von Martin Tischer/ 10.01.2021 // Grafik: Steffen Dürre
Nachdem sich Bund und Länder für die Möglichkeit der Einführung einer 15-km-Regel zur Eindämmung des Corona-Virus, also einer Art Ausgangsdistanzbeschränkung, entschieden haben, führte der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte sogleich eine solche mit der entsprechenden Allgemeinverfügung ein. Auf andere Landesteile könnte eine solche Maßnahme ebenfalls zukommen, sofern sich die Fallzahlen erhöhen.
Doch was bedeutet eine solche 15-km-Regel und wie soll sie kontrolliert werden, damit sie auch wirksam ist?
Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung war eingangs unklar, ob die 15-km-Regel von der Gemeindegrenze oder von der Haustür aus gilt. Während das gesamte Land Sachsen als Vorreiter die Gemeindegrenze zugrunde legte, belässt es der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte hingegen bei der Haustür als Ausgangspunkt. Für die Berechnung des Umkreises gilt bisher die Luftlinie.
Die Berechnung stellt sich im Einzelfall nicht ganz einfach dar. Die Verwendung von digitalen Landkarten mit Umkreiseinzeichnungen ist nicht für jeden selbstverständlich und könnte insbesondere ältere Menschen vor große Herausforderungen stellen.
Daneben werden vor allem diejenigen in Erklärungsnot kommen, die in der Corona-Krise wegen Beschränkungen der Meldeämter keinen Ummeldetermin erhielten und noch alte Wohnadressen in ihren Dokumenten verzeichnet haben.
Der Umstand, dass ländlichere Regionen besonders hart von der 15-km-Regelung betroffen sind, ist nicht zu bestreiten. In 15 km Entfernung ist für einige Menschen dann nur noch Natur, die Nachbargemeinde und vielleicht nicht einmal die nächste Stadt.
Wie Kontrollen der 15-km-Regel schließlich genau ausgestaltet werden sollen, ist ebenfalls unklar. Laut der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Mecklenburg-Vorpommern wird es letztlich bei stichpunktartigen Kontrollen bleiben müssen, insbesondere auch, da eine Erhöhung der Kontrolldichte nicht mit einer Erhöhung der Personaldichte verbunden ist.
Eine effiziente Kontrolle bedürfte juristisch betrachtet auch einer umfassenden Befugnis. Sie müsste die Feststellung der Identität einer Person an praktisch allen Orten Landes zulassen, da überall gegen die Regelung verstoßen werden kann. Eine solche Befugnis ist gerade wegen seiner Universalität nicht völlig unkritisch zu betrachten (Stichwort: „Gläserner Mensch“).
Sofern sich die Kontrolle auf die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) bezieht, wäre, juristisch betrachtet, zumindest ein sogenannter Anfangsverdacht erforderlich. Auch wenn an einen solchen keine hohen Anforderungen zu stellen sind (nur zureichend tatsächliche Anhaltspunkte), so bedarf es zumindest irgendeines Hinweises. Doch welche äußerlich erkennbaren Tatsachen weisen auf ein Verlassen des 15-km-Raumes hin?
Die Erfahrungen zur Auslastung von typischer Touristenparkplätzen oder Sehenswürdigkeiten könnte bei einer eigenen geringen Bevölkerungsdichte durchaus herangezogen werden. Doch der allgemeine Fahrzeugverkehr lässt schon weniger Schlüsse zu, da ortsfremde Kennzeichen behalten werden dürfen und diverse Firmenfahrzeuge unterwegs sind. Und Fußgängern ist ihr Wohnort schlichtweg nicht anzusehen.
In einer Kontrolle wird schließlich nach dem Personalausweis gefragt, da dieser die notwendige Wohnadresse enthält (der Führerschein enthält keine Adresse). Das Personalausweisgesetz (PAuswG) sieht jedoch nur eine Besitzpflicht vor und eine Aushändigungspflicht, falls der Personalausweis mitgeführt wird. Eine eigenständige Mitführpflicht gibt es nicht.
Wenn kein Personalausweis mitgeführt wird, könnten die Personaldaten in der Kontrolle einfach mit einem Verweis auf § 111 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) mündlich abgefragt werden. Laut § 111 OWiG müssen Personaldaten immer korrekt angegeben werden, da man sonst wiederum eine Ordnungswidrigkeit begeht.
Doch hier befindet sich eine juristische Unklarheit. Würde die Nennung der Adresse dazu führen, dass das Verlassen des 15-km-Bereiches zugegeben werden müsste, käme das einer Selbstbelastung gleich, die nach dem sogenannten Nemo-Tenetur-Grundsatz unterlassen werden darf. Eine Verweigerung der Angabe der Personaldaten würde schließlich zur Sinnlosigkeit der Kontrollen führen, da Personen ohne mitgeführten Personalausweis nicht effektiv kontrolliert werden könnten.
Auch wenn der gesetzgeberische Wille zur Eindämmung des Corona-Virus durchaus nachvollziehbar und richtig ist, wirft die 15-km-Regel einige rechtliche Probleme auf, die es im Sinne der Nachvollziehbarkeit aller noch zu klären gilt. Auch wenn die Kontrollen, wie oben dargestellt, nicht zwingend zielführend sind, sollten wir solidarisch miteinander sein und die bereits festgelegten und zukünftigen Regeln einhalten.