„Klimakrise hat nichts mit Einzelkämpfern zu tun. Es ist ein gemeinschaftliches Anliegen!“

Rostock for Future

 – Ein Interview mit der Hochschulgruppe „Students for Future“ (Teil 1)

von Carolin Grub // Fotos von Jonas Müller

Liebe Leser*innen,

im Zuge der Hochschulgruppen-Vorstellung unseres AStA´s haben wir Pauline (Mitbegründerin der SFF), Kat (Sprecherin der SFF) und Tim (Mitbegründer der SFF) von den Students for Future getroffen und ihnen Fragen rund um die Gründung, Arbeit und Ziele ihrer Hochschulgruppe gestellt.

heuler: Pauline und Tim, ihr seid im Jahr 2019 auf die Demos der Students for Future (SFF) in Deutschland aufmerksam geworden und habt dann beschlossen, auch so eine Hochschulgruppe in Rostock zu gründen. Wie lief das denn genau ab? Könnt ihr uns einen kurzen Abriss eurer Entstehungsgeschichte geben?

Tim: Im Frühjahr 2019 saß ich in der Bib an einer Hausarbeit über Wissenschaftstheorien und über Trumps Aussagen zum Klimawandel, als ich auf die Proteste von den Fridays for Future in Rostock aufmerksam wurde. Also habe ich mir ein paar Freund*innen genommen und zusammen sind wir zum Kröpi-Tor gegangen, wo der 2. Globale Klimastreik abgehalten wurde. Beim Zuschauen merkten wir, dass das richtig ist, was die Schüler*innen da machen, dass es etwas ist, wo wir Studis uns mit einbringen sollten. Irgendwann saßen Pauline und ich beim Essen und haben überlegt, was wir noch kurz vor dem nächsten großen Streiktermin auf die Beine stellen könnten. Nach ein wenig googlen haben wir herausgefunden, dass sich Studierende als Students for Future in ganz Deutschland organisieren. Damit hatten wir den Plan, diese Gruppe auch in Rostock zu etablieren. Wir haben erst einmal bei Freund*innen rumgefragt, die erste Chatgruppe wurde gegründet und schnell folgten die ersten Flyer. Und nach einer sehr ereignisreichen Woche war auf einmal diese Hochschulgruppe da.

Pauline: Das war genau eine Woche vor der Nachhaltigkeitswoche. Und ich habe dann auch mit Ellen aus dem StuRa gesprochen und sie meinte ebenfalls, dass das ein perfekter Zeitpunkt sei, diese Hochschulgruppe ins Leben zu rufen! Wir nutzten also die Nachhaltigkeitswoche, um eben Flyer zu verteilen und bei den Veranstaltungen mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Wir hatten also einen echt guten Zeitpunkt gewählt. Auch wenn es sehr sportlich war, innerhalb einer Woche so eine Hochschulgruppe zu gründen.

heuler: Es ging ja dann wirklich sehr schnell und auf einmal wart ihr da und seid immer größer geworden. Also könnt ihr auf jeden Fall sagen, dass euch die Fridays for Future- Bewegung euch da extrem bewegt und beeinflusst hat.

Pauline: Ja definitiv. Uns war auch immer wichtig, keine Konkurrenzgruppe aufzumachen und gleichzeitig dem Wunsch vieler Studis nachzukommen, eine Gruppe zu haben, wo sie sich wohlfühlen und sich engagieren können. Das hieß, es brauchte eine Gruppe, um eben auch die Studis sicher aufzunehmen. Aber eben nicht als Konkurrenzgruppe; sondern wir wollten von Tag 1 an die Schüler*innen der Fridays-Bewegung dort unterstützen, wo sie Hilfe wollten und brauchten. Natürlich wollten wir aber auch parallel unser Ding im Rahmen der Uni machen, wie z. B. mit der Public Climate School, und auch was an unser Uni zu verändern.

heuler: Gab es denn die gewünschte Resonanz der Studis auf diese neue Hochschulgruppe oder blieb es eher ein kleiner Kreis?

