Die StuRa-Wahl – Neue Hoffnung für eine Studierendenschaft in der Krise?

von Julius Richert

Im Juni konnten alle Studierenden der Uni Rostock mit wenigen Mausklicks über ihre Zukunft entscheiden. Nein, ich spreche nicht von der Anmeldung zu den Prüfungen: letzten Monat fanden die Wahlen zum Senat, Konzil, den Fakultätsräten und dem Studierendenrat (StuRa) statt. Mittlerweile zum dritten Jahr in Folge online. Aber entscheidet die Wahl wirklich über die Zukunft der Studierenden oder ist sie ein Relikt vergangener Zeiten, ignoriert von den heutigen Student:innen?

Die Studierendenvertretung mit ihren zahlreichen Gremien, hat bei den meisten Studierenden ein eher eingestaubtes Image und wird oft als Elfenbeinturm ohne echte Legitimation wahrgenommen. Viele haben den Eindruck, im Grünen Ungeheuer sitzt eine selbst erkorene Elite, die einmütig ihre gemeinsamen Interessen vertritt und dabei alle anderen Studierenden aus dem Blick verliert. Als jemand, der lange genug selbst dabei war, kann ich sagen, dass man sich definitiv nicht immer einig ist. Und ich behaupte guten Gewissens, dass die meisten Studierendenvertreter:innen auch das Wohl aller Studierenden im Blick haben. Und dennoch: Irgendwie ist der Wurm drin. Das Personalkarussell dreht sich unermüdlich – kein Monat ohne AStA-Rücktritt, endlose Strukturdiskussionen und Grabenkämpfe verdrängen echte inhaltliche Debatten im StuRa. Die Wahlbeteiligung zu den Gremienwahlen war chronisch niedrig und auf den letzten StuRa-Sitzungen waren teilweise weniger StuRa-Mitglieder als AStA-Referierende und Gäste und Gästinnen anwesend. Wo sind sie denn, unsere Parlamentarier:innen?

Verständlich, dass, angesichts dieser Zustände, das Interesse an der Hochschulpolitik sinkt, oder?

Nein, denn in den gerade abgeschlossenen Gremienwahlen haben wir an allen Fakultäten und für alle Gremien Rekordwahlbeteiligungen erreicht. Ganz so uninteressant ist die HoPo unter den Studis wohl doch nicht geworden. 48 Mitglieder hat der neue StuRa, der ab Oktober zusammentritt. Darin versammeln sich Student:innen fast aller Fakultäten. Lediglich an der THF fand mangels Kandidat:innen keine Wahl statt. Sogar an der Universitätsmedizin, an der traditionell sein eigenes Ding gemacht wird und weder Profs, noch Mitarbeitende, noch Studis so recht etwas mit der restlichen Uni, geschweige denn mit ihren Gremien zu tun haben wollen, gibt es sechs neue StuRa-Mitglieder. Und das bei der höchsten Wahlbeteiligung aller Fakultäten, die bei 22,1% liegt. Das Schlusslicht bildet dabei die Fakultät für Informatik und Elektronik mit 10,2%, wobei die Gesamtwahlbeteiligung, über alle Fakultäten gemittelt, 15,5% beträgt. Für das ungeschulte Auge ist das sicherlich keine berauschende Wahlbeteiligung und es gibt noch viel Luft nach oben. Im Vergleich zum letzten Jahr konnte die diese jedoch fast verdoppelt werden, was auch für die gute Öffentlichkeitsarbeit zur Wahl dieses Jahr spricht.

Was sicherlich zum größeren Interesse an den Gremien beigetragen hat, ist die Konkurrenz unter den antretenden Listen. Denn für Senat und Konzil findet keine Personen-, sondern eine Listenwahl statt. Zwar sind die politischen Möglichkeiten von Senat und Konzil recht begrenzt, aber so kann jede und jeder die, für die eigenen politischen Interessen „passende“, Liste wählen. Da viele der Kandidierenden sowohl für Konzil oder Senat als auch für den StuRa antreten, strahlt dieses politische Selbstbekenntnis auch in die StuRa-Wahl aus und auch die Listen haben Werbung für „ihre“ StuRa-Kandidat*innen gemacht. Neben Fachschaftslisten aus der Medizin und den Wirtschaftswissenschaften sind dieses Jahr zwei Listen angetreten, die sich klar politisch positionieren. Zum einen hat der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), der CDU-Studierendenverband, zusammen mit der Liberalen Hochschulgruppe unter dem Namen „Gemeinsam Uni Gestalten“ eine Liste für den Senat eingereicht. Im Konzil war der RCDS auf sich allein gestellt. Das insgesamt 66-köpfige formal höchste Gremium der Uni war den Liberalen wohl zu irrelevant. Das Gegengewicht zu dieser konservativ-liberalen Liste bildete die „Hochschulpolitik auf links gedreht“ (HALG), die sich selbst als links-progressive Liste beschreibt.

HALG wird ab Oktober mit Lara Tauch und Alina Sulfrian zwei Senatorinnen stellen. Außerdem werden Luisa Grabe aus dem Fachschaftsrat Medizin und Gesundheit sowie Charlotte Beermann vom RCDS die Studierendenschaft im Senat vertreten. Von den 22 Sitzen der Studis im Konzil entfallen 11 auf HoPo auf Links gedreht, sechs auf die Medizin, drei auf den Fachschaftsrat Wirtschaftswissenschaften und zwei Sitze auf den RCDS.

Charlotte Beermann zeigt sich zufrieden mit dem Ausgang: „Die tollen Wahlergebnisse sind ein Zeichen dafür, dass wir mit unseren Forderungen, auch im Vergleich zu anderen Hochschulgruppen, auf dem richtigen Weg sind. Wir gehen mit viel Rückenwind an die Arbeit in den Gremien.“ Etwas zurückhaltender trotz des Wahlsiegs äußert sich HoPo auf Links gedreht in einem, von der gesamten Liste verfassten, Statement: „Wir bedanken uns bei allen Studis, die uns gewählt und damit den Wahlsieg möglich gemacht haben. Insbesondere freuen wir uns über die hohe Wahlbeteiligung und das damit ausgedrückte Interesse. Wir sehen aber auch, dass unser Ergebnis ausbaufähig ist, was uns zeigt, dass linkes politisches Engagement und dessen Kommunikation in der kommenden Legislatur umso wichtiger sein wird.“

Es bleibt abzuwarten, wie sich diese politische Vielfalt ab Oktober in den Uni-Gremien, vor allem aber im StuRa auswirken wird. Bekanntlich heißt es, Konkurrenz belebt das Geschäft – und eine (Wieder-)belebung haben StuRa und AStA dringend nötig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert