welches KI-Methoden zur Verarbeitung von Massendaten nutzen soll, um Straftaten und Hasskriminalität frühzeitig erkennen zu können[v]. Viertens bieten KI-gesteuerte Chatbots die Möglichkeit, einfacher mit Bürger:innen zu kommunizieren und Anfragen zu beantworten. Fünftens können KI-Systeme einen großen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten, indem sie Daten analysieren und Umweltauswirkungen politischer Maßnahmen bewerten.

Auch hier sind bereits erste Ansätze zu sehen. Das Projekt SAUBER, welches unter anderem durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert wird, nutzt ein KI-Analyseverfahren, das mittels Satellitendaten Luftschadstoffbelastung vorhersagen soll[vi].

Bei der Nutzung von KI-Systemen in der Politik stehen auch Fragen des Datenschutzes, der Transparenz und des Vertrauens in automatisierte Systeme im Mittelpunkt der Debatten.

Natürlich ist es ein großer Unterschied, ob KI-Systeme Menschen bei der Entscheidungsfindung helfen oder ob die KI selbstständig Entscheidungen trifft. Besteht überhaupt das Interesse daran, einer KI die Entscheidungsmacht zu übergeben? Laut dem IE Center for the Governance of Change schon. Eine Befragung dieser spanischen Institution aus dem Jahr 2021 ergab, dass 51% der Befragten aus Europa die Anzahl der Abgeordneten im Parlament verringern würden, um sie gegen eine KI auszutauschen. Von den deutschen Befragten befürworteten etwa 46% der Umfrageteilnehmer diese Aussage[vii]. Ideen für die Umsetzung von KI im Parlament sind bisher noch sehr vage. Professor Frank Puppe vom Institut für Informatik der TU Kaiserslautern erklärt, dass Wähler:innen in einem solchen Fall keine Parteien oder Personen mehr wählen würden. Stattdessen würden sie politische Präferenzen angeben, die sich in verschiedenen Zielen widerspiegeln wie beispielsweise die Verteilung von finanziellen Ressourcen für bestimmte Zwecke oder konkrete Projekte sowie die Veränderung der Rahmenbedingungen der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens. Die KI würde in einem solchen Fall die Auswirkungen des Wahlverhaltens in verschiedenen Szenarien berechnen. Allerdings liegt die Entwicklung einer solchen KI noch nicht in greifbarer Nähe. Schließlich müsste sie sichere Annahmen über die Zukunft treffen können und konkrete Vorhersagen auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten treffen können. Zudem ist unklar, welche Daten eine solche KI benötigen würde, da es bislang keinen einheitlichen wissenschaftlichen Konsens in vielen Themenbereichen gibt[viii].

Die Herausforderungen bei der Entwicklung einer KI-gestützten politischen Entscheidungsfindung sind also vielfältig. Neben technischen Fragen müssen auch ethische Aspekte wie Datenschutz und Transparenz berücksichtigt werden. Weiterhin ist zu diskutieren, inwieweit eine KI für eine solche politische Verantwortungsposition geeigneter als ein Mensch ist. Denn auch KI-Systeme sind nicht von äußerer Beeinflussung befreit. Wie die Mathematikerin Cathy O’Neil bereits sagte: „Algorithmen sind Meinungen, verpackt in Mathematik.“

[i] https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/fdp-politiker-haelt-rede-mithilfe-von-chatgpt-li.313204

 

[ii] https://www.maz-online.de/brandenburg/chat-gpt-brandenburger-spd-politiker-laesst-anfrage-mit-kuenstlicher-intelligenz-erstellen-HC4IYBJXUFSFJQ5JRCOXE5YCYU.html

 

[iii] https://colab-digital.de/initiativen/koki/verwaltung/

 

[iv] https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/digitale-wirtschaft-und-gesellschaft/kuenstliche-intelligenz/kuenstliche-intelligenz_node.html

 

[v] https://www.sifo.de/sifo/de/projekte/querschnittsthemen-und-aktivitaeten/kuenstliche-intelligenz-in-der-zivilen-sicherheitsforschung/kistra/kistra_node.html

 

[vi] https://www.dlr.de/eoc/desktopdefault.aspx/tabid-18220/29005_read-77031

 

[vii] https://www.ie.edu/cgc/research/european-tech-insights/

 

[viii] https://link.springer.com/article/10.1007/s00287-022-01443-6

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