Pauline: Wir hatten zu Beginn leider Probleme mit unserer E-Mail-Adresse, die uns ein Schüler*in der Fridays eingerichtet hatte. Wir bekamen zwar enorm viele Mails, weil wir etliche Rundmails verschickt hatten, aber irgendwann häuften sich die technischen Probleme. Wir nutzten vor allem die Fachschaftsräte und machten dort auf uns aufmerksam. So hatten wir z. B. gehört, dass viele aus der Physik total davon begeistert waren, sich einzubringen. Wie wir im Nachhinein erfahren haben, gab es dort auch Pläne, eine Hochschulgruppe, die sich für Klimaneutralität einsetzt, zu gründen. So beliebig kann es manchmal sein: Eine Woche später und wir wären nicht die Initiator*innen gewesen. (lacht)

Tim: Also es zeigt, dass die Gründung einer solchen Hochschulgruppe echt unausweichlich gewesen ist. Der Zeitpunkt dazu war aber auch einfach gut. Denn so waren die Physiker*innen sofort dabei und hatten auch schon etliche Kräfte gebündelt. Natürlich nicht nur Physiker*innen, sondern auch aus anderen Fachschaften, aber sie haben sich schon echt hervorgetan. Sie sind bis heute noch superaktiv bei uns.

Pauline: Auf den ersten Demos hatten sie auch immer riesige Plakate. Sie waren wirklich die ersten Studis, die auf unseren Demos mitgelaufen sind. Deswegen sind sie uns so in Erinnerung geblieben.

Tim: Am Anfang hatten wir wirklich ein enormes Wachstum. Zu Beginn war es daher so, dass wie bei den Fridays for Future viel über WhatsApp-Gruppen organisiert wurde und immer mehr Leute hinzugefügt wurden und es sich immer weiter herumgesprochen hat. Später haben wir dann diese Plattform auch auf Social Media erweitert, wo dann eben eine noch größere Reichweite entstand.

heuler: Habt ihr euch dann auch explizit Hilfe von den anderen Students for Future in Deutschland geholt oder wart ihr die zwei Hauptpersonen, die diese Hochschulgruppe alleine auf die Beine gestellt haben?

Tim: Also von der bundesweiten Orga hatten wir keine Unterstützung. Na klar haben wir uns ein bisschen was abgeguckt. Es waren aber wie gesagt niemals wir beide alleine. Neben dem großen Kreis der Leute, die wir immer wieder bei Aktionen gesehen haben, gab es auch natürlich einen kleineren Kreis an Aktivist*innen, die wirklich immer mit am Start waren und sind, die immer mit anpacken und alles organisieren.

Pauline: Wir haben dann auch relativ schnell eine konstituierende Versammlung einberufen, wo wir uns auch sofort eine Hochschulgruppen-Satzung gegeben haben. Das war auf jeden Fall ein wichtiger Schritt am Anfang, obwohl es ein wirklich sehr zähes Prozedere war. Aber durch die gegebene Struktur konnten wir gleich Aufgaben verteilen und Ämter wählen. Damit wurde die Verantwortung auf viele Schultern verteilt. Das war sehr wichtig.

heuler: Wie sieht denn nun eure Struktur aus? Wie kann man bei euch mitmachen?

Kat: Mitmachen können Menschen bei uns eigentlich ganz einfach. Zum einen könnt Ihr uns einfach eine Mail schreiben, bei Social Media kontaktieren oder Ihr sprecht uns einfach direkt auf den Demos an. Wir bekommen oft Mails wie: „Hey, ich bin neu in Rostock und würde gerne bei euch mitmachen.“ Dann laden wir einfach zu unserem nächsten Plenum ein und wenn es etwas für einen ist, steht auch nichts mehr im Wege, Teil unserer aktiven Gruppe zu werden und mitzumachen. Wir haben auch einen großen Mail-Verteiler und Messenger für Telegram und WhatsApp angelegt, wo Ihr regelmäßig mit Infos versorgt werdet. Bei beiden Letzteren gibt es auch jeweils Diskussionsgruppen, wo Ihr Euch nach Lust und Laune austauschen könnt. Wir wollen, dass alle Menschen die Gelegenheit haben, ganz einfach bei uns mitzumachen und das nicht unnötig kompliziert machen. Alle, die wollen, sollen sich für den Klimaschutz einsetzen können.

heuler: Was sind gerade eure aktuellen Themen, die ihr in Rostock antreiben möchtet bzw. euch konkret wünscht und euch dafür einsetzt?

