Von Carla Radtke // Illustration von Rosa Staiger
Ich fliege in den Semesterferien nach Lateinamerika – trotz Klimakrise und Corona-Pandemie. Darf ich das? Die Inzidenzen sind hoch wie noch nie, und dass fliegen wirklich schlecht für die Umwelt ist, weiß ich auch.
Die Flüge habe ich trotzdem gebucht.
Vielleicht ist das Ignoranz. Die gleiche Ignoranz, die ich anderen Menschen vorwerfe, die Fleisch essen, für ein paar Tage in den Urlaub fliegen oder das Auto zum Fitnessstudio nehmen, um da Rad zu fahren.
Manchmal frage ich mich, wie weit ich mich als Einzelperson einschränken muss, wenn Lufthansa 18.000 Leerflüge durchführt, um sich gute Stellplätze zu sichern. Wie viel ist mein Einsatz wert? Wie schädlich meine Flugtickets? In dieser Kolumne möchte ich mich nicht rechtfertigen, sondern von meinem eigenen Konflikt erzählen.
Normalerweise lebe ich größtenteils vegan, benutze Jutebeutel zum Einkaufen, wasche meine Haare mit festem Shampoo und kaufe Kleidung meistens gebraucht. Ich versuche ungezwungen Nachhaltigkeit in mein Leben zu integrieren.
Aber wie sollen wir damit umgehen, dass zukünftig viele weitere Zwickmühlen à la Bio-Gurke in Plastikhülle oder Pestizidgurke ohne Verpackung in unser Leben treten werden? Ist es besser, Fair Fashion neu zu kaufen oder Fast Fashion secondhand?
Wie weit sind diese ökologischen Ambivalenzen vertretbar?
Ich habe auf diese Frage keine Antwort, vermutlich haben das die wenigsten Menschen. Deshalb versuche ich, mich an meinen moralischen Kompass zu halten. Das gelingt mit Sicherheit nicht immer – Bequemlichkeit, Kosten, Naivität (mit Sicherheit bin ich schon auf Greenwashing hereingefallen) stehen manchmal im Weg. Und dann eben diese Reise auf die andere Seite der Erde.
Darf ich in den Semesterferien meine Gastfamilie in Lateinamerika besuchen oder soll ich sie nie wieder sehen, weil es die unbestreitbar ökologisch richtige Entscheidung wäre?
Trotz Gewissensbissen habe ich beschlossen, dass die emotionale Komponente dieses inneren Konflikts schwerwiegender ist als die rationale. Deshalb werde ich für einige Wochen zurück in meine Auslandsjahr-Heimat kehren. Und dort meine Haare mit festem Shampoo waschen. Und ohne Plastiktüten einkaufen – die sind nämlich seit 2019 verboten.
Ich finde mich und die Entscheidung zu meinem Verhalten in Ordnung. Dass ich mir Mühe gebe, vor allem ein Bewusstsein für mein Konsumverhalten habe und in vielen Lebensbereichen auf die Umwelt achte.
Und, dass ich auf diese eine Flugreise nicht verzichten möchte, obwohl es klimaschädlich ist.