Kat: Aktuell gibt es verschiedene Themen. Zum einen sind wir ja Teil des Aktionsbündnis Rostock for Future, wo neben uns die Fridays- und Parents for Future dazugehören. Mit ihnen zusammen gibt es so einige Themen, die wir angehen, die insbesondere die Stadt betreffen. Ein zuletzt wichtiges Thema war der Beschluss der Bürgerschaft, dass Rostock bis 2035 klimaneutral werden soll. Diesen Beschluss haben wir tatkräftig begleitet. Als Students beschäftigen uns natürlich auch Themen rund um die Uni. Wir wollen selbstverständlich, dass unsere Uni die richtigen klimarelevanten Entscheidungen trifft, um wirklich bis 2035 klimaneutral zu werden. Dazu wollen wir den neuen Nachhaltigkeitsbeauftragten der Uni unterstützen. Allerdings liegt da noch ein weiter Weg vor uns, bis wir als Uni dieses Ziel erreichen können. Man darf nicht vergessen: Zuvor war das noch gar nicht Thema! Und daher ist es unsere Aufgabe, diesen Weg mit zu begleiten und ein Einschlafen zu verhindern. Dazu müssen auch einige Hochschulstrukturen verändert werden und genau damit beschäftigen wir uns auch aktuell. Darum sitzen wir als SFF mit am Runden Tisch mit dem Thema Nachhaltigkeit (und Diversity), der vom neuen Nachhaltigkeitsbeauftragten der Uni zusammengestellt wurde.  

heuler: Was wäre so ein Punkt, was an der Uni verbessert werden müsste?

Kat: Also das Projekt „klimaneutrale Uni“ steht ja noch ganz am Anfang. Von daher muss noch so einiges angegangen werden. Zu aller erst muss eine Bilanzierung stattfinden: Wie viel CO2 wird insgesamt verursacht? Wo kann man schnell am meisten einsparen? Da gibt es auch großes Engagement der Scientists for Future. Ein großes klimarelevantes Problem der Uni Rostock sind ja auch die alten Gebäude, die relativ schlecht isoliert sind. Hier wird sehr viel Wärme verschwendet und es „pfeift durch alle Ritzen“. Sie sind also nicht besonders effizient. Und so muss in allen Bereichen der Uni geschaut werden, wo etwas verbessert werden muss. Am Ende müssen ja alle Emissionen bei null ankommen oder angemessen kompensiert werden.

heuler: Ihr spracht vorhin von der Rostocker-Klimaneutralität bis 2035. Wie steht ihr zu dem Beschluss? Ist das realistisch oder viel zu spät?

Tim: Vielleicht zunächst ein bisschen Kontext dazu: Vor dem Beschluss lautete das Klimaziel der Stadt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Wir hatten das Glück, dass wir diesbezüglich aber auf wissenschaftliche Daten zugreifen konnten. Daraus wurde ersichtlich, dass, wenn man 2050 weiterhin verfolgt, das Dreifache an CO2 verursachen würde, als was uns nach dem Pariser Klimaabkommen zusteht. Gleichzeitig wurde klar, dass wenn auf dem aktuellen CO2-Ausstoß verharrt wird, unser Paris-konformes CO2-Budget schon in 5 1/2 Jahren aufgebraucht ist. Das ist übrigens dann, wenn die BUGA stehen soll. Das ist sehr bald und daher ziemlich alarmierend. Deswegen haben wir uns mit den Parteien zusammengesetzt und das Thema angesprochen. Denn alle Bemühungen sollten auch das richtige Ziel haben. Wir appellierten an die Verantwortung, die auch die Stadt selbst trägt, sich an das Pariser Abkommen zu halten und innerhalb dieses angemessenen Budgets die Stadt klimaneutral zu machen. Bei diesen Verhandlungen haben wir auch viel über Kommunalpolitik gelernt. Andererseits konnten wir mit unserem Wissen beisteuern und haben die Relevanz unserer Punkte verteidigt, bis der Antrag beschlussfähig war. Wir sind daher rot-rot-grün sehr dankbar, dass sie uns zugehört und den Antrag auch so durchgezogen haben. In diesem Jahr wird es aber noch spannend, wenn diskutiert wird, wie dieses richtig gesetzte Ziel zu erreichen ist und welche konkreten Maßnahmen zur Umsetzung aufgelistet werden müssen. Erst dann werden wir sehen, wie der Beschluss von den Parteien und den kommunalen Wirtschaftszweigen ernst genommen wird.

Der einzige Kritikpunkt des Antrags ist, dass die Bürgerschaft eben nur Einfluss auf die kommunalen Unternehmen hat und das ist damit eben nicht ganz Rostock. Um ganz Rostock klimaneutral zu machen, muss z.B. auch Verkehr oder die Bauvorhaben der BUGA miteinbezogen werden. Natürlich kann man nicht auf die einzelnen Bürger*innen einwirken. Aber man kann eben ein paar Stellschrauben drehen und damit die Klimaneutralität bis 2035 für ganz Rostock erreichen. Und dafür wird sich Rostock for Future weiterhin einsetzen.

Pauline: Und dass wir überhaupt mit den Parteien ins Gespräch gekommen sind, war nur durch unsere Demos und die vielen Leute, die wir gewinnen konnten, möglich. Die Politiker*innen der Bürgerschaft hätten kaum zugehört, wenn wir 2019 nicht circa 7.000 Rostocker*innen auf die Straßen gebracht hätten. Es ist daher ein Erfolg für ganz Rostock und wir sind allen Rostocker*innen extrem dankbar dafür. Aktivismus wirkt. Egal ob durch Demos oder anderen Aktivitäten. Bringt Euch einfach mit ein!

heuler: Eine Leserin hat sich vorgenommen, in diesem Jahr klimaneutraler zu leben. Habt ihr da vielleicht erste Tipps und Tricks für sie?

Kat: Also für mich war es erkenntnisreich, mich hauptsächlich erstmal über Klimaneutralität zu informieren. Es ist gut zu wissen, wie das alles funktioniert, wie man was bewegen kann und mit Menschen dazu in Kontakt kommt. Ich habe relativ viel von Harald Lesch gelernt. Das neue Buch von Luisa Neubauer soll aber auch sehr erkenntnisreich sein. Mittlerweile gibt es so viele Informationen, da kommt man schnell rein. Klimaaktivismus ist für alle da! Schlussendlich freuen wir uns über jede Verstärkung und alle können sich bei uns melden.

Pauline: Es ist natürlich mega lobenswert, selbst zu versuchen, klimaneutral zu leben, aber ich glaube, es hat wirklich einen größeren Impact, wenn man sich auch politisch aktiviert und sich als zoon politikon, also als politisches Wesen begreift. Wir sollten uns einfach immer wieder vor Augen führen, wie cool das ist, wenn wirklich eine ganze Stadt oder Kommune verändert werden kann: Wenn du erreichst, dass 100 Leute mehr mit dem Fahrrad fahren anstatt mit dem Auto; Wenn du es schaffst, dass die Innenstadt der Stadt Rostock autofrei sein wird oder gar das Kohlekraftwerk abgeschaltet wird. Das ist einfach unglaublich, wie viel CO2 durch solche Maßnahmen eingespart werden kann. Ich habe am Anfang auch gedacht, ich muss mich jetzt zu 100% vegan ernähren, zu 100% plastikfrei leben und auf keinen Fall mehr verreisen. Das hat mich irgendwann einfach nur noch gestresst und fertig gemacht, weil ich mit meinem Perfektionismus in meiner eigenen Bubble geblieben bin. Und erst durch die Fridays-Bewegung habe ich gesehen, dass man mit politischem Engagement viel mehr erreichen kann. Natürlich haben wir hier in Rostock ja auch viele „grüne Vereine“ wie die Grüne Hochschulgruppe oder Green Goldi, den Unverpacktladen, wo auch ein Verein dahintersteckt, der z.B. regelmäßig Müll sammelt und das sind auch echt mega geile und wichtige Sachen, aber ich habe einfach gemerkt, dass politischer Aktivismus erstens was bringt und zweitens habe ich Menschen um mich herum, die das gleiche Ziel verfolgen. Die Arbeit in einem Team gibt einem echt sehr viel!

Tim: Die Klimakrise hat eben nichts mit Einzelkämpfer*innen zu tun, sondern es ist ein gemeinschaftliches Anliegen. Wir müssen weg vom Individualismus und hin zum Kollektivismus und so die großen, die bitter nötigen Veränderungen schaffen. Wir können in Deutschland nicht klimaneutral leben, wenn wir nicht unser Wirtschaften ändern. Zum Schluss müssen wir Gesetze ändern, um das zu erreichen. Wir haben so viel zu gewinnen, aber das passiert eben auch nicht von alleine. Das Selbstoptimieren kommt dann von ganz alleine. Da findet ihr schon eure eigenen Möglichkeiten.

Kat: Daher meldet Euch bei uns und seid ein Teil der Bewegungen! Ihr werdet offene Türen einrennen. (grinst)

heuler: Danke für die tollen Schlussätze und für eure ehrlichen Antworten!

P.S. Ihr wollt noch mehr über die Arbeit der Students for Future erfahren? Dann schaut unbedingt in unser nächstes Heft und erfahrt mehr über ihr letzte Projekt und wie sie ihren Aktivismus in Zeiten einer Pandemie bewahren.

Students for Future Eisbär

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